Projekt LiMEDisc
Pflanzliches Krebsmedikament in Hefezellen herstellen
Zahlreiche medizinische Wirkstoffe stammen aus Pflanzen. So zum Beispiel das aus der Rinde des Chinesischen Glücksbaums gewonnene Camptothecin, dessen Derivate als Krebsmedikamente eingesetzt werden. Jetzt sollen auch Hefezellen in die Lage versetzt werden, diesen Stoff zu produzieren. Das würde die Ausbeute steigern und die Kosten senken.
Pflanzen sind eine Schatzkammer, wenn es um die Entdeckung neuer Wirkstoffe geht. Viele kennen das Beispiel des Aspirins, das ursprünglich aus der Rinde des Weidenbaums extrahiert wurde. Inzwischen wird Aspirin jedoch längst in einer chemischen Reaktion im Labor hergestellt. Einfach, günstig, schnell.
Ein weiterer Wirkstoff aus einer Baumrinde ist das Camptothecin, das ein Grundgerüst für Krebsmedikamente darstellt. Es wird aus der Rinde des Chinesischen Glücksbaums (Camptotheca acuminata) gewonnen. Das Problem dabei ist: Die Bäume wachsen langsam und produzieren nur wenig Camptothecin. Aufgrund der alternden Weltbevölkerung steigt jedoch die Nachfrage nach dem Medikament.
Da Camptothecin ein komplexes Molekül ist, lässt es sich nicht einfach im Reagenzglas herstellen. Doch lebende Organismen, wie beispielsweise Hefezellen, könnten diese Aufgabe übernehmen. Voraussetzung ist, dass sie mit allen dafür notwendigen Enzymen ausgestattet sind.
Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel
- Prof. Jakob Franke (Projektkoordinator), Institut für Botanik, Leibniz Universität Hannover
- Ass. Prof. Thu-Thuy Dang, The University of British Columbia, Canada
Bisher ist noch unklar, über welche Zwischenschritte Camptothecin in den Pflanzenzellen gebildet wird und welche Enzyme daran beteiligt sind. Das Forschungsprojekt LiMEDisc unter der Leitung von Professor Jakob Franke von der Leibniz Universität Hannover will genau das herausfinden: „Wir erhoffen uns, dass wir verstehen, wie in den Pflanzen Camptothecin gebildet wird.“ Denn das biologische Wissen ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man den Stoff biotechnologisch herstellen kann.
Das Vorgehen
„Solche pflanzlichen Stoffwechselwege aufzuklären, ist sehr herausfordernd“, erklärt der Biochemiker Franke. Aus chemischen Studien kennt man die grobe Abfolge des Synthesewegs bereits. Insgesamt sind es vermutlich 15 bis 20 Schritte, von denen aber etwa die Hälfte noch unbekannt ist.
Die Wissenschaftler:innen schauen zunächst auf die Gen-Expressionsmuster. Da Camptothecin ausschließlich in der Rinde gebildet wird, vergleichen sie, welche Gene dort stärker aktiv sind als in anderen Pflanzenorganen. „Wir versuchen, auf diese Weise zu korrelieren und vorherzusagen, welche Gene an der Camptothecin-Biosynthese beteiligt sein könnten“, beschreibt Franke das Vorgehen. In einem guten Fall kommen sie auf drei bis fünf neue Kandidatengene, es können aber auch zehn bis zwanzig sein. Frankes Kooperationspartnerin Thu-Thuy Dang in Kanada testet dann mit Hefezellen oder mit der Modellpflanze Nicotiana benthamiana, welches dieser Gene tatsächlich an der Camptothecin-Synthese beteiligt ist.
Ein wichtiges Zwischenziel haben sie bereits erreicht: Es ist ihnen gelungen, das Intermediat Strictosidinsäure in Hefezellen herzustellen. Dieses wichtige Zwischenprodukt der Camptothecin-Biosynthese ist noch nicht käuflich erhältlich. „Das können wir inzwischen sehr zuverlässig in Hefezellen produzieren und es auch mit Isotopen markieren“, sagt Franke. Isotope sind Atomarten desselben chemischen Elementes, die über mehr Neutronen verfügen und daher schwerer sind. Die Isotopenmarkierung ist hilfreich, um zu sehen, wie Strictosidinsäure in der Pflanze weiter verstoffwechselt wird.
Vereinfacht gesagt, geht man so vor: Man legt ein Pflanzenblatt in eine Lösung mit isotopenmarkierter Strictosidinsäure. Diese wird aufgenommen und von pflanzlichen Enzymen umgesetzt. Mit Hilfe von Massenspektrometrie lässt sich dann herausfinden, in welchen Stoffwechselprodukten die Isotopen jetzt vorkommen. „Der Vorteil dieser Isotopenmarkierung ist, dass wir den ganzen restlichen Stoffwechsel der Pflanze ausblenden können“, erklärt Franke. Nach und nach puzzelt das Team so den Camptothecin-Syntheseweg des Chinesischen Glücksbaums zusammen.
Ausblick
In Zukunft sollen Camptothecin-basierte Krebsmedikamente vollständig biotechnologisch erzeugt werden können. Das Projekt LiMEDisc schafft jetzt die Voraussetzungen, dass der vollständige Biosyntheseweg auf Hefezellen oder andere Produktionsorganismen übertragen werden kann.
Publikationen aus dem Projekt
Brooke D. Kwan, Benedikt Seligmann, Trinh-Don Nguyen, Jakob Franke, Thu-Thuy T. Dang, Leveraging synthetic biology and metabolic engineering to overcome obstacles in plant pathway elucidation, Current Opinion in Plant Biology, Volume 71, 2023, 102330, ISSN 1369-5266, https://doi.org/10.1016/j.pbi.2022.102330
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Titelbild: Jakob Franke und einer seiner Doktoranden begutachten im Gewächshaus die Heilpflanze Camptotheca acuminata. Der darin enthaltene Stoffwechselweg von Camptothecin soll mithilfe von Hefezellen aufgeschlüsselt werden. (Bildquelle: © Jakob Franke)