Krieg durch Dürre?
Forscher haben aktuelle Zusammenhänge zwischen Dürreperioden und Kriegen untersucht
Kann der Klimawandel zum Krieg führen? Forscher stellen in einer neuen Studie eine Verbindung zwischen verstärkter Trockenheit durch den Klimawandel und den Unruhen in Syrien her, die letztlich zum Bürgerkrieg führten.
Bekanntermaßen können Klimaschwankungen und mit ihnen einhergehende Missernten ganze Kulturen zu Fall bringen. Vermutet wird dies unter anderem bei den Maya und auch im Mittelmeerraum scheinen Missernten durch ein „Klimapessimum“ vor gut 3.000 Jahren den Untergang von Kulturen beschleunigt zu haben. Die Frage ist, ob sich so etwas heutzutage wiederholen könnte, besonders im Zuge des Klimawandels. Forscher haben nun in einer neuen Studie den Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien und seine möglicherweise auch klimatisch bedingten Ursachen untersucht.
Kaum noch Wasser
Syrien bezieht einen Großteil seines Wassers aus den Regenfällen im Winterhalbjahr zwischen November und April. Die Höhe der Niederschläge unterliegt dabei einer großen natürlichen Schwankungsbreite. Trotzdem werden etwa zwei Drittel der landwirtschaftlichen Fläche durch Regen bewässert, als Reserve gibt es Brunnen sowie Oberflächengewässer. Durch den Klimawandel hat sich dieses eingespielte System offenbar verändert: Die Niederschläge nahmen seit 1931 um etwa 13 Prozent ab. Auch die Durchschnittstemperatur stieg im Sommerhalbjahr um 1,2 Grad an. Dadurch erhöhte sich in der regenarmen Zeit die Verdunstungsrate, die Pflanzen brauchten mehr Wasser. Weniger Regen im Winter und höhere Verdunstung im Sommer führten zu einer langfristigen Abnahme der Wasservorräte.
Häufige Trockenphasen
Für den „Fruchtbaren Halbmond“ wird vom Weltklimarat der Vereinten Nationen, dem IPCC, im aktuellen Bericht von 2014 eine Zunahme von trockenen Phasen im Zuge des Klimawandels prognostiziert. In Syrien scheint dieses Szenario jetzt schon einzutreten: Innerhalb der letzten 25 Jahre erlebte das Land drei von vier schweren Dürren der letzten 80 Jahre, mit immer kürzeren Abständen. So gab es in den 50ern, den 80ern und ab 1998 schwere Dürren. Kaum war die letzte Dürre abgeklungen, begann im Jahr 2006 die nächste und bisher schwerste, so dass das Land in insgesamt sieben von elf Jahren zu wenig Regen bekam. Auch wenn Dürren in der Region immer schon vorkamen, könnte das bedeuten, dass sich die Situation möglicherweise durch den Klimawandel verschärft.
Politische Misswirtschaft
Ungeachtet der negativen klimatischen Veränderungen begann die Regierung Syriens in den 90ern damit, die Landwirtschaft zu intensivieren, um Produkte für den Export herzustellen. Um an das dazu benötigte Wasser zu kommen, wurden größtenteils illegale Brunnen gebohrt. Dadurch wurden allein 60 Prozent der Grundwasservorräte zu Bewässerungszwecken an die Oberfläche geholt. In der Folge sanken die Grundwasserpegel so stark ab, dass viele Brunnen und auch natürliche Gewässer austrockneten. Reserven, um Trockenperioden zu überstehen, waren damit dramatisch zusammengeschrumpft und machten das Land noch anfälliger für Dürren.
Und dann kam die Dürre
Während der schweren Dürre, die vom Winter 2006/2007 bis ins Jahr 2010 hinein andauerte, verloren die Bauern einen Großteil ihrer Viehherden, die Preise für Getreide verdoppelten sich innerhalb eines Jahres. Durch die Trockenheit setzte eine große Landflucht ein: Bis zu 1,5 Millionen Menschen zogen in die Städte, da ihre Lebensgrundlage auf dem Land zerstört war. Dort trafen sie auf über eine Million irakischer Flüchtlinge. Im Jahr 2010 bestanden etwa 20 Prozent der städtischen Bevölkerung Syriens aus Flüchtlingen, die sich illegal an den Rändern der Städte ansiedelten. Diese Gebiete waren geprägt von Armut, Arbeitslosigkeit und Kriminalität und bildeten nach Meinung der Forscher den Kern der sich anbahnenden Unruhen.
Klimawandel als Auslöser?
Nach Meinung der Forscher hat der Klimawandel die natürlichen klimatischen Bedingungen dermaßen verändert, dass sie neben anderen Ursachen zu der schwersten Trockenperiode in Syrien seit Anfang des 20. Jahrhunderts geführt haben. Die dadurch ausgelöste Notlage der Bevölkerung, zusätzlich noch verschärft durch politisches Missmanagement, könnte die ohnehin schon instabile Lage noch zusätzlich destabilisiert haben. Die Dürre sei nicht allein verantwortlich für den Ausbruch des Bürgerkrieges, betonen die Forscher. Aber sie könnte mit eine Ursache dafür sein, dass es letztlich zum Krieg kam.
Die Ergebnisse der Studie sind durchaus umstritten, da die Datenlage als nicht besonders belastbar gilt. Auch gilt es als schwierig, Bezüge zwischen Klima und Konflikten herzustellen, da Konflikte multiple Ursachen haben. Zudem besteht die Gefahr, dass Regierungen ihre eigenen Verfehlungen mit dem Klimawandel entschuldigen könnten. Trotzdem sollte der Einfluss des Klimawandels nicht unterschätzt werden, da besonders für den Nahen Osten in Zukunft höhere Temperaturen und abnehmender Niederschlag prognostiziert werden. Gleichzeitig gilt diese Region durch ethnische und religiöse Auseinandersetzungen als ein politisches Dauerkrisengebiet. Konflikte um Wasser und Nahrung könnten durch die Klimaveränderungen zunehmen und die ohnehin instabile politische Lage in dieser Region noch mehr destabilisieren.
Quelle:
Kelley, C. P. et al. (2015): Climate change in the Fertile Crescent and implications of the recent Syrian drought. In: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), (online 2. März 2015), doi: 10.1073/pnas.1421533112.
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Titelbild: Die Dürreperiode von 2006 bis 2010 war in Syrien die schwerste seit Anfang des 20. Jahrhunderts. (Bildquelle: © iStock.com/audaxl)