Alles Mais, oder?

Das Genom europäischer Maislinien unterscheidet sich deutlich vom nordamerikanischen Mais

17.08.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mais ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Ursprünglich wurde er auf dem amerikanischen Kontinent domestiziert, heute wächst er überall. (Bildquelle: © Rajesh Balouria/Pixabay/CC0)

Mais ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Ursprünglich wurde er auf dem amerikanischen Kontinent domestiziert, heute wächst er überall. (Bildquelle: © Rajesh Balouria/Pixabay/CC0)

Mais wächst auf fast jedem Kontinent. Die unterschiedlichen Sorten sind dabei an ihren jeweiligen Lebensraum angepasst. Trotzdem diente bisher nur das Genom der amerikanischen Mais-Linie B73, sogenannter Dent-Mais, als Referenz für Forschung und Züchtung. Jetzt hat ein Team von Wissenschaftlern das Genom von vier europäischen Maislinien, sogenannter Flint-Mais, sequenziert. Das kann eine gezieltere Züchtung neuer Sorten für den Anbau in Europa beflügeln.

Mais ist eine der wichtigsten und ältesten Kulturpflanzen der Welt. Bereits vor über 10 000 Jahren begannen die Bewohner des heutigen Mexikos damit, die Pflanze zu domestizieren. Heute ist Mais in Nord- und Südamerika ein Grundnahrungsmittel und auch in vielen anderen Ländern fester Bestandteil der Küche. Auch als Viehfutter und in Bio-Treibstoff kommt das Getreide zum Einsatz. Züchter arbeiten ständig daran, den Ertrag der Pflanze noch weiter zu verbessern. Dafür erhalten sie jetzt eine wichtige neue Ressource an die Hand.

Ein Team von Wissenschaftlern hat die Genome von vier europäischen Flint-Maislinien sequenziert. Die Ergebnisse sollen helfen, noch ertragreichere und widerstandsfähigere Pflanzen zu züchten. „Mit unseren frei verfügbaren Daten sind jetzt gezieltere Züchtungen speziell für europäische Sorten möglich“, sagt Klaus Mayer vom Helmholtz Zentrum München, der zudem Honorarprofessor der TUM School of Life Sciences der Technischen Universität München ist und die Versuche geleitet hat.

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Mais ist Nord- und Südamerika ein Grundnahrungsmittel und auch in vielen anderen Ländern fester Bestandteil der Küche.

Mais ist Nord- und Südamerika ein Grundnahrungsmittel und auch in vielen anderen Ländern fester Bestandteil der Küche.

Bildquelle: © Jana V. M. / Pixabay / CC0

Heterosis verstehen, Erträge steigern

Drei davon sind wichtige Ursprungslinien von europäischen Zuchtprogrammen – ihr Erbgut findet sich also in besonders vielen agronomisch wichtigen Sorten. Sie heißen Lacaune F7 (Südfrankreich), Lizargarate (EP1, Nordspanien) und Gelber Badischer Landmais (DK105, Süddeutschland). Die vierte Linie namens PE0075 ist eine doppelt-haploide Linie, die aus einer Landrasse aus Norddeutschland entstanden ist.

Bisher waren lediglich die Genome von nordamerikanischen Dent-Maislinien analysiert worden. Die europäischen Sorten basieren jedoch auf Kreuzungen zwischen Dent-Mais- und Flint-Maislinien und verdanken ihre hohen Erträge dem Heterosis-Effekt. Von Heterosis spricht man, wenn die Nachkommen aus Kreuzungen deutlich größer sind und höhere Erträge abwerfen als die Eltern. Der Effekt wird schon lange in der Züchtung genutzt, aber die genetischen und molekularen Grundlagen sind noch nicht besonders gut verstanden. Stattdessen wird häufig einfach ausprobiert, welche Kombination von Elternpflanzen zum Erfolg führt.

Auch Epigenetik spielt bei Heterosis eine Rolle

„Die An- und Abwesenheit einzelner Gene erklärt Heterosis nur in Teilen“, sagt Klaus Mayer. Stattdessen scheinen auch epigenetische Veränderungen eine Rolle zu spielen. Von Epigenetik spricht man, wenn Gene, größere Abschnitte auf den Chromosomen oder sogar ganze Chromosomen in ihrer Aktivität verändert werden, also quasi an- oder abgeschaltet.

Das ist auch in sogenannten knob-Regionen der Fall, die im Maisgenom häufig vorkommen. Knobs sind sehr dynamische Elemente im Erbgut, die ihren Ort sowie die Größe und Ausrichtung ändern können. Weil knob-Regionen stark kondensiert sind, können sie nur schlecht abgelesen werden. Selbst die nahe Umgebung von knob-Regionen enthält daher oft gar keine Gene.

„Im nächsten Schritt werden wir unsere Annahme, dass ein Zusammenhang zwischen den Unterschieden im Gengehalt, den Knob-Regionen und der Heterosis im Mais besteht, genauer untersuchen. Dazu werden wir nicht nur das Erbgut der Maislinien betrachten, sondern die Augen auch für mögliche epigenetische Prozesse, die die Funktionalität der Gene beeinflussen, offenhalten“, ergänzt Klaus Mayer.

Pangenomik auch bei anderen Pflanzen wichtig

Doch nicht nur beim Mais ist es wichtig, mehr als ein Referenzgenom zu haben.

Die Sequenzierung mehrerer unterschiedlicher Genome einer Pflanze gewinnt zunehmend an Bedeutung. Denn sie ermöglicht die Erstellung sogenannter Pangenome – also die Gesamtheit aller Gene einer Art.

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Mais Metaphase-Chromosomen. Zytogenetische Methoden ermöglichten es, Unterschiede zwischen den Maislinien durch das Mikroskop zu erkennen.

Mais Metaphase-Chromosomen. Zytogenetische Methoden ermöglichten es, Unterschiede zwischen den Maislinien durch das Mikroskop zu erkennen.

Bildquelle: © A. Ruban, A. Houben / IPK

Ein Pangenom besteht aus sogenannten Kern-Genen, die für alle Pflanzen der Art wichtig sind, und entbehrlichen Genen, die nicht lebensnotwendig sind, aber trotzdem einen deutlichen Selektionsvorteil bieten können. Ein aktuelles Review von David Edwards von der University of Western Australia in Perth beschäftigt sich mit diesem Thema.

Das erste veröffentlichte Pangenom war das Arabidopsis 1 000 Genom-Projekt. Inzwischen liegen auch von Sojabohne, Reis, Raps, Brotweizen, Tomate und anderen Pflanzen liegen bereits erste Pangenome vor. Bisher lassen sich vor allem zwei Erkenntnisse ableiten:

1.       Es gibt eine große Variabilität im Gengehalt und

2.       Variable Gene haben häufig mit biotischer oder abiotischer Stresstoleranz oder mit der Anpassung an Umweltbedingungen zu tun.

Agronomisch wichtige Gene aufspüren

Pangenom-Studien können auch dabei helfen, neue agronomisch wichtige Gene aufzuspüren. Bei der Tomate ist dies bereits gelungen. Bei der Analyse von 725 unterschiedlichen Linien fand man 4 873 neue Gene. Viele davon zeigten einen Zusammenhang mit Krankheitsresistenz. Eines war für einen aromatischeren Geschmack verantwortlich, der bei vielen Kultursorten verloren gegangen war, aber dank der Erkenntnisse wieder eingekreuzt werden konnte.

Bisher haben sich Studien zum Pangenom auf die kodierenden Bereiche des Genoms fokussiert. Spannend wäre es jedoch auch, die nichtkodierenden Regionen stärker in den Blick zu nehmen, weil sie oft regulatorische Funktionen ausüben, schreiben die Autoren um Edwards. In der Zukunft sind auch Pangenome möglich, die über die Art-Ebene hinausgehen. Damit ließen sich zum Beispiel Fragen beantworten wie: Welche Gene braucht man zwingend für Hülsenfrüchtler? Und schließlich die Frage aller Fragen: Welche Gene braucht eine Pflanze überhaupt?


Quellen:

  • Haberer, G. et al. (2020): European maize genomes highlight intraspecies variation in repeat and gene content. In: Nature Genetics, (27. Juli 2020), doi: 10.1038/s41588-020-0671-9.
  • Bayer, P.E. et al. (2020): Plant pan-genomes are the new reference. In: Nature Plants, (20. Juli 2020), doi: 10.1038/s41477-020-0733-0.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Mais ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Ursprünglich wurde er auf dem amerikanischen Kontinent domestiziert, heute wächst er überall. (Bildquelle: © Rajesh Balouria/Pixabay/CC0)