Schöner wohnen
Wie Symbiosen entstehen
Mykorrhizapilze können bereits außerhalb der Wurzel einer Pflanze deren Wachstumsprogramm umschreiben, um die Umgebung für sich gastlicher zu machen. Eine neuentdeckte Gruppe von Proteinen, wird vom Pilz, der noch außerhalb der Wurzel ist, ferngesteuert aktiviert. Dadurch beginnen sich bereits vor der Besiedlung die Wurzelrindenzellen für die Pilzhyphen umzugestalten.
Pflanzen und Pilze sind nicht immer Feinde, sondern arbeiten auch oftmals zusammen. Bekanntestes Beispiel ist die Symbiose zwischen Pflanzen und Mykorrhizapilzen. Könnte man diese Symbiose von außen aktivieren, wäre das eine Möglichkeit, um Dünger und Pestizide einzusparen, denn mit Mykorrhizapilzen verbundene Pflanzen kommen mit Nährstoffmangel besser zurecht und sind widerstandsfähiger. Allerdings ist vieles bei dieser Symbiose noch nicht so genau erforscht, um sie gezielter in der Landwirtschaft zu nutzen. In einer neuen Studie haben Forscher am Botanischen Institut des KIT (Karlsruher Instituts für Technologie) untersucht, wie der Pilz bereits von außen dafür sorgt, dass die Pflanze ihm einen geeigneten „Wohnraum“ zur Verfügung stellt.
Gute Zusammenarbeit
Mykorrhiza sind Pilze, die überall im Boden vorkommen. Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Forscher den häufig vorkommenden arbuskulären Mykorrhiza (AM) – Pilzen, die innerhalb der Wurzelrindenzellen der Pflanze kleine, bäumchenartig verzweigte Hyphen ausbilden und mit mehr als 80 Prozent aller Landpflanzen „kooperieren“, zum Beispiel auch mit Süßgräsern, zu denen unsere Getreide gehören. Die Pilze sorgen innerhalb der Pflanze für eine verbesserte Wasser- und Nährstoffaufnahme, unterstützen die Pflanze gegen Schädlinge und fördern das Wurzelwachstum. Dafür bekommen sie von der Pflanze Assimilate aus der Photosynthese.
Eine neue GRAS-Proteingruppe
Ein Ziel für die Zukunft ist es, diese Symbiose auf dem Feld kontrolliert einzuleiten, so dass Nutzpflanzen sich mit Mykorrhizapilzen verbinden. In der Folge könnte auf diesem Weg einiges an Dünger und auch an Pflanzenschutzmitteln eingespart werden und würde so die Landwirtschaft nachhaltiger machen. Dazu muss allerdings bekannt sein, welche Mechanismen in der Pflanze ausgelöst werden müssen, um dem Pilz seinen Einzug in die Pflanze zu erleichtern.
Dafür untersuchten die Forscher die genetische Reaktion der Wurzeln der Modellpflanze Medicago truncatula, eines Schneckenklees, auf das Animpfen mit einem Extrakt des AM-Pilzes Rhizophagus irregularis. Dabei entdeckten sie drei neue Transkriptionsfaktoren, die zur GRAS-Familie gehören und die als Reaktion auf den Pilzextrakt exprimiert worden waren. Die neu gefundenen Proteine wurden von den Forschen als MIGs (Mykorrhiza induced GRAS) bezeichnet.
Breitenwachstum durch MIG1
Von den drei MIGs wurde MIG1 zwar am geringsten exprimiert, aber dafür am stärksten in Wurzelrindenzellen, die Arbuskeln aufwiesen. Daraus schlossen die Forscher, dass es eine wichtige Funktion bei der Bildung der Arbuskeln haben müsse. In einem weiteren Versuch, in dem MIG1 überexprimiert wurde, gingen die betroffenen Wurzeln deutlich in die Breite, ein Effekt, der sonst nur durch Inhibition der wachstumsfördernden Gibberelline erzeugt werden konnte. Wurde in diesen Wurzeln zusätzlich noch die Gibberellin-Synthese durch Paclobutrazol (PAC) unterbunden, verstärkte sich der Effekt noch. Im Gegenzug nahmen mit Gibberellin behandelte Wurzeln wieder ihre normale Form an. Gleichzeitig bildeten sich in diesen Wurzeln missgestaltete Arbuskeln.
DELLA1 als Verbindung
Das legte nahe, dass ein Zusammenhang zwischen MIG1 und dem Gibberellin-Signalweg bestehen könnte. Um das zu testen, verwendeten die Forscher als nächstes ein spezielles DELLA-Protein (Δ18DELLA1), um den Gibberellin-Signalweg komplett zu stoppen. DELLA-Proteine gelten als Hemmer des Gibberellin-Signalweges, sie können wiederum von Gibberellinen abgebaut werden. Gleichzeitig sind sie wichtig für die Bildung von Arbuskeln in den Zellen.
Das Protein Δ18DELLA1, das nicht von den Gibberellinen zerstört werden konnte, bewirkte ebenso wie die Überexpression von MIG1 eine Zunahme im Wurzeldurchmesser. Ein weiterer Versuch zeigte, dass diese Zunahme sowohl durch eine Erhöhung der Zellschichten als auch durch eine Vergrößerung der Zellen an sich bewirkt wurde. In diesen Zellen konnten sich die Arbuskeln gut entwickeln. Durch die Behandlung mit Gibberellinen konnte diese Entwicklung rückgängig gemacht werden.
Weiterer Baustein im Verständnis der Kommunikation zwischen Pflanze und Pilz
Daher vermuten die Forscher, dass der Pilz bereits von außen über MIG1 und DELLA1 eine Inhibition des Gibberellin-Signalweges bewirkt, um entsprechend viele große Wurzelzellen zu bekommen und die für ihn negativ wirkenden Gibberelline auszuschalten. Noch bevor eine Pflanze direkten Kontakt mit einem Mykorrhizapilz hat, wird durch den Pilz bereits durch die Aktivierung von MIG1 eine Signalkette in Gang gesetzt, die dafür sorgt, dass das Gibberellin-induzierte Längenwachstum der Wurzel gestoppt und dafür ein Breitenwachstum mit vergrößerten Zellen bewirkt wird. Auch während der Besiedelung mit den Pilzhyphen regeln MIG1 und DELLA1 das Zellwachstum und die Bildung weiterer Zellschichten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Pilze die Pflanzenentwicklung von außen soweit beeinflussen können, dass diese ihr Wachstum in den für den Pilz wichtigen Bereichen umprogrammieren. Ein Verständnis dieser Vorgänge ist wichtig, um die Symbiose zwischen Pflanze und Pilz noch besser für die Ernährung des Menschen und eine ressourcen- und umweltschonendere Landwirtschaft nutzbar zu machen, indem zum Beispiel bestehende mutualistische Verbindungen weiter optimiert oder sogar erst ermöglicht werden.
Quelle:
Heck, C. et al. (2016): Symbiotic fungi control plant root cortex development through the novel GRAS transcription factor MIG1. In: Current Biology 26, (24. Okt.2016), doi: 10.1016/j.cub.2016.07.059.
Zum Weiterlesen:
- Die Lizenz zum Knöllchen
- Symbiose sorgt für Phosphor
- Mikroorganismen als Problemlöser
- Aliens im Untergrund
Titelbild: Die meisten Landpflanzen, bzw. deren Wurzeln, leben in einer engen Gemeinschaft mit arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen (grün). (Bildquelle: © Carolin Heck/KIT)