Weniger Vögel, weniger Wald

Das Vogelsterben in den Regenwäldern und seine gravierenden Auswirkungen

27.04.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Blutbürzelarassari (Aulacorhynchus haematopygus) aus der Familie der Tukane zählt im Regenwald zu den großen fruchtfressenden Vögeln. (Bildquelle: © Maximilian Vollstädt)

Der Blutbürzelarassari (Aulacorhynchus haematopygus) aus der Familie der Tukane zählt im Regenwald zu den großen fruchtfressenden Vögeln. (Bildquelle: © Maximilian Vollstädt)

Pro Tag verschwinden nach Angaben des Naturschutzbundes (NABU) 150 Arten weltweit. Welche schwerwiegenden Folgen der Artenverlust vor allem in Regenwäldern hat, haben Wissenschaftler des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums nun an Vogelpopulationen genauer untersucht. Das erschreckende Ergebnis: Schon der Verlust einiger großer Tierarten könnte dazu führen, dass die Leistung ökologischer Netzwerke im tropischen Regenwald deutlich abnimmt und somit das gesamte Ökosystem beeinträchtigt.

Die Liste der bedrohten Arten weltweit ist lang. Auch die Regenwälder bleiben, als eine der artenreichsten Regionen, vom globalen Artensterben nicht verschont. Der Mensch trägt mit Umweltverschmutzung, der Zerstückelung von Lebensräumen und Jagd auf gefährdete Tierarten maßgeblich zu dieser katastrophalen Entwicklung bei. Große und schwere Arten reagieren auf Veränderungen besonders sensibel: Ihre Bestände gehen schon seit Jahren kontinuierlich zurück. In einer Studie des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums untersuchte ein Team von Wissenschaftlern nun die Folgen des Artenverlusts großer Vogelarten für das Ökosystem Regenwald.

Vögel beeinflussen pflanzliche Artenvielfalt wesentlich

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Regenwald in den Anden – noch herrscht hier ein Nebeneinander von Pflanzen mit großen und kleinen Samen.

Regenwald in den Anden – noch herrscht hier ein Nebeneinander von Pflanzen mit großen und kleinen Samen.

Bildquelle: © Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum

Die Wissenschaftler erforschten die Auswirkungen des Aussterbens am Beispiel großer fruchtfressender Vögel in acht Gebieten der Anden. Die Basis für das Forschungsmodell lieferten im Vorfeld erhobene Daten über Interaktionen zwischen Vogel- und Pflanzenarten. Um die ökologische Leistung der Vögel zu quantifizieren, berechneten die Wissenschaftler den Radius, mit dem Vögel die Samen aus gefressenen Früchten theoretisch verteilen können. Denn eine Vielzahl an Pflanzen ist auf die Samenausbreitung durch Vögel angewiesen.

Aussterbende Arten haben wichtige Funktionen im Ökosystem 

Das Ergebnis der Studie ist alarmierend: Das Vogelsterben kann und wird, wenn es so weitergeht, dramatische Auswirkungen auf Ökosysteme wie den Regenwald haben. Die Leiterin der Studie, Dr. Isabel Donoso, erklärt: „Dass sich die Lebensgemeinschaften im wahrsten Sinne des Wortes ‘verkleinern‘, beeinträchtigt die Leistungen, die von ökologischen Netzwerken erbracht werden, dreimal stärker als deren Stabilität. Die zuerst aussterbenden Arten sind nämlich diejenigen, die einzigartige Funktionen ausfüllen und damit den Regenwald in seiner bisherigen Form am Laufen halten.“

Ihr Kollege, Dr. Matthias Schleunig, ergänzt: „Wenn die größten 10 Prozent der fruchtfressenden Vögel aussterben, schrumpft die Distanz, über die die Samen ausgebreitet werden können, um fast 40 Prozent. Im Gegensatz dazu verändert sich die strukturelle Stabilität eines ökologischen Netzwerks in weitaus geringerem Maße: Die Anzahl der Interaktionen zwischen Vögeln und Pflanzen ginge lediglich um etwa 10 Prozent zurück.“

Ökologische Folgen für den Regenwald sind erheblich

Was bedeuten die gewonnenen Erkenntnisse nun für den Regenwald? Die Folgen der geringeren Verteilung von Samen für die pflanzliche Artenvielfalt sind erheblich. Vermindert sich die Ausbreitung der Samen, wird auch der genetische Austausch zwischen unterschiedlichen Waldregionen beeinträchtigt. Dies macht den Regenwald gegenüber Umweltveränderungen anfälliger. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Samen der nah am Mutterbaum bleibt, geringere Chancen hat zu keimen. Dies betrifft vor allem Pflanzen mit großen Samen, die zu schwer sind, um mit dem Wind verbreitet zu werden.

Artenvielfalt ist Lebensgrundlage

Die Forscher prognostizieren, dass zukünftige Regenwälder anders zusammengesetzt sein werden und dadurch auch sehr viel weniger Kohlenstoff speichern können. Dieses Phänomen belegen bereits vorhandene Studien. Unser Klima profitiert enorm vom stabilen Ökosystem der Regenwälder. Somit bleibt die Frage, wie insbesondere große Tierarten besser geschützt werden können, um die negativen Konsequenzen rechtzeitig zu verhindern.


Quelle:
Donoso, I. et al. (2020): Downsizing of animal communities triggers stronger functional than structural decay in seed-dispersal networks. In: Nature Communications, 11, 1582, (27. März 2020), doi: 10.1038/s41467-020-15438-y.

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Titelbild: Der Blutbürzelarassari (Aulacorhynchus haematopygus) aus der Familie der Tukane zählt im Regenwald zu den großen fruchtfressenden Vögeln. (Bildquelle: © Maximilian Vollstädt)