Woher kommt der vielfältige Geschmack?
Die erste hochqualitative Genomsequenzierung der Teepflanze bringt Licht ins Dunkel der Teevielfalt
Der erste Wurf ist vollbracht: Die Genomsequenz der kulturell und wirtschaftlich wichtigen Teepflanze ist nahezu vollständig entschlüsselt. Nun können die Geheimnisse der unterschiedlichen Geschmacksvarianten des Tees gelüftet werden. Auch Züchter profitieren davon.
Trotz moderner Sequenziermethoden hat es fünf Jahre gedauert, bis der erste Sequenzentwurf des Teepflanzengenoms vorlag. „Wir haben in unserem Labor schon mehr als 20 Pflanzengenome sequenziert, aber das der Teepflanze war eine harte Nuss“, berichtet der Pflanzengenetiker Lizhi Gao vom Botanischen Institut Kunming in China. Das lag zum einen daran, dass sich das Genom der Teepflanze als weitaus größer entpuppte, als die Forscher es zunächst angenommen hatten. Mit 3,02 Milliarden Basenpaaren ist es viermal so groß wie das Genom der Kaffeepflanze und viel größer als die meisten bisher sequenzierten Pflanzenarten.
Ein Puzzle mit fast identischen Teilen
Doch nicht nur allein diese Größe machte den Pflanzengenetikern zu schaffen. Viele Bereiche im Genom der Teepflanze sind Duplikate oder „Fast-Duplikate“, wie die Wissenschaftler schreiben. Weil ein Genom aus technischen Gründen nicht an einem Stück ausgelesen werden kann, werden Tausende kleiner Stücke des Genoms kopiert, sequenziert und im Anschluss anhand der überlappenden Sequenzen wieder in der richtigen Reihenfolge zusammengefügt.
Besonders schwierig wird es allerdings, wenn das Genom wie in diesem Fall DNA-Abschnitte enthält, die sich hundert- oder gar tausendfach wiederholen. Man spricht hier von repetitiven Sequenzen. Beim Genom der Teepflanze bestehen 80,9 Prozent der DNA aus solchen sich wiederholenden Sequenzen. Dann gleicht das Zusammensetzen der Sequenzabschnitte einem Puzzle mit einer Million Teile, bei dem alle Mittelstücke nahezu gleich aussehen.
Transposon-DNA bläht Genom auf
Der Grund für die zahlreichen, sich wiederholenden DNA-Abschnitte ist Transposon-DNA im Genom der Teepflanze. Gao und seine Kollegen schätzen, dass mehr als die Hälfte des Genoms (67 %) aus Transposon-DNA besteht. Transposons sind „springende Gene“, die ihre DNA-Sequenz an verschiedenen Stellen im pflanzlichen Genom kopiert und eingefügt haben. Dieser Vorgang blähte das Genom nicht nur enorm auf, sondern vervielfältigte auch bestimmte Gene, die der Teepflanze Resistenz gegenüber Krankheiten verliehen.
Diese erweiterten Genfamilien haben der Teepflanze wahrscheinlich ihre Fähigkeit verliehen, in verschiedenen Klimazonen und Umweltbedingungen gedeihen zu können. Da viele der Transposon-Kopiervorgänge evolutionsgeschichtlich noch jung sind, mutmaßen die Forscher, dass zumindest einige der Duplikationen als Reaktion auf die Kultivierung der Teepflanze zurückzuführen sind.
Tee wird schon seit der Antike getrunken
Die immergrüne Teepflanze (Camellia sinensis) gehört zur Gattung der Kamelien (Camellia) innerhalb der Familie der Teestrauchgewächse (Theaceae). Bereits seit der Antike (seit etwa 3.000 Jahren vor Christi Geburt) brühen die Menschen aus verschiedenen Pflanzenteilen der Teepflanze wie Blättern, Knospen, Stängeln und Blüten ein heißes Aufgussgetränk - den Tee. Heute trinken etwa 3 Milliarden Menschen in 160 verschiedenen Ländern regelmäßig Tee. Die meisten heute bekannten Teesorten wie Schwarztee, grüner und weißer Tee, sowie Chai Tee stammen allesamt von den Blättern der Camellia sinensis. Trotz der enormen kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung von Tee, ist über die Teepflanze relativ wenig bekannt. Das wird der mühsam zusammengepuzzelte, erste Entwurf des Teepflanzengenoms nun ändern.
Nur Camellia sinensis eignet sich zur Teeherstellung
Mit dieser noch nicht ganz vollständigen und fehlerbehafteten Sequenz haben die Forscher eine Grundlage geschaffen, mit der sich in Zukunft erklären lässt, warum die Teepflanze in ihren Blättern so viele Antioxidantien und Koffein produziert. Auf Basis der Genomsequenz lässt sich auch klären, wie sich die Teepflanze genetisch von ihren nahen Verwandten unterscheidet.
Für Teepflanzen-Züchter sind diese Informationen wertvoll, da sie veranschaulichen, warum gerade die Blätter von Camellia sinensis so besonders sind und sich zur Teeherstellung eignen. Zur Gattung Camellia gehören nämlich über 100 verschiedene Arten, darunter auch verschiedene Zierpflanzen, sowie C. oleifera, die das Teebaumöl produziert.
Zur Teeherstellung werden allerdings nur zwei Haupt-Varietäten angebaut: C. sinensis. var. assamica and C. sinensis var. sinensis. „Es gibt viele verschiedene Geschmacksrichtungen, aber bisher weiß niemand, welche Gene dafür verantwortlich sind“, so Gao. Frühere Studien lassen vermuten, dass der typische Geschmack des Tees hauptsächlich auf eine Gruppe von Antioxidantien, den sogenannten Flavonoiden, zurückzuführen ist. Die Pflanze bildet diese Stoffe, um ihre Überlebenschancen in der freien Natur zu erhöhen. Denn neben ihrer Funktion als Blütenfarbstoffe besitzen Flavonoide bei Pflanzen noch eine große Bedeutung als UV-Schutz und zur Abwehr von Parasiten und Krankheitserregern.
Die Genaktivität bestimmt, ob ein guter Tee daraus wird
Katechin, ein bitter schmeckendes Flavonoid, wird besonders mit dem typischen Teegeschmack in Verbindung gebracht. Wieviel Katechin eine Teepflanze produziert, ist von Art zu Art verschieden. Ebenso der Gehalt an Koffein. Gao und seine Kollegen konnten zeigen, dass die Blätter von C. sinensis nicht nur große Mengen an Katechinen, Koffein und Flavonoiden enthalten, sondern auch mehrere Kopien der Gene, die für die Produktion von Koffein und Flavonoiden verantwortlich sind.
Da es sich bei Koffein und Flavonoiden nicht um Proteine handelt, sind diese Stoffe nicht direkt im Genom kodiert. Sie werden aber von Enzymen hergestellt, deren Code im Genom verankert ist. Zwar besitzen alle Camellia-Arten Gene für den Koffein- und Flavonoid-Stoffwechselweg, aber diese sind nicht in allen Arten gleich aktiv. Nur in C. sinensis sind sie so aktiv, dass nach dem Brühen der Blätter der typische Teegeschmack entsteht.
Basis für noch vielfältigere Teearomen
Der Grundstein ist mit dem ersten Sequenzentwurf gelegt. Nun können viele Geheimnisse der Teepflanze gelüftet werden. In folgenden Arbeitsschritten wollen die Wissenschaftler die Sequenzinformationen immer weiter präzisieren und noch andere Tee-Varietäten aus der ganzen Welt sequenzieren. „Mit diesen Informationen werden wir auch das Geheimnis des charakteristischen Teegeschmacks lüften können“, so Gao.
Ziel der Forscher ist es zu prüfen, wie sich die Anzahl von Genkopien auf die Eigenschaften der Teepflanze auswirken. Gao dazu: „Wir wollen eine Karte von verschiedenen Teevariationen erstellen, die zeigt, wie die betreffende Pflanze kultiviert und verbreitet wurde.“ Auf dieser Basis lassen sich womöglich noch vielfältigere Teearomen produzieren, die weltweit noch mehr Menschen vom Teetrinken begeistern können.
Quelle:
Xia, E.H. et al. (2017): The Tea Tree Genome Provides Insights into Tea Flavor and Independent Evolution of Caffeine Biosynthesis. In: Molecular Plant, (01. Mai 2017), doi: 10.1016/j.molp.2017.04.002.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Klimawandel lässt Tee fad schmecken - Unter der Lupe: Einfluss des Klimawandels auf Qualität und Menge von Nutzpflanzen
- Tee - die unbekannte Vielfalt in der Tasse
- Buntes Licht für mehr Aroma - Blaues und rotes Licht sorgen für mehr Aroma im Tee
- Robuster dank Koffein - Genom der Kaffesorte „Robusta“ liefert neue Erkenntnisse zur Produktion von Koffein
Titelbild: Das Genom der Teepflanze (Camellia sinensis) ist nahezu vollständig entschlüsselt. (Bildquelle: © LiZhi Gao Lab)