Freie Kombinierbarkeit von Genen

Die Genschere lässt Mendels Vision wahr werden

31.07.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mit der Genomeditierung können nicht nur einzelne Basen des DNA-Stranges verändert oder deletiert werden – es können auch Chromosomen durch Inversionen und Translokationen neu strukturiert werden. (Bildquelle: © Arek Socha / Pixabay)

Mit der Genomeditierung können nicht nur einzelne Basen des DNA-Stranges verändert oder deletiert werden – es können auch Chromosomen durch Inversionen und Translokationen neu strukturiert werden. (Bildquelle: © Arek Socha / Pixabay)

Einige Gene werden immer gemeinsam vererbt, weil sie in enger Nachbarschaft auf einem Chromosom liegen. Doch nun ist es auch möglich, mit der Genschere CRISPR/Cas die Pflanzengenome zu restrukturieren. Gene bzw. Eigenschaften von Kulturpflanzen können dann frei kombiniert werden - "gute" und "schlechte" Gene werden bei Kreuzungen getrennt.

Gregor Mendel (1822-1884), der Vater der Vererbungslehre, war noch der Meinung, dass alle Eigenschaften einer Pflanze frei kombinierbar seien. Aber weit gefehlt. Denn bisher stehen Züchter oft vor dem Problem, dass Gene für günstige und ungünstige Eigenschaften sehr nah beieinander liegen und daher auch zwangsläufig gemeinsam vererbt werden.

Chromosomen „mischen“

Holger Puchta vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat sich hierzu bahnbrechende Lösungen einfallen lassen. Auch er verwendet die Genschere CRISPR/Cas, aber anders: Mit Hilfe einer induzierten Translokation von Chromosomenteilen gelang es ihm schon, Teile zweier Chromosomen bei der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) auszutauschen.

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Holger Puchta setzte als erster Wissenschaftler molekulare Scheren zur Genomveränderung bei Pflanzen ein.

Holger Puchta setzte als erster Wissenschaftler molekulare Scheren zur Genomveränderung bei Pflanzen ein.

Bildquelle: © Sandra Göttisheim, KIT

Somit könnten ungünstige Verbindungen von Genen auf einem Chromosom getrennt und stattdessen mehrere gewünschte Gene quasi aneinandergekoppelt werden. „So können Kulturpflanzen mehrere erwünschte Eigenschaften, wie beispielsweise Hitze- und Salzresistenz, gemeinsam vererben“, erklärt Puchta. Mendels Traum wird wahr.

Invertieren von Chromosomenabschnitten

Puchta arbeitet noch an weiteren Möglichkeiten, das Pflanzengenom komplett zu restrukturieren. „Zentromer verschieben oder Arme umdrehen – wir sind Technologie-Entwickler und schauen, was möglich ist,“ so Puchta. Der Arbeitsgruppe gelang es schon, Genomabschnitte mit einer Länge von mehr als einer Millionen Basenpaare zu invertierten, also umzudrehen. Denn kreuzt ein Züchter zwei Linien, von denen eine Linie eine Inversion in einem Chromosom aufweist, finden in diesem Bereich keine Crossingover-Ereignisse statt. Damit sind bei den Nachkommen keine Neukombinationen von nützlichen Genen möglich – eine züchterische Sackgasse.

Exzellenzförderung für Genomrestrukturierung erhalten

Für die Etablierung solcher Techniken zur gezielten Restrukturierung von Pflanzengenomen wird Puchta nun von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) im Rahmen eines Reinhart Koselleck-Projektes gefördert, die höchstdotierte Exzellenzförderung für Personen. Langfristig können dann Pflanzenzüchter:innen den gesamten Genpool einer Spezies nutzen und Kulturpflanzen optimieren.

„Die Arbeiten von Holger Puchta sind wegweisend und tragen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bei“, sagt der Vizepräsident Forschung des KIT, Professor Oliver Kraft. „Wir sind sehr stolz, dass er für seine herausragende Forschung, für die er bereits zwei Advanced Grants des Europäischen Forschungsrats ERC erhalten hat, nun als einer der ersten Pflanzenwissenschaftler überhaupt eines der selten vergebenen Reinhart Koselleck-Projekte eingeworben hat.“