Züchtungsarbeiten am Weizen

04.08.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reifer Weizen auf dem Feld. (Quelle: © H.-J. Sydow / wikimedia.org; gemeinfrei)

Reifer Weizen auf dem Feld. (Quelle: © H.-J. Sydow / wikimedia.org; gemeinfrei)

Als Rohstoff in Broten, Kuchen oder Nudeln: Weizen liefert die Grundlage für einen erheblichen Teil unserer Ernährung - und das bereits seit Jahrtausenden. Heute ist Weizen das wichtigste Brotgetreide. Und auch als Forschungsobjekt bietet die Weltnahrungspflanze viele interessante Ansatzpunkte. Alle heute angebauten Weizenarten sind Kulturarten und somit durch Züchtung entstanden.

Polyploidie beim Weizen

Kreuzt man Pflanzen verschiedener Arten, kann es zu einer Verdopplung der Chromosomensätze kommen (Allopolyploidie). D. h. die entstandene Tochtergeneration hat den kompletten, diploiden Chromosomensatz beider Eltern, also insgesamt vier Sätze (tetraploid, AABB). Sind die Arten eng miteinander verwandt, ist die Tochtergeneration in der Regel steril, weil sich die Chromosomensätze in der Meiose untereinander nicht oder nur unvollständig paaren können. Bei verwandschaftlich weiter auseinander liegenden Arten ist die Tochtergeneration hingegen fertil, die entstandenen Individuen verhalten sich bei Züchtungen wie diploide Pflanzen.

Beim Weizen gibt es allotetraploide Arten (vierfacher Chromosomensatz, z. B. bei Dinkel, Hartweizen, AABB). Durch eine weitere zufällige Additions-Kreuzung des Emmers (AABB) mit dem diploiden Gänsefußgras (Aegilops squarrosa, Genom DD) entstanden allohexaploide Formen wie Dinkel (Triticum spelta) und durch Züchtung daraus der Saat- oder Brotweizen (Triticum aestivum). Hexaploid bedeutet, dass diese Pflanzen einen sechsfachen Chromosomensatz (2n = 6x = 42) besitzen. Die Buchstaben A, B und D stehen dabei für die drei verschiedenen Genome, die sich innerhalb der DNA befinden und miteinander agieren.

Beim heutigen Weizen unterscheidet man zwischen Saat- oder Weichweizen (Triticum aestivum) und Hartweizen (Triticum durum).

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Weizen - vielseitige Nahrungspflanze.

Weizen - vielseitige Nahrungspflanze.

Bildquelle: © berlin-pics / pixelio.de

Weichweizen wird hauptsächlich für das Brotbacken genutzt, darüber hinaus auch zum Bierbrauen. Er hat seinen Namen von den anfangs noch behaarten (weichen) Blattspreiten. Die Ähre des Weichweizens kann bis zu 18 cm lang werden, der Halm ist hohl, die Ährchen sind kahl. Eine Besonderheit der meisten Weizenarten ist ihre Polyploidie, d. h. die haben einen vier- bis sechsfachen Chromosomensatz. Weichweizen ist hexaploid, mit der Chromosomenzahl 2n = 42. Im Jahr 2009 waren in Deutschland 111 Winter-Weichweizensorten und 23 Sommer-Weichweizensorten zugelassen.

Hartweizen ist nach Weichweizen die zweitwichtigste Weizenart. Da er sehr wärmeliebend ist und gut mit Trockenheit umgehen kann (er benötigt etwa 500 mm Niederschlag pro Jahr), wird er hauptsächlich im Mittelmeerraum und in Vorderasien angebaut. Aufgrund seines hohen Kleberanteils wird er hauptsächlich für Teigwaren (Nudeln, etc) verwendet. Unterschied zum Weichweizen: Der Stängel ist im oberen Teil gefüllt, die Ähre ist meist deutlich kürzer, an den Ansätzen der Ährchen befinden sich Haarbüschel. Hartweizen ist tetraploid (AABB).

Emmer oder Zweikorn (Triticum diccoccum) ist eine der ältesten Weizenarten. Hier gibt es eine bekannte Wildform, den wilden Emmer (Triticum dicoccoides), der hauptsächlich im vorderen Orient bis zum Iran vorkommt. Emmer ist ein tetraploides Getreide, welches eine zweizeilige, begrannte Ähre besitzt. Er ist eines der ältesten Getreide der Welt. Er wird aber heute kaum noch angebaut, da sein Korn sich nicht zum Brotbacken eignet (geringer Kleberanteil). Emmer wird für Eintöpfe oder zum Bierbrauen verwendet oder als Zugabe zu Vollkornbrot.

Einkorn (Triticum monococcum) ist ein diploides Getreide und wie der Emmer eins der ältesten Getreide der Welt. Es hat einzeilige, begrannte Ährchen (Name). Die Wildform des Einkorns heißt wilder Weizen (Triticum boeoticum) und stammt ebenfalls vermutlich aus dem Vorderen Orient. Einkorn war vor allem in der Jungsteinzeit von großer Bedeutung (die Gletschermumie ’Ötzi’ hatte Einkorn im Gepäck). Es ist robust und anspruchslos, wird aber heute kaum noch angebaut. Aufgrund des hohen Beta-Carotin-Gehaltes ist Einkorn-Mehl gelblich, aus Einkorn wird in der Regel Bier hergestellt.

Kamut oder Khorasan-Weizen (Triticum turgidum) bezeichnet eine Weizensorte, die vermutlich aus Ägypten stammt und auf die Vorfahren Hartweizen (Triticum durum) und eine Weizen-Wildform (Triticum polonicum) zurückgeht. Die Sorte trägt außerdem die Bezeichnung Q-77. Der Verkaufsname ’Kamut’ (koptisch für ’Seele’) ist eine eingetragene Marke. Kamut hat etwa doppelt so große Körner wie Weichweizen und wird fast nur aus kontrolliertem biologischem Anbau in Reformhäusern verkauft.

Dinkel (Triticum spelta) ist eine weitere Weizenart, die eng mit dem Weichweizen verwandt ist. Wie der Weichweizen hat auch er keine Grannen und ist hexaploid. Auch von ihm kennt man keine Wildformen, so dass allgemein angenommen wird, dass er aus Hartweizen und Emmer oder Einkorn gezüchtet wurde. Dinkel ist robuster und weniger anfällig für Krankheiten als Weichweizen, hat aber nur eine untergeordnete Bedeutung. Er wird in letzter Zeit wieder vermehrt angebaut, unter anderem als Alternative für Menschen, die unter Weizenallergie leiden und daher kein Weizenmehl essen können.

Dinkelkorn ist im Gegensatz zu Weizen wesentlich fester mit der Deckspelze verbunden, so dass bei der Verarbeitung ein zusätzlicher Arbeitsschritt zur Entspelzung nötig wird. Dinkel ist als Teig sehr weich, wird aber als Gebäck schnell hart und rissig, so dass er im Gegensatz zu Weizengebäck nicht so lange lagerfähig ist. Eine Variante des Dinkel ist der Grünkern, unreif geernteter Dinkel, der als Grünkernbrei oder Bratling verarbeitet wird. Dazu wird er zunächst getrocknet (gedarrt, traditionell über Buchenrauch), um ihn haltbar zu machen, und anschließend entspelzt (im sogenannten Gerbgang, hier wurde das Korn mit gröberen Mahlsteinen vorgemahlen).

Dinkel wird heute als ganzes Korn auch in der Tierfütterung eingesetzt, wegen des hohen Rauhfasergehaltes vor allem in der Pferdefütterung.

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Weizenkörner und Ähren von Weizen, Roggen und Triticale.

Weizenkörner und Ähren von Weizen, Roggen und Triticale.

Bildquelle: © iStockphoto.com/Elena Elisseeva

Triticale und Secalotriticum

Triticale ist eine moderne Kreuzung aus weiblichem Weizen (Triticum aestivum) und männlichem Roggen (Secale cereale). Ziel war, die Anspruchslosigkeit des Roggens an Boden und Klima mit den guten Backeigenschaften und den hohen Erträgen des Weizens zu vereinen. Triticale wird in den klimatisch ungünstigeren Regionen Deutschlands angebaut. Er ist sehr kälteresistent und nur wenig anfällig gegen Krankheiten und Pilzbefall.

Sein jährlicher Ertrag liegt bei etwa 2 Mio. Tonnen und liegt damit auf Platz vier der am häufigsten angebauten Getreide in Deutschland. Er wird als Futtergetreide, zum Bierbrauen und in der Mischung mit anderen Getreiden zum Brotbacken genutzt, in jüngster Zeit auch als Rohstoff zur Bioethanol-Herstellung. Bei Triticale gibt es ebenso wie bei Weichweizen Sommer- und Wintersaaten. 2009 waren in Deutschland 27 Sorten Wintertriticale zugelassen.

Secalotriticum ist eine Zuchtform, bei der männlicher Weizen mit weiblichem Roggen gekreuzt wurde. Sie ist aber als Getreide zur menschlichen Ernährung bisher nicht zu verwenden.

Triticale und Colchicin

Um fruchtbaren Triticale zu bekommen müssen zunächst die Keimlinge der sterilen ersten Tochtergeneration behandelt werden, um so den Chromosomensatz künstlich zu verdoppeln. Kreuzungen aus dieser Generation ergeben dann fertilen Triticale. Während bereits im 19. Jahrhundert vereinzelt fertiler Triticale gefunden wurde, war die großangelegte Züchtung erst mit der Entdeckung des Colchicins ab 1930 möglich. Colchicin ist ein Alkaloid aus der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale), das Einfluss auf die Zellteilung nimmt, indem es in der Mitose die Ausbildung des Spindelapparates verhindert. Die Zelle teilt sich anschließend ganz normal, aber die Aufteilung der einzelnen Chromosomen auf die beiden entstehenden Zellen unterbleibt. In der Folge entsteht eine Zelle ohne Zellkern, die zugrunde geht, und eine Zelle, die nach der Interphase einen polyploiden Chromosomensatz aufweist.


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Titelbild: Reifer Weizen auf dem Feld. (Quelle: © H.-J. Sydow / wikimedia.org; gemeinfrei)