Regulierung neuer Züchtungstechniken in der EU

Eine Datenbank für genomeditierte Pflanzen

31.07.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

DNA-Doppelstrang: Mit der Genomeditierung können einzelne Basen des DNA-Stranges verändert oder deletiert werden. (Bildquelle: © Arek Socha/Pixabay)

DNA-Doppelstrang: Mit der Genomeditierung können einzelne Basen des DNA-Stranges verändert oder deletiert werden. (Bildquelle: © Arek Socha/Pixabay)

Erforschung und Entwicklung neuer Pflanzensorten in Europa hängen weit hinter anderen Ländern zurück. Grund dafür ist unter anderem die restriktive Haltung der Europäischen Union in Bezug auf Pflanzen, die mit neuen Züchtungsmethoden wie der Genomeditierung verändert worden sind. Bisher dürfen diese auf dem gesamten Kontinent praktisch nicht angebaut werden, da sie rechtlich als gentechnisch veränderte Organismen eingestuft werden. Wissenschaftler:innen der Universität Ghent in Belgien haben jetzt eine interaktive, öffentlich zugängliche Datenbank für genomeditierte Modell- und Nutzpflanzen entwickelt. Damit sollen sowohl die Zivilgesellschaft als auch politische Entscheidungsträger maximal transparent über den Stand der Forschung informiert werden. Die große Frage ist: Wird in der EU bald ein Umdenken bezüglich der Regulierung dieser Pflanzen stattfinden?

Was in anderen Ländern gang und gäbe ist, fehlt in der Europäischen Union. Die Rede ist von Äckern, auf denen Pflanzen wachsen, die dank modernster Züchtungsmethoden wie der Genomeditierung über eine oder mehrere neue Eigenschaften verfügen. Manche tolerieren Hitze und Trockenheit, andere können sich besonders gut gegen Krankheitserreger wehren, wieder andere produzieren auch bei geringem Nährstoffangebot sehr gute Erträge.

In Europa ist der Anbau dieser Pflanzen quasi verboten. Grundlage ist ein Gesetz aus dem Jahr 2001, als man noch relativ grob im Genom „herumfuhrwerkte“. Damals brachte man mittels Agrobakterien oder sogenannten Partikelkanonen neue Gene in die Pflanzenzellen ein. Wo genau diese sich dann in das Genom integrierten und ob sie dabei bereits vorhandene Gene kaputt machten – all das ließ sich damals nicht steuern.

Neue Techniken sind viel präziser als früher

Doch seit mehreren Jahren schon sind die Techniken präziser geworden. Dank der Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler inzwischen exakte Veränderungen im Genom vornehmen.

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Ursprünglich verbirgt sich hinter CRISPR/Cas9 ein Schutzmechanismus prokaryotischer Zellen, der dazu dient, Nukleinsäuren eines Eindringlings zu zerstören.

Ursprünglich verbirgt sich hinter CRISPR/Cas9 ein Schutzmechanismus prokaryotischer Zellen, der dazu dient, Nukleinsäuren eines Eindringlings zu zerstören.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Trotzdem urteilte der Europäische Gerichtshof im Jahr 2018, dass auch alle Pflanzen, die mit sogenannten „Neuen genomischen Techniken“ (NGTs) modifiziert worden sind, unter das Gentechnik-Gesetz aus dem Jahr 2001 fallen. Sie dürfen hierzulande ohne ein teures und langwieriges Genehmigungsverfahren weder angebaut noch als Nahrungsmittel importiert werden. Zudem haben viele europäische Staaten ein Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen verhängt. Auch Deutschland.

Altes EU-Gesetz unbrauchbar für moderne Methoden

Im April 2021 stellte dann auch die EU-Kommission in einer Studie fest, dass die aktuelle Gesetzeslage in Bezug auf NGTs nicht länger geeignet ist. Das größte Problem dürfte auch ein, dass sich die mittels CRISPR/Cas oder auch TALEN hergestellten Pflanzen nicht einfach nachweisen lassen.

Denn wenn nicht gerade ein artfremdes Gen eingefügt wird, kann man den Pflanzen nicht ansehen bzw. im Labor nachweisen, ob sie mittels neuer Züchtungsmethoden oder auf natürlichem Wege entstanden sind. Es gibt meist keine verräterischen Gensequenzen, sondern nur eine oder mehrere fehlende oder veränderte Basen – die auch durch natürliche Mutationen entstehen können.  In anderen Ländern, wie Argentinien, Japan, USA oder Australien, dürfen NGTs daher auch ohne besondere Zulassungsprozesse auf den Markt gebracht werden.

Öffentliche Datenbank für genomeditierte Pflanzen

„Es ist inzwischen klar, dass die Gesetzgebung in der EU veraltet ist und an den derzeitigen Stand der Forschung angepasst werden muss, weil derzeit Innovationen im Bereich der Landwirtschaft blockiert werden“, schreiben Oana Dima, Yana Heyvaert und Dirk Inzé von der Universität Ghent in einem Beitrag im Journal Trends in Plant Science.

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Sie haben eine interaktive, öffentlich zugängliche Datenbank für genomeditierte Modell- und Nutzpflanzen entwickelt. „Das Ziel der Datenbank ist es, die interessierten Stakeholder, inklusive der Zivilgesellschaft, transparent über die [...] Anwendungen der Genomeditierung in Pflanzen zu informieren“, schreiben die Autoren.

Mehr als 500 Anwendungen in 63 verschiedenen Pflanzen

Die Datenbank umfasst den Zeitraum zwischen Januar 1996 und März 2022. Die Autoren fanden mehr als 500 Anwendungen von Genomeditierung in 63 verschiedenen Pflanzen. Die häufigsten Pflanzen, in absteigender Reihenfolge, waren Reis (Oryza sativa), Tomate (Solanum lycopersicum), Mais (Zea mays), Soyabohne (Glycine max) und Weizen (Triticum aestivum). Die Liste der Länder mit den meisten genomveränderten Pflanzen wird angeführt von China, dahinter folgen die USA, Europa, Japan und Großbritannien. Fast 90 Prozent der Pflanzen in der Datenbank wurden mit Hilfe von CRISPR/Cas gentechnisch verändert.

Der Großteil der veränderten Eigenschaften lässt sich einer von vier Gruppen zuordnen:

  1. Verbesserte Qualität der Pflanzen für die Futter- und Nahrungsmittelproduktion
  2. Verbesserte landwirtschaftliche Eigenschaften in Bezug auf Ertrag und Wachstum, um die Produktivität zu steigern und Vorernteverluste zu vermeiden
  3.  Verbesserte Resistenz gegenüber Krankheiten, damit weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen
  4.  Pflanzen, die für industrielle Anwendungen verändert worden sind, wie beispielsweise die Produktion von Biokraftstoffen

Forschung und Entwicklung in Europa fallen zurück

Die zahlreichen Anwendungsbeispiele zeigen, dass genomeditierte Pflanzen dazu beitragen können, den “EU Green Deal” sowie die “Farm to Fork”-Strategie umzusetzen. Doch zurzeit hinken Forschung und Entwicklung solcher Pflanzen in Europa hinterher – denn solange sie als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) gelten, sind ihr Anbau und Konsum politisch und gesellschaftlich eher unerwünscht.

Ein modernes Gesetz, dass den neuen Züchtungsmethoden Rechnung trägt, könnte dies verhindern und dazu beitragen, dass in Europa wieder mehr Innovationen im Bereich der Landwirtschaft entstehen. Universitäten, Forschungsinstituten und Züchtungsbetrieben hätten jedenfalls das Wissen, das Geld und die Köpfe dafür.


Quelle:
Dima, O.,  Heyvaert, Y. & Inzé, D. (2022): Interactive database of genome editing applications in crops and future policy making in the European Union. In: Trends in Plant Science 27 (8), (1. August 2022), doi: 10.1016/j.tplants.2022.05.002

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Titelbild: DNA-Doppelstrang: Mit der Genomeditierung können einzelne Basen des DNA-Stranges verändert oder deletiert werden. (Bildquelle: © Arek Socha/Pixabay)