Gelüftet: Das Geheimnis der Eiben

Syntheseweg des Krebsmedikaments Paclitaxel aufgeklärt

23.01.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eiben (hier die Europäische Eibe, Taxus baccata) sind bislang die einzige Quelle für das Krebsmedikament Paclitaxel. Doch die Ausbeute ist gering. Für die Behandlung eines einzelnen Patienten braucht man 10.000 Kilogramm Nadeln. (Bildquelle:  © Didier Descouens / Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Eiben (hier die Europäische Eibe, Taxus baccata) sind bislang die einzige Quelle für das Krebsmedikament Paclitaxel. Doch die Ausbeute ist gering. Für die Behandlung eines einzelnen Patienten braucht man 10.000 Kilogramm Nadeln. (Bildquelle: © Didier Descouens / Wikipedia, CC BY-SA 4.0)

Paclitaxel stammt aus Eiben (Taxus) und ist ein wichtiges Medikament für Chemotherapien. Doch seine Herstellung ist sehr aufwändig und teuer - was auch daran liegt, dass der Syntheseweg des Moleküls bisher nicht genau verstanden war. Jetzt haben Forschende die fehlenden Enzyme gefunden. Das eröffnet neue Möglichkeiten, das Medikament günstiger und in größeren Mengen herzustellen.

Krebs ist eine der häufigsten Erkrankungen, die jedes Jahr für den Tod von etwa zehn Millionen Menschen verantwortlich ist. Im Kampf gegen Krebs kommen oft Chemotherapeutika zum Einsatz. Eines davon ist Paclitaxel, auch bekannt unter dem Handelsnamen Taxol®. Paclitaxel und seine verwandten Taxan-Analoga gehören inzwischen zu den wichtigsten Chemotherapeutika weltweit. Im Jahr 2013 wurden geschätzt über fünf Milliarden US-Dollar Umsatz damit gemacht.

Neue Produktionswege für Paclitaxel sind nötig

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Paclitaxel hat eine komplexe chemische Struktur, die ohne die Hilfe von Enzymen nur sehr schwierig reproduziert werden kann.

Paclitaxel hat eine komplexe chemische Struktur, die ohne die Hilfe von Enzymen nur sehr schwierig reproduziert werden kann.

Bildquelle: © Youjun Zhang, MPI-MP

Der Wirkstoff wurde ursprünglich aus der Rinde von Eiben (Taxus) gewonnen. Auch heute noch sind Eiben bei der Produktion des Medikaments nicht wegzudenken. Ein Vorläufer von Paclitaxel, das sogenannte 10-Deacetyl-Baccatin III, wird aus Eibennadlen und -rinde extrahiert und dann im Labor chemisch zu Paclitaxel konvertiert. Das Problem dabei: Eiben produzieren nur sehr wenig von diesem Stoff. Allein für die Behandlung eines einzigen Patienten sind daher 10.000 Kilogramm Eibennadeln nötig. Doch das komplexe Molekül vollständig im Labor herzustellen, ist noch teurer. Daher wird händeringend nach neuen Produktionswegen gesucht.

Eine Möglichkeit wäre, die Enzyme, die an der Synthese von Paclitaxel beteiligt sind, in andere Organismen einzubringen, die man leicht in großen Mengen züchten kann. Bakterien wie E.coli wären dafür geeignet, Hefezellen (S. cerevisiae) oder eben Pflanzen. Damit das funktioniert, muss jedoch der gesamte Syntheseweg des Moleküls bekannt sein – und das war er bisher nicht. Zwölf Enzyme waren bereits gefunden worden. Mindestens sechs fehlten noch.

Fehlende Enzyme gefunden

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Alisdair Fernie vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm hat jetzt herausgefunden, wie Paclitaxel in der Natur hergestellt wird. Damit ist nun der gesamte Stoffwechselweg von Paclitaxel bekannt. „Unsere Ergebnisse sind der Türöffner für die angewandte Forschung, die die Produktion von Paclitaxel verbessern kann“, sagt Fernie.  

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In die Modellpflanze Nicotiana benthamiana konnten alle Syntheseschritte zur Bildung von Paclitaxel übertragen werden. In Bakterien ist das noch nicht gelungen.

In die Modellpflanze Nicotiana benthamiana konnten alle Syntheseschritte zur Bildung von Paclitaxel übertragen werden. In Bakterien ist das noch nicht gelungen.

Bildquelle: © Chandres, Wikipedia, CC BY-SA 3.0 DEED

Bei dieser Arbeit hat das Team eine Kombination aus Transkriptomik, Zellbiologie, Metabolomik und Stoffwechselpfad-Rekonstitution verwendet. Als erstes suchten sie in Datenbanken, welche Gene gemeinsam mit den zwölf bereits bekannten Enzymen exprimiert werden. Sie fanden 37 Kandidatengene, die bisher keine bekannte Funktion hatten. Diese testeten sie anschließend in der Modellpflanze Nicotiana benthamiana auf ihre Wirksamkeit im Paclitaxel-Stoffwechsel. Schritt für Schritt tasteten sie sich vor, bis sie alle Enzyme gefunden hatten und die Pflanzen Paclitaxel produzierten, und zwar in ähnlichen Mengen wie die Eiben.

Synthese in Bakterien bisher nicht erfolgreich

In einem weiteren Experiment versuchten sie, den Stoffwechselweg in Bakterien einzufügen – leider ohne Erfolg. "Es könnte mit der Lage der Enzyme in den Pflanzenzellen zu tun haben. In Pflanzen sind die meisten Enzyme, die an der Biosynthese von Paclitaxel beteiligt sind, an eine bestimmte Membran gebunden. So liegen sie dicht beieinander und bilden möglicherweise eine Transportkette, in der jedes Enzym das Produkt des vorhergehenden übernimmt und es weiter modifiziert, bis am Ende das endgültige Paclitaxel freigesetzt wird. Da Bakterien andere Membranen haben als Pflanzen, kann es sein, dass die Enzyme nicht zueinander finden“, sagt Youjun Zhang, der Hauptautor der Studie.

Doch dieses Ergebnis bedeutet nicht, dass Bakterien nicht grundsätzlich in der Lage sein könnten, Paclitaxel herzustellen. „Der Prozess ließe sich vielleicht so anpassen, dass er auch in Bakterien funktioniert, was eine Produktion in großem Maßstab ermöglichen würde“, erklärt Fernie.

Warten weitere Krebsmedikamente auf Entdeckung?

Die Ergebnisse könnten auch dazu beitragen, ganz neue Chemotherapeutika zu entdecken. Bisher kommen neben Paclitaxel nur zwei andere Taxane bei der Behandlung von Krebs zum Einsatz. Dabei sind nahezu 600 Taxan-Strukturen bekannt. Es ist gut möglich, dass sich weitere potente Krebsmedikamente darunter befinden. Weil Taxane aber nur in so geringen Mengen in der Natur vorkommen, ist es schwierig, sie zu isolieren und charakterisieren. Mit dem neuen Wissen um den Syntheseweg von Paclitaxel sollte es jedoch möglich sein, große Mengen unterschiedlicher Taxane herzustellen, die in klinischen Studien gegen Krebs getestet werden könnten – so die Einschätzung der Forscher:innen.


Quelle:
Zhang, Y. et al. (2023): "Synthetic biology identifies the minimal gene set required for paclitaxel biosynthesis in a plant chassis". Molecular Plant (4.12.2023). doi: 10.1016/j.molp.2023.10.016

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Titelbild: Eiben (hier die Europäische Eibe, Taxus baccata) sind bislang die einzige Quelle für das Krebsmedikament Paclitaxel. Doch die Ausbeute ist gering. Für die Behandlung eines einzelnen Patienten braucht man 10.000 Kilogramm Nadeln. (Bildquelle: © Didier Descouens / Wikipedia, CC BY-SA 4.0)