Genome Editing in der Pflanzenzüchtung
Biowissenschaftler:innen fordern differenzierte Regulierung neuer Züchtungstechniken
In einem offenen Brief hat sich der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e. V.) an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gewandt und für eine wissenschaftsbasierte und differenzierte Regulierung der neuen genomischen Techniken plädiert. Eine pauschale Klassifizierung genomeditierter Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) lehnen die Autor:innen ab.
Wie sollen neue genomische Techniken und genomeditierte Pflanzen reguliert werden? Diese Frage bewegt nicht nur Pflanzenzüchter:innen und Politiker:innen. Aktuell können sich Bürger:innen und Interessengruppen an einer öffentlichen Konsultation der Europäischen Kommission zu dieser Frage beteiligen. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e. V.) in einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir für eine differenzierte Regulierung ein.
Erhebliches Potenzial der neuen Züchtungstechniken berücksichtigen
Der Verband betont den „potenziellen Beitrag zur langfristigen Produktivitäts- und damit auch der Ernährungssicherung“ neuer genomischer Züchtungstechniken wie CRISPR/Cas oder TALEN. Denn um die Ziele des Europäischen Green Deal für eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Landwirtschaft zu erreichen, benötige man Nutzpflanzen, die „resistent gegenüber Klimawandel-bedingten Umweltänderungen sind, effizient Nährstoffe aufnehmen und hohe Erträge erbringen“.
Differenzierte, wissenschaftsbasierte Regulierung notwendig
Aktuell fallen genomeditierte Pflanzen unter das EU-Gentechnikrecht. Aus Sicht des Verbandes entspräche das faktisch einem Anwendungsverbot der neuen Techniken. Das sei nicht nachvollziehbar. „Pflanzen, die einfache, gezielt mit Genscheren erzeugte Veränderungen enthalten und in die keine fremden Gene eingefügt wurden, sind von Pflanzen aus konventioneller Züchtung nicht zu unterscheiden. Es gibt aus unserer Sicht keine wissenschaftlichen Gründe, sie unterschiedlich zu regulieren“, so die Autor:innen.
Die sorgfältige Prüfung neuer Pflanzen auf ihre Umweltauswirkungen sowie ihre Unbedenklichkeit für den menschlichen oder tierischen Verzehr müsse aufgrund ihrer Eigenschaften erfolgen, nicht aufgrund der genutzten Züchtungsmethode. Daher lehnt der Verband die pauschale Einstufung von genomeditierten Produkten als GVO ab. Deren Regulierung müsse vielmehr „wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen und differenzierte Betrachtungsweisen der Genome Editing-Verfahren mit einbeziehen“. Bereits kleine Änderungen am EU-Gentechnikrecht könnten zu einer Harmonisierung mit der Gesetzeslage anderer Länder führen.
Darüber hinaus kritisieren die Verfasser:innen des Briefes die Emotionalisierung der Debatte, in der „Fakten nicht gleichberechtigt anerkannt werden“ und bieten sich mit ihrer Expertise als Gesprächspartner für die Politik an.
Quelle:
Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e. V.) (2022): Offener Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir – Genome Editing in der Pflanzenzüchtung: Auf die Eigenschaften kommt es an! (Abgerufen am: 29.06.2022)
Zum Weiterlesen:
- Was ist Genom-Editierung?
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Titelbild: Mit neuen genomischen Techniken wie der Genschere CRISPR/Cas können gezielte Veränderungen des Genoms erzeugt werden. (Bildquelle: © PublicDomainPictures / Pixabay)