Traditionelle und moderne Technik kombiniert
Pfropfung vereinfacht die Anwendung von CRISPR/Cas
Die Genschere CRISPR/Cas wird von genetisch veränderten Wurzelstöcken in die Blüten einer aufgepfropften Pflanze geschickt. So entstehen Samen mit den gewünschten Eigenschaften, aber ohne die Fremd-DNA der Genschere.
Um dem Klimawandel entgegenzutreten und Ernährungssicherheit langfristig zu gewährleisten, benötigt die Landwirtschaft optimierte Pflanzensorten. Allerdings dauert es mit herkömmlichen Methoden teilweise sehr lange, bis Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften wie Trockenheitstoleranz oder Schädlingsresistenzen auf den Markt kommen. Da die Zeit drängt, bieten sich schnellere Methoden wie das Genom-Editing an. Aber auch hier gibt es noch Hürden, wie etwa die Entfernung der Fremd-DNA nach Anwendung der Genschere CRISPR/Cas. Dazu sind z.B. zeitaufwändige Rückkreuzungen erforderlich.
„Schnipp ohne Schnapp“
Es geht auch ohne solche Rückkreuzungen, wie Forscher:innen des Max-Planck-Institutes für molekulare Pflanzenphysiologie nun gezeigt haben. Dafür nutzten sie die Methode des Pfropfens, eine 2000 Jahre alte Technik zur Veredelung von Pflanzen. Beim Pfropfen wird der frisch geschnittene Trieb einer Pflanze, der sogenannte Edelreis, mit einer „Unterlage“ (der Wurzelstock einer anderen Pflanze) zusammengefügt. Die Pflanzenteile verwachsen miteinander und bilden eine Einheit. Das Pfropfen wird vor allem bei Obstgehölzen und Rosen angewendet, um beispielsweise unterschiedliche gewünschte Eigenschaften von Wurzel und Spross zu kombinieren.
Die Forscher:innen nutzten für ihre Versuche eine gentechnisch veränderte Unterlage der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana). Sie enthielt eine Fusionssequenz von Cas9- und Leit-RNA-Transkripten mit tRNA-ähnlichen Sequenzmotiven, die RNAs von transgenen Wurzelstöcken auf die aufgepropften Sprossen übertragen kann. So gelangte die Genschere in die Blüte und führte bei den Samen zu den gewünschten Genveränderungen – und die Samen blieben dabei frei von Fremd-DNA.
Artübergreifende Anwendbarkeit
In weiteren Versuchen konnten die Forscher:innen zeigen, dass diese Methode auch funktioniert, wenn der Pfropf zu einer anderen Pflanzenart gehört. Dazu propften sie einen Trieb des Rübsens (Brassica rapa) auf die modifizierte Acker-Schmalwand-Unterlage mit der Fusionssequenz. Auch hier konnten sie anschließend Fremd-DNA-freie Rübsen-Samen mit den gewünschten Genveränderungen nachweisen.
Das eröffnet neue Möglichkeiten, so die Forscher:innen: Die einfache, schnelle und preiswerte Pfropfungsmethode könnte in vielen Fällen genutzt werden, um mit der Genschere Fremd-DNA-freie Samen mit einer gewünschten Genmodifikation zu erzeugen.
Anwendung durch EU-Recht blockiert
„Neue molekulare Züchtungstechniken erlauben eine bisher nie dagewesene Präzision und Effizienz in der Verbesserung von Nutzpflanzen“, so Professorin Dr. Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft – und dieses Potenzial sollte vor dem Hintergrund der aktuellen Klima-, Biodiversitäts- und Nahrungsmittelkrise ausgeschöpft werden. Ein Problem ist allerdings noch die praktische Anwendbarkeit in der EU. Obwohl sich die Produkte der Genom-Editierung – wenn sie keine Fremd-DNA mehr enthalten - in der Regel nicht von herkömmlichen Züchtungsprodukten unterschieden, so die Präsidentin, sind sie nach dem EU-Gentechnikrecht streng reguliert, vergleichbar mit klassischen gentechnisch veränderten Organismen (GVOs). In vielen außereuropäischen Ländern sind genom-editierte Pflanzen ohne Fremd-DNA bereits von einer strengen Regulierung ausgenommen.
Daher plädieren Wissenschaftler:innen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Deutschen Forschungsgemeinschaft dafür, bei einer Neuauflage des europäischen Gentechnikrechts die Sicherheitsbewertung genom-editierter Pflanzen nicht wie bisher von der verwendeten Methode abhängig zu machen, sondern nur von den neuen Eigenschaften einer Pflanzen. Auf diese Weise ließe sich eine Markzulassung genom-editierter Pflanzen stark beschleunigen.
Quellen:
- Yang, L. et al (2022): Heritable transgene-free genome editing in plants by grafting of wild-type shoots to transgenic donor rootstocks. In: Nature Biotechnology, 02. Januar 2023. dx.doi.org/10.1038/s41587-022-01585-8
- Für eine zeitgemäße Regulierung der Produkte neuer Züchtungstechniken als Beitrag zur Bewältigung multipler Krisen des 21. Jahrhunderts, Januar 2023: Positionierung der Ständigen Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Genome Editing in der Pflanzenzüchtung - Biowissenschaftler:innen fordern differenzierte Regulierung neuer Züchtungstechniken
- Armtausch zwischen Chromosomen - Mit Hilfe von CRISPR/Cas lassen sich Genome neu strukturieren
Titelbild: Das Genom eines Samen lässt sich nun auch über eine Genschere verändern, die in den Zellen eines Wurzelstockes eingebracht wurde. (Bildquelle: © BlackJack3D / istock)