Bessere Luft

Pflanzen reinigen die Luft von Stickoxiden

15.06.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der größte Verursacher von Stickstoffoxiden wie Stickstoffmonoxid (NO) ist der Verkehrssektor, durch die Verbrennung fossiler Kraftstoffe. (Bildquelle: © Stefan Redel/Fotolia.com)

Der größte Verursacher von Stickstoffoxiden wie Stickstoffmonoxid (NO) ist der Verkehrssektor, durch die Verbrennung fossiler Kraftstoffe. (Bildquelle: © Stefan Redel/Fotolia.com)

Dass Pflanzen für eine saubere Atmosphäre und sogar Raumluft sorgen, ist lange bekannt. Darum haben Pflanzen einen festen Platz im Büro und zu Hause. In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler festgestellt, dass nicht nur CO2, sondern sogar schädliche Stickstoffoxide aus der Luft in Pflanzen fixiert und für den eigenen Stoffwechsel genutzt werden. Damit verbessern Pflanzen die Luftqualität mehr als ihnen bisher zugesprochen wurde.

Wer die Luftqualität seiner vier Wände verbessern möchte, greift zu einem alten Trick und besorgt sich Zimmerpflanzen. Die grünen Helfer sorgen für bessere Raumluft indem sie nicht nur Kohlendioxid (CO2) aufnehmen und Sauerstoff (O2) produzieren, sondern auch Schadstoffe wie Formaldehyd aus der Luft entfernen. Nicht nur das: Im Büro hat allein ihre Anwesenheit schon positive Effekte auf die Laune und Konzentration (Vgl. „Ein bisschen „Grün“ muss sein“).

Multitalent Pflanze

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Mit steigenden Stickstoffmonoxid (NO)-Konzentrationen zeigen die Versuchspflanzen (Arabidopsis thaliana) ein verbessertes Wachstum. Die Pflanze links war 0 Teilen von einer Million bzw. „parts per million“ (ppm) NO, die rechts 3.0 ppm NO ausgesetzt.

Mit steigenden Stickstoffmonoxid (NO)-Konzentrationen zeigen die Versuchspflanzen (Arabidopsis thaliana) ein verbessertes Wachstum. Die Pflanze links war 0 Teilen von einer Million bzw. „parts per million“ (ppm) NO, die rechts 3.0 ppm NO ausgesetzt.

Bildquelle: © HMGU

Doch nun haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München in einer kürzlich veröffentlichten Studie belegt, dass Pflanzen einen weit größeren Beitrag zu besserer Luft leisten können: Sie sind in der Lage, Stickstoffmonoxid (NO) direkt aus der Luft aufzunehmen und so die Konzentration an Stickstoffoxiden (NOx) in der Atmosphäre verringern.

Stickstoff ist Grundbaustein und Problem in einem

Hauptsächlich bei der Verbrennungen von fossilen Brennstoffen, aber auch durch die Industrie oder Landwirtschaft, werden Stickstoffoxide, wie Stickstoffmonoxid (NO) oder Lachgas (N2O), gebildet. Die erhöhte Freisetzung an Stickoxiden kann nicht nur für die Umwelt – beispielsweise als Verursacher von saurem Regen – schädlich sein, sondern stellt auch eine Gefahr für unsere Gesundheit dar, vor allem für die Atemwege. In Deutschland gelangen jährlich rund 1,3 Mio. Tonnen Stickstoffoxide in die Luft. Hauptverursacher ist nach wie vor der Verkehrssektor; der Diesel-Abgasskandal macht dies deutlicher denn je.

Auf der anderen Seite ist Stickstoff für alle Lebewesen, daher auch für Pflanzen, lebensnotwenig. Der essentielle Nährstoff wird für den Aufbau von Molekülen, wie der Erbsubstanz (DNA), für das Wachstum und den Stoffwechsel benötigt. Aber Pflanzen können den in seiner elementaren Form in der Luft reichlich vorhandenen Stickstoff (N2) nicht binden und sind daher auf reaktive Formen des Elements angewiesen. Stickstoffmonoxid (NO) ist eine Form des reaktiven Stickstoffs und ein wichtiges Signalmolekül, das an vielen verschiedenen physiologischen Prozessen in Pflanzen beteiligt ist. Bisher ging man jedoch davon aus, dass Pflanzen das NO aus der Luft nicht binden können.

NO ist für Pflanzen nicht toxisch, im Gegenteil

Forscher konnten nun durch Experimente zeigen, dass diese Fixierung für Pflanzen möglich ist und NO eine Stickstoff-Quelle für den Stickstoff-Stoffwechsel darstellt. Dafür begasten die Forscher die Modellpflanze Arabidopsis thaliana mit hohen NO-Konzentrationen (0,25 bis 3,0 Teile von einer Million bzw. „parts per million“ (ppm). Diese hohen Konzentrationen kommen in der Umwelt nicht vor – zum Vergleich: In den meisten Städten, deren Luft eher als verschmutzt gilt, beträgt die durchschnittliche NO-Konzentration 0,1 ppm, wie die Forscher schreiben. Denn ursprünglich wollten die Forscher mit ihrem Experiment untersuchen, wie pflanzliche Stressreaktionen auf hohe NO-Konzentrationen sind. Doch die Wissenschaftler stellten überraschend fest, dass das NO die Pflanzen nicht stresst oder giftig für sie war. Es kurbelte sogar das Wachstum an.

Hämoglobin-Proteine als Schlüsselkomponenten

Das Wissenschaftlerteam konnte nachweisen, dass pflanzliches Hämoglobin eine Rolle bei der Fixierung spielt. Hämoglobin ist ein Proteinkomplex, der beim Menschen für das charakteristische „Rot“ des Blutes zuständig ist und daher Blutfarbstoff genannt wird. Auch Pflanzen besitzen Hämoglobin-Proteine. Sie wurden im frühen 20. Jahrhundert zum ersten Mal in Pflanzen beschrieben.

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Zimmerpflanzen sind nicht nur ein schönes Beiwerk, die für ein wenig Farbe sorgen. Sie verbessern auch die Luftqualität.

Zimmerpflanzen sind nicht nur ein schönes Beiwerk, die für ein wenig Farbe sorgen. Sie verbessern auch die Luftqualität.

Bildquelle: © Corinna Dumat / pixelio.de

Anders als das menschliche Hämoglobin, hat es bei Pflanzen nicht die Funktion, Sauerstoff zu binden. Durch Transkriptom-, Proteom- und Metabolom-Analysen entdeckten die Forscher aber, dass nicht-symbiotische Hämoglobin-Proteine (der Klasse 1 und 2) bei der Fixierung von NO benötigt werden. Eine Überexpression der dafür benötigten Gene (AtGLB1 oder AtGLB2) führte in weiteren Experimenten zu einem vierfach höheren Nitratgehalt im Vergleich zu ebenfalls begasten Wildtyp-Pflanzen, deren Gene normal abgelesen wurden. Nitrat ist eine bioverfügbare Stickstoffverbindung, die die Pflanze nutzen kann. Daher verwunderte es nicht, dass sich bei den manipulierten Versuchspflanzen die Rosettengröße und das -gewicht, die Sprossdicke sowie der Samenertrag signifikant erhöhten im Vergleich zu den Wildtyp-Pflanzen.

Mangel als mögliche Erklärung

Die Forscher vermuten, diese Fähigkeit könnte ein Weg sein, um bei einem Mangel an Stickstoff im Boden dennoch genügend Stickstoff für den Stoffwechsel aufzunehmen. „Der Mechanismus ist vermutlich entstanden, um Pflanzen an Standorten mit Stickstoffmangel ein Überleben zu sichern“, erklärt Dr. Gitto Kuruthukulangarakoola, der Erstautor der Studie vom Institut für Biochemische Pflanzenpathologie (BIOP).

Die Fähigkeit NO aus der Luft zu binden und so die Luftqualität zu beeinflussen, könnte Pflanzen in Zukunft auch für die Planung von Gebäuden oder gar für die Stadtplanung interessanter machen, so die Forscher. Eventuell lässt sich so auch die mineralische oder organische Stickstoffdüngung in der Landwirtschaft reduzieren, ohne dass die Erträge geringer ausfallen. Die Stickstoffdüngung ist ein Hauptfaktor für die hohen Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft weltweit. Überdüngung führt zudem zu Problemen beim Grundwasser. Nitratbelastungen im Trinkwasser durch die Landwirtschaft würden verringert und gleichzeitig die Luft sauberer.


Quelle:
Kuruthukulangarakoola, G.T. et al. (2016): Nitric oxide-fixation by non-symbiotic hemoglobin proteins in Arabidopsis thaliana under N-limited conditions. In: Plant, Cell & Environment, (31. Mai 2016), doi: 10.1111/pce.12773.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Der größte Verursacher von Stickstoffoxiden wie Stickstoffmonoxid (NO) ist der Verkehrssektor, durch die Verbrennung fossiler Kraftstoffe. (Bildquelle: © Stefan Redel/Fotolia.com)