Nichts tun wird teuer

Der Schutz von Böden, Wasser und Biodiversität muss jetzt beginnen

02.06.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ausgetrocknete Böden und die Ausweitung von Wüsten gefährden langfristig die Nahrungsmittelsicherheit. Hier sind Äcker zu sehen, die umgeben sind von trockenem Land im Dorf Kangirega, Landkreis Turkana. (Bildquelle: © UNCCD)

Ausgetrocknete Böden und die Ausweitung von Wüsten gefährden langfristig die Nahrungsmittelsicherheit. Hier sind Äcker zu sehen, die umgeben sind von trockenem Land im Dorf Kangirega, Landkreis Turkana. (Bildquelle: © UNCCD)

Der zweite Bericht der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung zeichnet ein düsteres Bild, macht aber zugleich auch Hoffnung.

Etwa 40 Prozent der globalen Böden sind vom Menschen zum Teil stark beeinträchtigt oder zerstört, etwa die Hälfte der Weltbevölkerung ist direkt von den Auswirkungen betroffen. Diese Aussagen stammen aus dem zweiten Bericht der UNCCD (UN Convention to Combat Desertification, Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung), der am 27. April 2022 veröffentlicht wurde. Dringendes Handeln ist wichtiger denn je, betrachtet man sich den fortschreitenden Klimawandel, die schnell steigenden Nahrungsmittelpreise und den sich beschleunigenden Verlust an Biodiversität.

Drei Szenarien

Im Kern des Berichtes geht es um die Bewahrung der globalen Böden, damit die steigende Weltbevölkerung auf Dauer mit genug Lebensmitteln versorgt werden kann. Für die Prognose des Zustandes von Böden und Biodiversität bis zum Jahr 2050 untersuchte der Bericht drei verschiedene Szenarien:

  • Die Fortsetzung der bisherigen Vorgehensweise (Basisszenario, „business as usual“),
  • die Renaturierung von 50 Millionen Quadratkilometer (etwa 35 Prozent der globalen Landfläche) und  
  • zusätzlich zu den Renaturierungsmaßnahmen die Einrichtung von Schutzgebieten, die für die Aufrechterhaltung von Ökosystem-Dienstleistungen wichtig sind.

„Business as usual“

#####1#####
Der Global Land Outlook 2 ist der bisher umfassendste Bericht zu diesem Thema. Er wurde kurz vor der COP15 der UNCCD in Afrika veröffentlicht.

Der Global Land Outlook 2 ist der bisher umfassendste Bericht zu diesem Thema. Er wurde kurz vor der COP15 der UNCCD in Afrika veröffentlicht.

Bildquelle: © UNCCD

Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden bis 2050 weitere etwa 16 Millionen Quadratkilometer Böden geschädigt oder zerstört („degradiert“) sein. Das entspricht der Fläche von Südamerika. Die Biomasseproduktion von Nutzpflanzen wird um zwölf bis 14 Prozent sinken. 69 Gigatonnen CO2 werden von 2015 bis 2050 aufgrund von Landnutzungsänderungen und Bodenerosion zusätzlich emittiert. Das entspricht 17 Prozent der aktuellen jährlichen globalen CO2-Emissionen.

Die Erträge werden deutlich langsamer steigen als bisher prognostiziert, da die Böden immer weniger Nährstoffe und Wasser speichern können. Durch den steigenden Bedarf an Lebensmitteln werden weitere drei Millionen Quadratkilometer in landwirtschaftliche Fläche umgewandelt, was zu einem weiteren Verlust von Naturstandorten führt.

Letztlich wird es zu Nahrungsmittelknappheit, verstärkter Abwanderung aus den betroffenen Gebieten sowie einem rasanten Biodiversitätsverlust und Artensterben kommen, begleitet von der Gefahr einer Zunahme von Zoonosen wie COVID-19 sowie zu vermehrten Konflikten um knappe Ressourcen.

Renaturierung

Werden 50 Millionen Quadratkilometer Fläche bis 2050 renaturiert, könnten in den Entwicklungsländern die Ernten um fünf bis zehn Prozent steigen – dank gesünderer Böden. In diesem Fall wäre auch der Preisanstieg bei Lebensmitteln gedämpft. Profitieren würden vor allem der Mittlere Osten, Nordafrika, Lateinamerika und Afrika südlich der Sahara. Dazu kommt eine um vier Prozent verbesserte Wasserhaltefähigkeit der Böden. Die Kohlenstoffspeicher in den Böden stiegen um bis zu 17 Gigatonnen bis 2050, da sich organische Substanzen im Boden anreichern und weniger Kohlendioxid aus degradierten Böden entwichen würde. Der Biodiversitätsverlust wäre nicht gestoppt, aber um ca. elf Prozent verlangsamt.

Renaturierung plus Schutz

Im dritten Szenario kämen zu den Renaturierungen Schutzmaßnahmen für weitere Flächen hinzu, die wichtig für den Wasserhaushalt und die Erhaltung von Böden und Kohlenstoffspeichern sind (weitere ca. vier Millionen Quadratkilometer). Damit würden insgesamt nahezu 50 Prozent der Landoberfläche renaturiert werden oder unter Schutz stehen – dreimal mehr als heute. Allerdings wäre dann die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen begrenzt und die Preise für Lebensmittel würden stärker steigen.

Gewinner wäre eindeutig die Biodiversität: Etwa ein Drittel der Verluste aus dem Basisszenario könnten verhindert werden. Und weitere 83 Gigatonnen CO2-Emissionen blieben unserer Atmosphäre erspart. Das wäre die Emissionsmenge von mehr als sieben Jahren nach heutigem Stand.

Viele Möglichkeiten

Sinnvolle Renaturierungsmaßnahmen enthalten zum Beispiel die Umstellung herkömmlicher Ackerflächen auf Agroforstwirtschaft (die Kombination von Waldbau mit Feldbau oder Viehhaltung), aber auch die Wiederherstellung von Grasländern und Feuchtgebieten als Biodiversitäts-Hot-Spots. Mit ihnen ließe sich auch der Wasserhaushalt stabilisieren. Schonende landwirtschaftliche Praktiken wie das Direktsaatverfahren sowie traditionelle Bewirtschaftungsmethoden können dazu beitragen, die Landwirtschaft allgemein nachhaltiger zu gestalten. Der Streifenanbau hilft beispielsweise bei der Erosionsverminderung, Pflanzprojekte wie die „Grüne Mauer“ in Afrika stoppen die Wüstenbildung.

#####2#####
Umfangreiche Maßnahmen sind nötig. Hier zu sehen: Die Renaturierung der Großen Grünen Mauer in Mauretanien.

Umfangreiche Maßnahmen sind nötig. Hier zu sehen: Die Renaturierung der Großen Grünen Mauer in Mauretanien.

Bildquelle: © UNCCD

Dazu kommen ökonomische Effekte durch solche Projekte, die gerade in Entwicklungsländern langfristig Jobs schaffen, ländliche Kommunen stärken und zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in der Region führen können.

Kosten und Nutzen

Dieser Einsatz lohnt sich: Der wirtschaftliche Gewinn von Renaturierungsmaßnahmen  (Wert der bewahrten Ökosystemleistungen und Vermeidung anderer Schäden durch den Klimawandel) belaufen sich auf 125 bis 140 Billionen US-Dollar pro Jahr. Zum Vergleich: Das globale Bruttoinlandprodukt 2021 lag bei 93 Billionen US-Dollar.

Mit Investitionen von 1,6 Billionen US-Dollar könnten bis 2030 eine Milliarde Hektar renaturiert werden, davon 250 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche. Das erscheint nicht zu teuer: Jährlich werden global etwa 700 Milliarden US-Dollar für Subventionen in fossile Brennstoffe oder industrielle Landwirtschaft gesteckt. Allgemein kostet es die Weltgemeinschaft voraussichtlich 44 Billionen US-Dollar pro Jahr (etwa die Hälfte des globalen Bruttoinlandproduktes), wenn die Schädigung von Ökosystem-Dienstleistungen und natürlichen Ressourcen ungebremst weitergeht.

Unter dem Strich wird klar, dass ein „Weiter so“ nicht mehr möglich ist. Entgegen der Annahme, dass Naturschutz zu teuer sei, ist es langfristig betrachtet genau umgekehrt: Nicht-Handeln können wir uns nicht mehr leisten, zum einen aus wirtschaftlicher Sicht und weil es mittlerweile um unser Überleben geht. Starten wir also jetzt!


Quelle:
United Nations Convention to Combat Desertification (2022): The Global Land Outlook, second edition. UNCCD, Bonn.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Ausgetrocknete Böden und die Ausweitung von Wüsten gefährden langfristig die Nahrungsmittelsicherheit. Hier sind Äcker zu sehen, die umgeben sind von trockenem Land im Dorf Kangirega, Landkreis Turkana. (Bildquelle: © UNCCD)