Die Harten im Garten
Die Pflanzengesellschaften im Nahen Osten sind laut einer neuen Studie widerstandsfähiger als erwartet
Forscher untersuchen die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen in Israel auf ausbleibende Niederschläge.
Laut aktueller Klimaprognosen gelten die Ökosysteme im Nahen Osten als stark bedroht. Die Vorhersagen gehen von einem starken Rückgang der Niederschläge in der jetzt schon unter Wasserknappheit leidenden Region aus, mit alarmierenden Auswirkungen auf Vegetation, Ackerbau und Viehwirtschaft. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute lautet: Forscher der Universität Tübingen haben in einem Langzeitexperiment in Israel die Reaktion der Vegetation auf die zunehmende Trockenheit untersucht. Ergebnis: Auch nach neun Jahren mit künstlich erzeugtem Extremwetter war bei den Pflanzen kaum eine Auswirkung zu beobachten.
Der fruchtbare Halbmond
Israel liegt im sogenannten „fruchtbaren Halbmond“. Er erstreckt sich vom unteren Niltal über den Norden der Arabischen Halbinsel bis in das „Zweistromland“ zwischen Euphrat und Tigris im heutigen Irak. Vor allem der Bereich in Meeresnähe profitiert von höheren Niederschlägen im Winter - bis zu 800 mm pro Jahr, während sich südlich die syrische Wüste anschließt. In dieser Region entwickelten sich schon vor mehr als 11.000 Jahren die ersten Ackerbau betreibenden Kulturen, die sich von hier aus auch nach Europa ausbreiteten. Diese Region ist deshalb so interessant, weil in der hier existierenden weltweit einzigartigen Pflanzenzusammensetzung viele Vorfahren unserer heutigen Getreidearten, -sorten und anderer Nutzpflanzen vorkommen und einen wichtigen genetischen Pool darstellen. Zudem wird die Region stark landwirtschaftlich genutzt. Modellierungen über die Auswirkungen des Klimawandels sagen für diese Bereiche eine deutliche Abnahme der Niederschläge und damit die Gefahr schwerer Dürreperioden voraus. Daher gilt die Region in ihrer Biodiversität als hoch gefährdet.
Aufwändiges Langzeitexperiment
Um die Auswirkungen des Klimawandels zu simulieren, richteten die Forscher mehrere Versuchsfelder ein. Die Flächen umfassten entlang eines „Trockenheitsgradienten“ vier Ökosysteme mit ariden, also wüstenähnlichen Bedingungen und 90 mm Niederschlag pro Jahr über semi-aride und mediterrane Bedingungen bis hin zu einem feucht-mediterranen Bereich mit 800 mm Niederschlag pro Jahr. Auf den semi-ariden und mediterranen Flächen wurde der Niederschlag künstlich um bis zu 30 Prozent erhöht oder gesenkt. Die künstlich bewirkten Trockenperioden spiegelten die entsprechenden Klimawandel-Prognosen wider. Diese Bedingungen wurden über neun Jahre aufrecht erhalten.
Parallel wurden jährlich der Biomasse-Zuwachs, die Veränderungen in der Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften sowie in der Vegetationsdichte zum einen im offenen Grasland, zum anderen unter Gebüsch erfasst. Die Daten unter Gebüsch wurden erhoben, da Gebüsch sowohl als Konkurrent um Wasser und Nährstoffe auftritt, als auch das Mikroklima verändert (Windschutz, mehr Schatten). Besonderes Augenmerk lag auf einjährigen Pflanzen (annuelle Pflanzen), da sie einen Großteil der lokalen Vegetation ausmachen und durch ihre kurzen Generationszyklen schneller auf Veränderungen reagieren als mehrjährige Pflanzen. Abgeglichen wurden diese Untersuchungen mit Kontrollfeldern vor Ort sowie mit Flächen, die ähnliche natürliche Bedingungen wie auf den Versuchsfeldern aufwiesen.
Kaum eine Veränderung
Es zeigte sich, dass trotz der vielfältigen künstlichen Beeinflussungen kaum eine Veränderung bei den Pflanzen auftrat. Lediglich bei bewässerten Flächen in semi-ariden Gebieten unter Gebüsch gab es einen Zuwachs an Biomasse. Die Forscher führten diese Ergebnisse darauf zurück, dass die künstlich herbeigeführten Veränderungen noch im „Wohlfühlbereich“ der Pflanzen lagen. Das weist darauf hin, dass diese Pflanzen eine erheblich größere Bandbreite von Anpassungsmöglichkeiten an extreme Situationen haben als bisher angenommen. Die Pflanzen, die hier vorkommen, leben seit Jahrtausenden mit starken Schwankungen im Niederschlag und langen Trockenphasen, die sich möglicherweise auch in der biblischen Geschichte der sieben Dürrejahre widerspiegeln. Eine von den Forschern angeführte, mögliche Anpassung ist beispielsweise die Fähigkeit von Annuellen, als Samen im Boden trockene Zeiten zu überdauern. Dazu bilden verschiedene Arten große Samen aus, die eine bessere Überlebensfähigkeit besitzen. Zu dieser Gruppe gehören unter anderem Vorfahren heutiger Getreidesorten.
Auch „lang“ könnte zu kurz sein
Die Ergebnisse zeigen: Die hier untersuchten Pflanzen haben eine Jahrtausende lange Selektion durchlaufen und dürften daher von den prognostizierten Veränderungen durch den Klimawandel nicht allzu stark beeinflusst werden. Trotzdem geben diese Ergebnisse, obwohl sie über den Zeitraum von nahezu einem Jahrzehnt durchgeführt wurden, nur einen Überblick über eine relativ kurze Zeitspanne. Die Forscher weisen darauf hin, dass extreme Ereignisse über einen langen Zeitraum trotzdem deutliche Veränderungen der Pflanzenzusammensetzung bewirken könnten, die sich in diesen Versuchen (noch) nicht zeigen. Daher müssen Experimente mit längerer Dauer durchgeführt werden, um die Auswirkungen des Klimawandels möglichst genau abschätzen zu können und ihnen rechtzeitig effektiv und kostensparend entgegen zu wirken.
Quelle:
Tielbörger, K. et al. (2014): Middle-Eastern plant communities tolerate 9 years of drought in a multi-site climate manipulation experiment. In: Nature Communications Vol 5, (6. Oktober 2014), doi:10.1038/ncomms6102.
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Titelbild: Landschaft im Norden Israels: Regenreiche und sehr trockene Gebiete liegen hier nah beieinander. (Bildquelle: © larisap - Fotolia.com)