Nach vielen Jahrzehnten
Celluloseaufbau geklärt
Cellulose ist ein wichtiger Bestandteil der pflanzlichen Zellwand. Doch auch für zahlreiche menschliche Industrieprodukte ist der pflanzliche Stoff unverzichtbar. Seit vielen Jahren versuchen Forscher zu verstehen, wie sich die Fibrillen der Cellulose zusammensetzen. Dank moderner Technik konnte dieses Geheimnis nun etwas mehr gelüftet werden.
Die Zellwände von Pflanzenzellen bestehen hauptsächlich aus Cellulose. Die semi-kristallinen Mikrofibrillen bilden sich, indem zahlreiche hochmolekulare β-1,4-Glucan-Ketten zusammenwachsen. In der pflanzlichen Entwicklung spielen die Cellulose Fibrillen eine wichtige Rolle, da sie die Richtung vorgeben, in die Pflanzenzellen wachsen. Aber auch für die sogenannte sekundäre Zellwand besitzt Cellulose mengenmäßig die größte Bedeutung. Diese verleiht den Pflanzen ihre Standhaftigkeit. Evolutionsgeschichtlich gelang es den Pflanzen erst mit der Entstehung dieses Makromoleküls, die uns heute vertrauten Größen von Pflanzen zu erreichen. Gleichzeitig können diese so Wind, Wetter oder sogar kletternden Tieren trotzen.
Doch Cellulose spielt nicht nur für Pflanzen eine wichtige Rolle, sie ist auch ein wichtiger Rohstoff von zahlreichen Industrieprodukten, sei es bei Papier- oder Holzprodukten oder als ständig nachwachsender Kohlenstofflieferant z. B. für die Chemie. Trotz der Bedeutung von Cellulose ist ihre Entstehung noch nicht vollständig aufgeklärt. Generationen von Forschern versuchten Stück für Stück mehr Licht ins Dunkel zu bringen, um die natürliche Entstehung dieses Stoffes zu verstehen.
Anzahl von Cellulosesynthasen und Glucanketten bisher nicht genau bekannt
Die Cellulose-Mikrofibrillen in Landpflanzen werden in der Plasmamembran aus einer „sechsblättrigen“ Rosette über den in der Membran lokalisierten Rosetten-Cellulose-Synthese-Complex erzeugt. Dieser große Enzymkomplex wird auch als Cellulose-Synthase-Complex (CSC) bezeichnet, weil er mehrere Cellulose-Synthase Glycosyltransferasen enthält, die für die Bildung der Mikrofibrillen verantwortlich sind. Seit Jahrzehnten konnte niemand genau sagen, wie viele Cellulosesynthasen sich in einer CSC Rosette befinden und wie viele Glucan-Ketten das Fibrillengerüst der Cellulose in den pflanzlichen Zellwänden bilden. Diese Fragen muten sehr speziell an, sie sind aber nicht nur für die Grundlagenforscher vor Bedeutung. Vielmehr könnten diese die Basis für künstlich hergestellte Cellulose sein, die z. B. für Industrieprodukte zur Verfügung stehen könnte, ohne dass dafür Bäume gefällt werden müssten. Bisher versuchte man über elektronenmikroskopischen Aufnahmen Angaben zur Anzahl der Cellulose-Synthasen zu erhalten. Die mit dieser Methode gewonnenen Erkenntnisse schwankten zwischen 12- und 25.
18 Cellulosesynthasen pro CSC Rosette
Wissenschaftler haben nun zeigen können, dass sich in einer CSC-Rosette maximal 18 Cellulosesynthasen befinden. Dazu benutzen sie ein verbessertes Gefrierbruch-Elektronenmikroskopie-Verfahren, mit dem sie zunächst die Durchschnittsgröße und die typischen, rosettenartigen Strukturen ermittelten. Mit herkömmlichen elektronenmikroskopischen Verfahren war das nicht möglich gewesen, da die Rosetten stets während des Präparationsprozesses zerstört worden waren. Aussagekräftige Bilder erhielten die Forscher beim Moos Physcomitrella patens, das in seinem Protonema, dem Vorkeim des Mooses, besonders dichte CSC Rosetten ausbildet. Diese verglichen sie mit aktuellen Computermodellen von Cellulosesynthasen. Die Daten deuten darauf hin, dass 18 Cellulosesynthasen pro CSC Rosette vorkommen. Diese 18 Cellulosesynthasen bilden wiederum in allen Landpflanzen eine Mikrofibrille, die aus 18 Glucanketten zusammengesetzt ist.
Landleben erfordert anderen CSC-Aufbau
Zum Vergleich: Zahlreiche Algen besitzen rechteckige CSCs und bilden große Mikrofibrillen aus, so auch beispielsweise die Cellulose-Fibrillen in der Blasenalge Valonia ventricosa, die etwa 1.200 Glucanketten enthalten. Landpflanzen zeichnen sich im Gegensatz dazu durch rosettenförmige CSC aus. Gleichzeitig sind die Cellulosefibrillen mit nur 18 Glucanketten wesentlich kleiner als bei den Algen. Die Wissenschaftler vermuten, dass diese Veränderungen geholfen haben, auf dem Land zu überleben, da sich die Zellwandstruktur von Landpflanzen an die verschiedenen Umweltbedingungen an unterschiedlichen Standorten anpassen musste.
Auf Basis der natürlichen CSC wird es schon bald möglich sein, Struktur und Zusammensetzung von CSC zu verändern und auf diese Weise Biomaterialien auf Cellulosebasis für ganz unterschiedliche Anwendungsgebiete herzustellen.
Quelle:
Nixon, B.T. et al. (2016): Comparative Structural and Computational Analysis Supports Eighteen Cellulose Synthases in the Plant Cellulose Synthesis Complex. Sci Rep. 2016 Jun 27;6:28696. doi: 10.1038/srep28696.
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Titelbild: Cellulose ist ein wichtiger Rohstoff für zahlreiche industrielle Produkte. Nur wenn ihre Struktur genau bekannt ist, kann sie für industrielle Zwecke gezielt verändert werden. (Bildquelle: © Bertold Werkmann / Fotolia.com)