Aufklärung von Genfunktionen

Fitnesskur für Reis

22.05.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reis ernährt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. (Bildquelle: © Dieter Schütz / pixelio.de)

Reis ernährt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. (Bildquelle: © Dieter Schütz / pixelio.de)

Viele agronomisch wichtige Eigenschaften von Pflanzen werden komplex reguliert und sind daher züchterisch nicht leicht zu optimieren. Die Aufklärung von Genfunktionen und dazugehörige Regulationsmechanismen sind somit ein Schlüssel zur Verbesserung von Nahrungspflanzen. Pflanzenforschung.de stellt zwei aktuelle Arbeiten zur Optimierung von Reis vor.

Reis (Oryza sativa) versorgt einen Großteil der Weltbevölkerung mit lebensnotwendigen Kalorien. In einzelnen Ländern Asiens macht Reis etwa 80 Prozent der gesamten Nahrung aus. Mehr als 95 Prozent des weltweiten Reisertrages stammt auch aus Asien – hauptsächlich aus China, Indien und anderen Teilen Südostasiens wie Indonesien, Bangladesch und Vietnam.

Reis hat sich langsam an Nassanbau angepasst

#####1#####
Weltweit werden über 80 Prozent der Reispflanzen im Nassanbau kultiviert, wie hier in Bali (Indonesien).

Weltweit werden über 80 Prozent der Reispflanzen im Nassanbau kultiviert, wie hier in Bali (Indonesien).

Bildquelle: © iStock.com/longtaildog

Obwohl Reis eigentlich keine Wasserpflanze ist, hat der Nassanbau dieser Pflanze einen Anteil von etwa 80 Prozent an der Gesamtproduktion. Erst durch jahrtausendelange Züchtung und natürliche Selektion hat sich die Reispflanze allmählich an die Überflutung ihres Lebensraums angepasst. Der Hauptgrund für den Nassanbau von Reis ist die effektive Schädlings- und Unkrautbekämpfung. Denn viele Unkräuter und Bodenschädlinge sterben durch die Überflutung der Felder ab.

Reisanbaus bis heute sehr wasser- und arbeitsintensiv

Doch diese Art des Reisanbaus verbraucht große Mengen Wasser und ist sehr arbeitsintensiv. Um ein Kilogramm Reis zu erzeugen, benötigt ein Bauer zwischen 3.000 und 5.000 Liter Wasser, das in der richtigen Geschwindigkeit über seine Felder fließen muss. Fließt es zu schnell, schwemmt das Wasser wichtige Bodenbestandteile und Nährstoffe weg, fließt es zu langsam, bilden sich Algen. Je nach Sorte, Anbauart und -gebiet sind pro Jahr zwischen ein und drei Ernten möglich.

Ertrag muss für wachsende Weltbevölkerung optimiert werden

Klimawandel und Bevölkerungszuwachs stellen Reiszüchter im 21. Jahrhundert vor besondere Aufgaben. Um auch in Zukunft unter extremeren klimatischen Verhältnissen noch genügend Reis produzieren zu können, müssen Ertrag und Widerstandsfähigkeit der Reispflanzen weiter optimiert werden. An diesem Ziel arbeiten Wissenschaftler an mehreren Fronten.

Mit Hilfe von natürlichen genetischen Variationen lassen sich agronomische Eigenschaften von Nutzpflanzen wesentlich verbessern. Um beispielsweise die Korngröße von Reis optimieren zu können, müssen Wissenschaftler zunächst prüfen, welche Gene die Korngröße steuern.

Gen GSE5 für Korngröße verantwortlich

In einer aktuellen Studie berichten Forscher von einem bisher unbekannten Gen namens GSE5, das die Körnergröße beim Reis maßgeblich beeinflusst. GSE5 kodiert für ein Protein, das an die Plasmamembran gebunden ist. Als die Wissenschaftler GSE5 im Genom der Reispflanze ausschalteten, produzierte die Pflanze breite, schwere Körner, eine Überexpression des Gens führte zu schmalen Körnern. Weitere Untersuchungen zeigten, dass GSE5 die Korngröße über die Zellproliferation in den Ährenhülsen reguliert, indem es mit dem Reis-Calmodulin-Protein OsCaM1-1 interagiert.

#####2#####
Damit Züchter agronomisch wichtige Eigenschaften von Nutzpflanzen wie Reis optimieren können, muss zunächst geprüft werden, welche Gene die Eigenschaften steuern.

Damit Züchter agronomisch wichtige Eigenschaften von Nutzpflanzen wie Reis optimieren können, muss zunächst geprüft werden, welche Gene die Eigenschaften steuern.

Bildquelle: © iStock.com/georgeclerk

Natürliche Variationen im GSE5-Promotor verändern Korngröße

Im kultivierten Reis fand das Forscherteam drei Haupt-Haplotypen von GSE5: GSE5, GSE5DEL1+IN1 und GSE5DEL2, die jeweils über eine Deletion bzw. eine Insertion im GSE5-Promotor verfügen. So führten beispielsweise eine Deletion von 950 Basenpaaren in einer „indica“-Varietät und eine 1.212 Basenpaar lange Deletion in einer „japonica“-Varietät zu breiten Körnern. Als Grund dafür machten die Wissenschaftler eine verminderte Expression von GSE5 aus.

Weitere Versuche zeigten, dass in Wildreis alle drei Haplotypen vorkommen. Die Wissenschaftler nehmen daher an, die GSE5 Haplotypen im kultivierten Reis wahrscheinlich durch die Domestizierung verschiedener Wildreisvarianten entstanden sind. Für zukünftige Zuchtvorhaben könnte GSE5 ein geeigneter Ansatzpunkt sein, um die Korngröße der Reispflanzen zu verbessern.

MikroRNAs kontrollieren komplexe Vorgänge in Pflanzen

Auch microRNAs (miRNAs) eignen sich als Stellschrauben, wenn es darum geht, agronomische Eigenschaften von Pflanzen zu verbessern. Ihre Untersuchung gestaltete sich jedoch bisher als labortechnische Herausforderung. Wissenschaftlern ist es nun gelungen, 35 miRNA-Familien in Reis stillzulegen. Da viele miRNA-Familien komplexe agronomische Eigenschaften der Reispflanzen mitbestimmen, eröffnet dies neue Strategien für die Züchtung.

Die Forscher erkannten, dass durch Stilllegung verschiedener miRNA-Familien zahlreiche agronomisch wichtige Pflanzeneigenschaften beeinflusst werden. Dazu zählten die Pflanzengröße, die Zahl der Schösslinge und die Anzahl der Körner. Alle Eigenschaften blieben über mindestens fünf Generationen stabil.

Am Beispiel der miR398 untersuchten die Wissenschaftler den Einfluss einer einzelnen miRNA genauer. Mit miR398 ließen sich Eigenschaften wie die Rispenlänge sowie Anzahl und Größe der Reiskörner verändern.

Neue Ansätze für agronomische Verbesserung von Nahrungspflanzen gelegt

Die funktionale Aufklärung von Genfunktionen steckt noch in den Kinderschuhen. Umso wichtiger sind wissenschaftliche Ansätze, die sich dem Ziel auf unterschiedlichen Wegen und mit verschiedenen Ressourcen nähern. Die Reispflanzen mit den unterschiedlich stillgelegten miRNA-Familien bilden eine wertvolle Basis für die Funktionsanalyse dieser genetischen Elemente in Reis. Die Forscher gehen davon aus, dass sich diese Erkenntnisse auch auf andere wichtige Nahrungspflanzen wie Weizen und Mais übertragen lassen und züchterisch genutzt werden können.


Quellen:

  • Duan, P., et al. (2017): Natural Variation in the Promoter of GSE5 Contributes to Grain Size Diversity in Rice. In: Molecular Plant 2017;10(5):685-694, (1. Mai 2017), doi: 10.1016/j.molp.2017.03.009.
  • Zhang, H., et al. (2017): Short tandem target mimic rice lines uncover functions of miRNAs in regulating important agronomic traits. In: PNAS 2017 114 (20) 5277-5282, (16. Mai 2017), doi: 10.1073/pnas.1703752114.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Reis ernährt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. (Bildquelle: © Dieter Schütz / pixelio.de)