Dufte Kommunikation

Pflanzen rufen Krabbenspinnen zu Hilfe

07.05.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Indem Krabbenspinnen Raupen fressen, helfen sie der Blütenpflanze. (Bildquelle: © Anina C. Knauer)

Indem Krabbenspinnen Raupen fressen, helfen sie der Blütenpflanze. (Bildquelle: © Anina C. Knauer)

Krabbenspinnen lauern in Blüten auf Beute. Dabei machen sie auch Jagd auf die für die Pflanzen wichtigen Bestäuber. Forscher konnten jetzt nachweisen, dass die Spinne der Pflanze bei Bedrohung durch Fressfeinde auch zu Hilfe eilt, angelockt von ihrem „duftenden“ Alarmruf.

Die Beziehungen in Ökosystemen sind vielschichtig und nicht immer einfach zu erklären. Veränderungen, zum Beispiel durch den Wegfall einer Art, können das gesamte Gefüge gefährlich ins Wanken bringen. Besonders deutlich wird das bei der Schädlingsbekämpfung: Das Verschwinden einer vermeintlich schädlichen Art hat möglicherweise eine starke Vermehrung einer anderen Spezies zur Folge, die dadurch ihrerseits zum Schädling wird. Wichtig ist daher zu erkennen, in welcher ökologischen Beziehung die einzelnen Arten untereinander stehen. Denn nicht alles, was negativ erscheint, ist es letztlich auch. Ein Forschungsteam hat jetzt z. B. die Interaktion zwischen Blütenpflanzen und einer auf ihnen lebenden, vermeintlich schädlichen Spinnenart untersucht.

Kleiner Räuber

Die Krabbenspinne Thomisus onustus kommt in Deutschland hauptsächlich im wärmeren Südwesten vor und ist ansonsten selten. Sie lebt räuberisch auf den Blüten verschiedener Wildpflanzen und ernährt sich hauptsächlich von Blütenbesuchern wie Bienen und anderen Bestäubern. Dazu nutzt sie einen Trick: Sie „belauscht“ die Kommunikation der Pflanzen mit den Bienen, indem sie dem von der Blüte ausgesendeten Duft folgt und sich an der „Duft-Quelle“ auf die Lauer legt.

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Auf den Blüten sitzend, lauern Krabbenspinnen auf ihre Beute.

Auf den Blüten sitzend, lauern Krabbenspinnen auf ihre Beute.

Bildquelle: © Anina C. Knauer

Viele Bienenarten sind allerdings in der Lage, die Spinne rechtzeitig zu entdecken und „gefährliche“ Blüten zu meiden. Aber egal, ob Abschrecken oder Abfangen - die Anwesenheit der Krabbenspinne auf einer Blüte kann deren Bestäubung verhindern.

Komplexe Zusammenhänge

Nun fragte sich das Forschungsteam, ob die Pflanze vielleicht auch Vorteile vom Besuch der Krabbenspinne haben könnte. Denn die Spinnen sind Generalisten: Sie fressen prinzipiell alles, was ihnen vor die Kieferklauen kommt. Das können Bestäuber, aber auch Fressfeinde der Pflanze sein. Daher könnte die Anwesenheit einer Spinne der Pflanze bei einem Befall mit Herbivoren eventuell auch nützen.

Um den komplexen Beziehungen auf die Spur zu kommen, untersuchte das Team die Blüten des in den Alpen heimischen Glatt-Brillenschötchens (Biscutella laevigata). Vier Vorkommen dieser Art, jeweils zwei in der Schweiz und in Italien, wurden dazu ausgewählt. Pro Region untersuchten die Forscher jeweils eine Population im Tiefland und eine im höheren Bergland. Da die Krabbenspinne nur in den Tiefland-Regionen vorkam, dienten die Populationen im Bergland als sogenannte Negativ-Kontrolle.

Spinnen als Bestäubungs-Verhinderer?

Als erstes richtete das Forschungsteam seine Aufmerksamkeit auf den Blütenduft. Auf welche chemische Komponente des Pflanzendufts reagieren die Spinnen und Bestäuber? Über Auswahl-Experimente zeigte sich, dass es hauptsächlich der Duftstoff β-Ocimen ist, der sowohl Bienen als auch Krabbenspinnen anlockt.

In einem weiteren Experiment konnten die Forscher nachweisen, dass die Anwesenheit von Krabbenspinnen auf der Blüte tatsächlich die Bestäubung negativ beeinflusste, da die Bienenbesuche bei Anwesenheit der Spinne deutlich zurückgingen. Trotzdem wurde die Samenbildung pro Pflanze insgesamt nur wenig beeinflusst: Das Glatt-Brillenschötchen hat pro Blüte lediglich zwei Samenanlagen, für die nur wenige Pollen für eine erfolgreiche Befruchtung nötig sind. Das klappte offenbar auch trotz der anwesenden Spinnen.

Nachteile können auch Vorteile sein

Um zu ergründen, aus welchen Tieren die hauptsächliche Beute der Krabbenspinnen besteht, beobachtete man das Verhalten der Spinnen auf Versuchsfeldern. Jeden Morgen wurden auf den Blüten drei Raupen der Kohlschabe (Plutella xylostella) ausgesetzt. Abends wurden die Überlebenden gezählt. Offenbar machten die Spinnen dort reiche Beute: 89,9 Prozent der ausgesetzten Raupen wurden gefangen und verspeist. Dementsprechend gingen der Schaden an den Blüten und die Ausfälle bei der Samenbildung im Vergleich zu den Kontrollblüten im Bergland (mit Raupen und ohne Spinne) deutlich zurück.

Bei der Samenbildung zeigten sich noch weitere Unterschiede:

  • Ohne Raupenbefall reduziert die Anwesenheit von Spinnen tatsächlich die Samenbildung.
  • Sind Spinnen jedoch präsent, führt ein Raupenbefall nicht zu einer zusätzlichen Abnahme bei der Samenbildung.
  • Hingegen kommt es bei einem Raupenbefall ohne Abwehrhilfe durch die Spinnen zu deutlichen Verlusten bei der Samenbildung.
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Krabbenspinnen fressen zwar auch Bienen, helfen aber den Pflanzen bei Schädlingsbefall.

Krabbenspinnen fressen zwar auch Bienen, helfen aber den Pflanzen bei Schädlingsbefall.

Bildquelle: © Anina C. Knauer

Spinnen als Helfer

Die Pflanzen profitieren demnach von den Spinnen: Sobald Fressfeinde die Blüten „angreifen“, können die Spinnen durch Jagd auf die Herbivoren Schäden an der Blüte verhindern. Dadurch fördern die Achtbeiner indirekt die Samenbildung.

Damit stand die Frage im Raum, ob die Pflanze diese „Dienstleistung“ der Spinnen auch gezielt lenken kann. Und tatsächlich konnten die Forscher nachweisen, dass mit Raupen „besetzte“ Pflanzen ihren Ausstoß von β-Ocimen deutlich erhöhten und damit die Spinnen verstärkt zu den Blüten lockten. Zugleich entschieden sich die Spinnen im Experiment vorzugsweise für mit Raupen befallene Pflanzen.

Dies traf aber nicht für die Bergpopulationen dieser Pflanze zu: Diese erhöhten auch nach der Invasion mit Raupen kaum den Ausstoß von β-Ocimen. Auch die Spinnen zeigten bei Auswahlexperimenten mit befallenen Tiefland- und Berglandpflanzen eine deutliche Vorliebe für die Tieflandpflanzen.

Die Forscher schlossen daraus, dass die Tieflandpflanzen sich an die Anwesenheit der Spinnen angepasst und eine Duft-Kommunikation mit ihnen aufgebaut haben. Dieser „Trick“ hat sich bei den Berglandpflanzen mangels Spinnen evolutionär nicht entwickeln können.

Mehr Freund als Feind

Damit war klar, dass die Anwesenheit der Krabbenspinnen für die Pflanzen mehr Vor- als Nachteile hat. Die Pflanzen nutzen die Spinnen als Schädlingsabwehr, auch wenn einige Bestäuber dadurch das Nachsehen haben. Damit ist einmal mehr bewiesen, dass die Interaktionen innerhalb eines Ökosystems wesentlich komplexer sind als es oft erscheint. Es ist gerade im Hinblick auf Schädlingsbekämpfung wichtig, diese Interaktionen zu verstehen, bevor bestimmte Arten vorschnell bekämpft werden. Das ökologische Gleichgewicht könnte stärker beeinträchtigt werden als gedacht, mit unkalkulierbaren Folgen für Natur und auch Ökonomie.


Quelle:
Knauer, A.C. et al. (2018): Crab spiders impact floral-signal evolution indirectly through removal of florivores. In: Nature Communications 9, 1367 (2018), (10. April 2018), doi:10.1038/s41467-018-03792-x.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Indem Krabbenspinnen Raupen fressen, helfen sie der Blütenpflanze. (Bildquelle: © Anina C. Knauer)