Wertvolle Pflanzeninhaltsstoffe gesucht

Das Projekt TEABAG: Wie züchtet man gesunden und schmackhaften Tee?

17.10.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eine Teeplantage in China, dem Mutterland des Tees. (Bildquelle: © Matti&Keti / Wikipedia /CC BY-SA 4.0)

Eine Teeplantage in China, dem Mutterland des Tees. (Bildquelle: © Matti&Keti / Wikipedia /CC BY-SA 4.0)

Das Forschungsprojekt TEABAG hat die Inhaltsstoffe der Teepflanze unter die Lupe genommen. Dabei gelang es, ein Gen zu identifizieren, das für den Catechingehalt verantwortlich ist. Die Catechine sind für Geschmack wie gesundheitlichen Mehrwert von Tee mitverantwortlich.

Tee ist eines der beliebtesten Heißgetränke weltweit. 2021 ernteten die Teeproduzenten rund um den Globus mehr als 28 Millionen Tonnen Teeblätter, aus denen dann schwarzer oder grüner Tee hergestellt wurde. Worin unterscheiden sich aber die Inhaltsstoffe der einzelnen Teelinien? Dieser Frage ist das Forschungsprojekt „TEABAG - Ein pangenomischer Ansatz zur Sicherung der Teeproduktion“ um Projektleiter Björn Usadel von der Heinrich-Heine-Universität (HHU) Düsseldorf nachgegangen.

200 Teelinien verglichen

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Frisch gepflückter Tee. Das chinesisch-deutsche Forscherteam analysierte mehr als 200 verschiedene Sorten und identifizierte ihre Genvarianten.

Frisch gepflückter Tee. Das chinesisch-deutsche Forscherteam analysierte mehr als 200 verschiedene Sorten und identifizierte ihre Genvarianten.

Bildquelle: © Weiwei Wen / Huazhong Agricultural University

„Wenn die Inhaltsstoffe von Tee untersucht werden, geht es oft darum, was nicht drin sein sollte“, erzählt Usadel – etwa Rückstände von Pflanzenschutzmitteln oder schädliche Alkaloide wie die Pyrrolizidin-Alkaloide, die sich aber vor allem in Kräutertees finden. Das Projekt TEABAG hingegen hat analysiert, welche Teelinien besonders viele gute Inhaltsstoffe besitzen. „Wir wollten herausfinden, was Tee besonders wohlschmeckend und gesund macht – wobei wohlschmeckend natürlich subjektiv ist.“

Die Grundlage für das Projekt bildete eine langjährige Kooperation zwischen HHU-Forscher Usadel und Alisdair Fernie vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam. Über Potsdam kommt auch der Kontakt zur chinesischen Projektpartnerin Weiwei Wen von der Huazhong Universität, die bereits mit zahlreichen Teelinien aus China gearbeitet hat. Für TEABAG bedeutete das die einmalige Möglichkeit, rund 200 Teelinien aus dem Mutterland des Tees zu untersuchen. Einige dieser morphologisch teilweise sehr unterschiedlichen Teelinien waren zuvor nicht – oder zumindest nicht außerhalb Chinas – verfügbar. Auch eine mehrere hundert Jahre alte Teepflanze befindet sich in dieser Sammlung.

Große Unterschiede bei Catechinen

Bei den Analysen legte das Projektteam den primären Fokus auf die Catechine. Diese polyphenolischen Pflanzenmetabolite weisen ein hohes antioxidatives Potenzial auf. Damit wirken sie bei Menschen wahrscheinlich entzündlichen Prozessen entgegen. Auch durchblutungsfördernd sollen sie sein, wenngleich die Datenlage dazu noch dünn ist. Zugleich sind sie Gerbstoffe und tragen somit zum charakteristischen, leicht bitteren Aroma des Tees bei. Insgesamt schauten die Forscher:innen mehrere Dutzend Metabolite an, darunter auch Anthocyane und einige Primärmetabolite. Anthocyane haben zwar eine großes antioxidatives Potenzial, jedoch eine schlechte Bioverfügbarkeit. Allerdings werden auch ihnen gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben, z.B. Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ein gewisser Schutz vor Krebs.

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Flavan-3-ol, der Grundkörper von Catechinen. Es handelt sich um polyphenolische Pflanzenmetaboliten aus der Gruppe der Flavonoide und zählen zu den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen. Sie besitzen ein hohes antioxidatives Potentials.

Flavan-3-ol, der Grundkörper von Catechinen. Es handelt sich um polyphenolische Pflanzenmetaboliten aus der Gruppe der Flavonoide und zählen zu den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen. Sie besitzen ein hohes antioxidatives Potentials.

Bildquelle: © gemeinfrei

Zunächst musste das Forschungsteam herausfinden, welche Inhaltsstoffe die jeweiligen Linien produzieren und welche genetischen Unterschiede dafür verantwortlich sind. Dazu sequenzierten die Forscher:innen die RNA der Teepflanzen (Transkriptomanalyse) und assoziierten die dabei entdeckten Mutationen mit Metabolitdaten aus parallel durchgeführten metabolischen Untersuchungen. „Weil es für Tee noch kein für uns perfektes Referenzgenom gab, haben wir selbst eines erstellt“, verweist Usadel auf ein wertvolles Nebenprodukt des Projekts. Es ist wahrscheinlich noch immer eines der hochwertigsten verfügbaren Referenzgenome für Tee.

Mutation in zentralem Gen gefunden

Anhand von Merkmalskartierungen – sogenannten QTL-Analysen – identifizierte das Forschungsteam anschließend jene Regionen des Genoms, die für die wesentlichen Unterschiede in den Inhaltsstoffen verantwortlich waren. „Wir haben dabei Mutationen in einer Anthocyanidin-Reduktase in einigen Linien gefunden, wodurch das entsprechende Genprodukt eine andere Aktivität hat“, berichtet Usadel. Diese Mutation erklärt wahrscheinlich, weshalb sich die Zusammensetzung der Catechine zwischen den Teelinien so stark unterscheidet. „Anhand dieses Gens könnten Züchter die Catechin-Zusammensetzung genauer einstellen und damit Gesundheitswirkung und Geschmack der Teelinie“, erklärt der Projekteiter. Denkbar wäre auch, das betreffende Enzym mittels Genomeditierung noch weiter zu verändern. „Die Zusammenarbeit zwischen unseren drei Gruppen hat sehr gut geklappt“, lobt Usadel

„Wir haben auch noch ein zweites interessantes Gen gefunden, sind da aber aus Zeitgründen nicht weitergekommen“, sagt Usadel. Dennoch sei das Team sehr zufrieden, innerhalb des dreijährigen Projekts überhaupt für ein Gen einen so klaren Zusammenhang gefunden zu haben. „Von einer QTL-Studie bis zum Gen kann es auch schon mal sechs bis acht Jahre dauern – oder man findet gar kein Gen“, ordnet der Forscher das Ergebnis ein. „Wir hatten Glück, dass wir bei einer so wichtigen Substanz eine so klare genetische Zuordnung hatten.“

Projektpartner

Herausforderungen durch die Pandemie

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Das Projekt hat die Voraussetzungen geschaffen, um mit der Genschere CRISPR/Cas die wertvollen Inhaltsstoffe von Teesorten zu steuern.

Das Projekt hat die Voraussetzungen geschaffen, um mit der Genschere CRISPR/Cas die wertvollen Inhaltsstoffe von Teesorten zu steuern.

Bildquelle: © Marcel Tisch / bioicons.com / CC0

Dass es auch anders sein kann, belegen die Arbeiten zu den anderen untersuchten Metaboliten. Bei manchen fand sich keine genetische Zuordnung oder die Unterschiede in der Zusammensetzung waren zwischen den Teelinien sehr gering. Oder wenn es ein Signal gab, dann ließ es sich genetisch nicht zuordnen. „Manchmal war das Signal auch so schwach, dass wir noch viel mehr Linien hätten untersuchen müssen“, erklärt Usadel.

Die größte Hürde im Projekt, das das Bundesforschungsministerium von April 2019 bis Dezember 2022 mit rund 240.000 Euro gefördert hat, war allerdings die Corona-Pandemie: Das Institut der chinesischen Partnerin liegt in Wuhan und wurde gleich zu Beginn der Pandemie geschlossen. „Es wurde auch extrem schwer bis unmöglich, biologisches Material aus Wuhan nach Deutschland zu schicken“, erinnert sich Usadel und schmunzelt bei der Erinnerung an den Kontakt mit dem Zoll. Immerhin funktionierte der Austausch von Daten, und mit viel Flexibilität kam das Team ans Projektziel.

Die Genschere kann die Züchtung schnell voranbringen

„Die Genschere CRISPR/Cas ist in China kein Reizthema“, sagt Usadel, zumal die Unterschiede der Catechin-Zusammensetzung nur auf natürliche Allele zurückgehen. Bedeutet: Mit der Genschere kann in einer Teelinie ein Allel erzeugt werden, dass in anderen Linien schon natürlicherweise vorhanden ist. „Damit haben wir ein ideales Tool für die Züchtung, mit dem wir den Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen steuern können.“ Auch auf den bereits sequenzierten Genomen will das Team nun aufbauen und ein Pangenom für Tee erstellen. Ein Pangenom bezeichnet die Gesamtheit aller vorkommenden Gene bzw. Genvarianten innerhalb einer Art. Das soll noch mehr Klarheit liefern, wie die Evolution von Tee verlaufen ist und wie sich das auf die Metabolitenzusammensetzung ausgewirkt hat. Schon jetzt stehen weitere Tee-Metabolite im Fokus eines Nachfolgeprojekts. Darin kommen neben klassischen statistischen Analysen auch KI-Methoden zum Einsatz, um interessante genetische Assoziationen aufzudecken.


Publikationen:

  • Gui, S., Martinez-Rivas, F.J., Wen, W., Meng, M., Yan, J., Usadel, B., Fernie, A.R. (2023) Going broad and deep: sequencing-driven insights into plant physiology, evolution, and crop domestication. Plant J. 113(3):446-459, doi.org/10.1111/tpj.16070
  • Qiu, H., Zhu, X., Wan, H., Xu, L., Zhang, Q., Hou, P., Fan, Z., Lyu, Y., Ni, D., Usadel, B., Fernie, A.R., Wen, W. (2020) Parallel Metabolomic and Transcriptomic Analysis Reveals Key Factors for Quality Improvement of Tea Plants. J Agric Food Chem. 68(19):5483-5495, doi.org/10.1021/acs.jafc.0c00434
  • Zhang, W., Zhang, Y., Qiu, H., Guo, Y., Wan, H., Zhang, X., Scossa, F., Alseekh, S., Zhang, Q., Wang, P., Xu, L., Schmidt, M.H., Jia, X., Li, D., Zhu, A., Guo, F., Chen, W., Ni, D., Usadel, B., Fernie, A.R., and Wen, W. (2020). Genome assembly of wild tea tree DASZ reveals pedigree and selection history of tea varieties. Nat Commun 11, 3719, doi:
  • Zhang, W., Luo, C., Scossa, F., Zhang, Q., Usadel, B., Fernie, A.R., Mei, H., and Wen, W. (2021). A phased genome based on single sperm sequencing reveals crossover pattern and complex relatedness in tea plants. Plant J 105, 197-208, doi.org/10.1111/tpj.15051

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Titelbild: Eine Teeplantage in China, dem Mutterland des Tees. (Bildquelle: © Matti&Keti / Wikipedia /CC BY-SA 4.0)