Phytochrom B zieht die thermische Bremse

Inneres Thermometer von Pflanzen kontrolliert die Keimung

27.03.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In jedem Samen der Ackerschmalwand schlummert eine „Thermometer“: Phytochrome B verhindert bei zu hohen Temperaturen die Samenkeimung. (Bildquelle: © Claudia Vojta, MPIZ Köln, Wikipedia, CC BY-SA 2.0 de)

In jedem Samen der Ackerschmalwand schlummert eine „Thermometer“: Phytochrome B verhindert bei zu hohen Temperaturen die Samenkeimung. (Bildquelle: © Claudia Vojta, MPIZ Köln, Wikipedia, CC BY-SA 2.0 de)

Ob Keimlinge überleben, hängt auch an der Temperatur. Ist es zu warm, vertrocknen sie. Daher regelt ein Temperaturfühler die Samenkeimung. Ein schweizerisches Forscherteam hat nun Phytochrom B als verantwortlichen Regulator identifiziert.

Die Thermoinhibition der Samenkeimung ist für Pflanzen ein essentieller Prozess – er verhindert die Keimung unter potenziell tödlichen Umweltbedingungen wie zu hohen Temperaturen. Da sich aufgrund des Klimawandels die Temperaturen von Jahr zu Jahr weiter erhöhen, ist das Verständnis dieser Regulationsprozesse auch für die Pflanzenzüchtung von enormer Bedeutung. Doch bislang waren die Mechanismen der Temperaturerfassung und die dazugehörigen Signalwege unbekannt.

Ackerschmalwand als verlässliches Modell

Doch das hat sich geändert. Ein Forschungsteam der Universität Genf suchte und fand die molekularen Bauteile des inneren Thermometers. Als Untersuchungsobjekt nutzten sie – wie häufig in der Pflanzenforschung – die Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Ihr deutscher Name: Ackerschmalwand, eine unscheinbare aber mittlerweile von Wissenschaftler:innen weltweit eingehend genetisch und biochemisch charakterisierte Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae).

Phytochrom B unter Verdacht

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Ein Schnitt durch einen Samen der Ackerschmalwand.

Ein Schnitt durch einen Samen der Ackerschmalwand.

Bildquelle: © UNIGE / Sylvain Loubéry

Auf die Spur brachte das Forscherteam bereits bekannte Regulationsprozesse beim Sprosswachstum junger Pflanzen. Die Stängel der Pflanzen wachsen umso schneller, je wärmer und heller es ist. Auf diese Weise kann die Pflanze aus dem Schatten konkurrierender Pflanzen entkommen. Das „Sensormolekül“ ist hier Phytochrom B, ein licht- und temperaturempfindliches Protein. Es wirkt als „Bremser“. Steigt die Temperatur um wenige Grad, wird Phytochrom B zunehmend inaktiviert und die zuvor unterdrückten Wachstumsprozesse beschleunigen sich.

Kontrolle durch das Endosperm

Bei seinen Untersuchungen konnte das Team zeigen, dass auch bei der Kontrolle der Samenkeimung das Phytochrom B eine entscheidende Rolle einnimmt. Allerdings findet der ausschlaggebende Prozess nicht im Embryo des Samens statt, sondern im umgebenden Endosperm, dem Nährgewebe der Mutterpflanze. Denn trennten die Forscher:innen Embryo und Nährgewebe voneinander, keimten die Embryonen auch bei zu hohen Temperaturen. Diese Funktion des Endosperms bei der Thermoinhibition war bislang unbekannt.

Eine Kontrollkaskade mit PIFs und ABA

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Urszula Piskurewicz, Biologin und Erstautorin der Studie: „Die Wärmehemmung bei Arabidopsis wird nicht autonom vom Embryo gesteuert, sondern vom Endosperm. Damit haben wir eine neue wesentliche Funktion dieses Gewebes aufzeigt.“

Urszula Piskurewicz, Biologin und Erstautorin der Studie: „Die Wärmehemmung bei Arabidopsis wird nicht autonom vom Embryo gesteuert, sondern vom Endosperm. Damit haben wir eine neue wesentliche Funktion dieses Gewebes aufzeigt.“

Bildquelle: : © UNIGE / Urszula Piskurewicz

Auch im Endosperm werden Temperaturen durch Phytochrom B wahrgenommen und durch Vermittlung von sogenannten PIFs (Phytochrome-Interacting Factors) kommt es zu Steuerung der Wachstumsprozesse. PIFs gehören zu einer Familie von Basic-Helix-Loop-Helix-Transkriptionsfaktoren, die die photomorphogenen Entwicklungsreaktionen im Endosperm und im Embryo lenken.

Im Einzelnen laufen folgende Prozesse ab: Bei steigenden Temperaturen beschleunigt sich im Endosperm die Umwandlung einer aktiven signalgebenden Pfr-Form des Phytochroms B in die inaktive Pr-Form, wie es bereits in Keimlingen beschrieben wurde. Dies führt zu einer Thermoinhibition im Embryo. Denn das endospermische PIF3 unterdrückt die Expression des endospermischen ABA-Abbaugens CYP707A1 - ABA steht für das Pflanzenhormon Abscisinsäure. Folglich steigt der ABA-Gehalt im Endosperm und es kommt zu einer ABA-Freisetzung in Richtung des Embryos. Unter diesen Bedingungen wird das Embryowachstum vollständig blockiert. Auch unterdrückt der hohe endospermische ABA-Gehalt die embryonale PIF3-Akkumulation, die das embryonale Wachstum fördern würde.

Pflanzenzüchtung kann profitieren

Die Wissenschaftler:innen sind optimistisch, dass ihre Ergebnisse auch der Züchtung helfen. Denn die neuen Befunde könnten dazu beitragen, das Wachstum von Pflanzen unter extremeren Klimabedingungen zu optimieren. Schließlich müssen sich Pflanzensamen weltweit auf weiter steigende Temperaturen einstellen.


Quellen:

  • Piskurewicz, U. et al. (2023): “The Arabidopsis endosperm is a temperature-sensing tissue that implements seed thermoinhibition through phyB.” In: Nature Communications 14, 1202 (2023). doi: 10.1038/s41467-023-36903-4
  • An internal thermometer tells the seeds when to germinate (Pressemitteilung Universität Genf, 07. März 2023)

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: In jedem Samen der Ackerschmalwand schlummert eine „Thermometer“: Phytochrome B verhindert bei zu hohen Temperaturen die Samenkeimung. (Bildquelle: © Claudia Vojta, MPIZ Köln, Wikipedia, CC BY-SA 2.0 de)