Präzise Pflanzenzüchtung mit „Schere“ und „Flicken“

14.05.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das biotechnologische Verfahren erlaubt den passgenauen Einbau von Transgenen in die DNA. (Quelle: © iStockphoto.com/Vasiliy Koval)

Das biotechnologische Verfahren erlaubt den passgenauen Einbau von Transgenen in die DNA. (Quelle: © iStockphoto.com/Vasiliy Koval)

Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, mit dem Geninformationen passgenau in pflanzliches Erbgut eingebaut werden. Sie machen sich dabei einen natürlichen Reparaturmechanismus von Pflanzen zunutze. Das Verfahren ist nicht nur effizienter als bisherige Methoden. Es könnte auch helfen, die biologische Vielfalt von Wildpflanzen noch schneller für die Züchtung nutzbar zu machen.

Als homologe Rekombination bezeichnet man den Mechanismus, mit dem Organismen Brüche in homologen, d.h. ähnlichen, doppelsträngigen DNA-Molekülen (Chromosomen) reparieren können. Dies geschieht, indem die defekte Stelle in der Erbinformation mit einer ähnlichen Nucleotidsequenz des Schwesterchomatids ausgetauscht wird (ähnlich dem Crossing-over während der Keimzellentwicklung). Die Informationen auf dem unbeschädigten Chromosomenarm dienen dann als Vorlage, wenn die Nukleotide erneut verknüpft und wieder zu einer intakten Doppelhelix aufgebaut werden. Das sogenannte „in planta Gene Targeting“-Verfahren setzt genau an dieser Stelle an. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Firma SunGene GmbH, einer zur BASF Plant Science gehörenden Firma, haben das Verfahren nun erstmals erfolgreich in Pflanzen angewendet. 

Molekulare Chirurgie – Schritt für Schritt

In Experimenten an der Modellpflanze Arabidopsis haben die Forscher an einer gezielt ausgewählten Stelle eines Chromosoms neue Erbinformationen eingeführt – mit Hilfe des pflanzeneigenen Reparaturmechanismus. Diese passgenaue Integration von Transgenen in das Wirtschromosom verbessert die Effizienz der biotechnologischen Züchtung, denn je nach der Position des Transgens in der DNA wird dieses unterschiedlich exprimiert (Positionseffekte). Die Folge sind verschiedene Ausprägungen der gewünschten Merkmale in Nutzpflanzen.

Die Forscher entwickelten eine Art „molekulare Schere“ (eine ortsspezifische Endonuklease), mit der sie den DNA-Doppelstrang des Ziel-Chromosoms an einer spezifischen Stelle der DNA-Sequenz durchtrennten. Mit einem weiteren Schnitt im transgenen „Spender-Chromosom“ erzeugten sie einen „DNA-Flicken“ („Targeting-Vektor“), der den gewünschten transgenen Genabschnitt und einen Selektionsmarker enthielt. Dieser Marker stellte sicher, dass das Konstrukt im Ziel-Chromosom später auffindbar war. Weiterhin enthielt der „DNA-Flicken“ an beiden Seiten des Transgens DNA-Sequenzen, die homolog zu denen der Zielsequenz waren. Denn nur bei homologen Sequenzen greift der natürliche Reparaturmechanismus der Zelle. Dieser erledigte nun den Rest: Die homologen Sequenzen des Ziel- und Spender-Chromosoms richteten sich aneinander aus, die defekte Stelle im Ziel-Chromosom wurde mit dem „Targeting Vektor“ geflickt. Das Ergebnis war eine gezielt veränderte DNA-Sequenz, die den neuen Genabschnitt und den Selektionsmarker enthielt. 

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Versuchspflanzen im Labor. Die gezielte genetische Veränderung via in planta Gene Targeting erwies sich als sehr effizient und zeitlich stabil.

Versuchspflanzen im Labor. Die gezielte genetische Veränderung via in planta Gene Targeting erwies sich als sehr effizient und zeitlich stabil.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Jayson Punwani

Das Screening der Samen einer ersten Generation von Nachfahren zeigte, dass im Durchschnitt jeder hunderte Samen die transgenen Sequenzen enthielt. Damit ist das neu entwickelte in plant Gene Targeting etwa 100-mal effizienter als die bisher beschriebenen Verfahren einer gezielten Genveränderung. Die genetische Veränderung erwies sich als stabil. Sie wurde über die Samen weitervererbt. Von 50.000 Samen der zweiten Generation enthielten immerhin mehr als 350 die veränderte DNA-Sequenz. 

Biologische Vielfalt nutzen für bessere Nutzpflanzen

Eine Sequenzanalyse bestätigte, dass die Spender-Sequenz tatsächlich nur an der vorgesehenen Stelle im Ziel-Chromosom eingebaut wurde. Mit bisherigen Verfahren konnten transgene Sequenzen nur mehr oder weniger zufällig, nicht jedoch zielortspezifisch in die Wirts-DNA eingebracht werden. Es kam daher häufig zu Positionseffekten, also der Auswirkung der molekularen Umgebung auf ein Transgen. Pflanzen, die die gewünschte Gensequenz enthielten, verfügten zudem häufig auch noch über unerwünschte Kopien des Transgens im Genom. Diese Kopien mussten aufwändig durch Auskreuzen entfernt werden. Das in planta Gene -Targeting-Verfahren arbeitet hier deutlich zielgenauer.

Das Verfahren ist, so die Wissenschaftler, im Prinzip auf jede Pflanzenart, die sich transformieren lässt, anwendbar. Es genügen jeweils eine speziell entwickelte „molekulare Schere“ und der passende „Gen-Flicken“. Die Wissenschaftler wollen ihre Methode nun auf andere Pflanzen übertragen und jeweils passende „Scheren“ und „Flicken“ produzieren. Gelingt dies, könnte das neue biotechnologische Werkzeug bald in größerem Maßstab angewendet werden, um die bekannten vorteilhaften Eigenschaften von Wildarten noch schneller und effizienter auf Kulturpflanzen zu übertragen. Die biologische Vielfalt ließe sich so für die Produktion von Nahrung und pflanzlichen Rohstoffen optimal nutzen. 


Quelle:
Fauser, F. et al. (2012): In planta gene targeting. PNAS (23.  April 2012), doi:10.1073/pnas.1202191109.

Zum Weiterlesen:

pflanzenforschung.de/biosicherheit: Neue Verfahren: Gene Targeting – Gezielter Einbau von Genen ins Pflanzengenom