Ganzheitliche Wertschöpfung der Kakaofrucht

Das Projekt "CocoaFruit" will auch Schale und Fruchtfleisch nutzbar machen

24.08.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein Kakaobaum mit den ovalen Kakaofrüchten, die bis zu 30 Zentimeter lang und ein halbes Kilo schwer werden können. (Bildquelle: © Fraunhofer IVV)

Ein Kakaobaum mit den ovalen Kakaofrüchten, die bis zu 30 Zentimeter lang und ein halbes Kilo schwer werden können. (Bildquelle: © Fraunhofer IVV)

Kakaobohnen machen gerade einmal zehn Prozent der Kakaofrüchte aus. Der Rest - Fruchtfleisch und Schale – werden trotz ihrer wertvollen Inhaltsstoffe entsorgt. Das BMBF-Projekt CocoaFruit hat es sich zum Ziel gesetzt, die gesamte Kakaofrucht für die Lebensmittelindustrie nutzbar zu machen. Das soll auch den Kakaobauern aus der Armut helfen.

Pralinen, Weihnachtsmänner, Osterhasen - ganze 9,2 Kilogramm Schokolade isst jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr. Der wichtigste Rohstoff für die Leckerei: Kakaobohnen. Sie stammen vom Kakaobaum (Theobroma cacao L.), der ursprünglich im tropischen Regenwald in Mittel- und Südamerika beheimatet ist. Heute pflanzen auch Bauern in Westafrika und Südostasien Kakaobäume an.

#####1#####
Blick in das Innere einer Kakaofrucht: Mengenmäßig den größten Gewichtsanteil hat die Schale. Das tropisch schmeckende Fruchtfleisch (Pulpe) im Inneren umhüllt die Kakaobohnen.

Blick in das Innere einer Kakaofrucht: Mengenmäßig den größten Gewichtsanteil hat die Schale. Das tropisch schmeckende Fruchtfleisch (Pulpe) im Inneren umhüllt die Kakaobohnen.

Bildquelle: © Fraunhofer IVV

Deren ovalen Früchte können bis zu 30 Zentimeter lang und ein halbes Kilo schwer werden. Doch die Kakaobohnen machen nur einen kleinen Teil davon aus: etwa zehn Prozent des Fruchtgewichtes. Weitere zehn Prozent entfallen auf das tropisch schmeckende Fruchtfleisch (Pulpe). Die Schale stellt mit 80 Prozent den größten Anteil. Doch trotz ihrer wertvollen Inhaltsstoffe, wie Proteine, Pektine und Ballaststoffe, landen die beiden letzten Fraktionen aktuell im Müll. Das ist aus zwei Gründen problematisch: Den Bauern geht wertvolles Einkommen verloren und die auf den Feldern liegen gelassenen Schalen tragen dazu bei, Krankheiten der Kakaobäume zu verbreiten.

Das geht besser, dachten sich die Wissenschaftler:innen vom Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising bei München, dem Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) in Gießen und dem Indonesian Coffee and Cocoa Research Institute (ICCRI) in Jember, Indonesien. Das gemeinsame Forschungsprojekt CocoaFruit hat das Ziel, innovative Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten aus Pulpe und Schale zu entwickeln. Dadurch sollen auch zusätzliche Einkommensmöglichkeiten für die Kakaobauern geschaffen werden, von denen viele heutzutage an der Armutsgrenze leben. Das Projekt lief von Juli 2019 bis Dezember 2022.

Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel

Wissenschaftliche Partner:

Industriepartner:

Wie man an der langen Liste von Industriepartnern sehen kann, ist das Interesse an der ganzheitlichen Verwertung von Kakaobohnen groß. Doch was genau kann man aus Pulpe und Schale herstellen?

#####2#####
BIOECONOMY INTERNATIONALSteckbrief: „CocoaFruit“


	Versuchspflanze: Kakaofrucht
	Förderprogramm: „Bioökonomie International“, BMBF
	Laufzeit: 01.07.2019 – 30.06.2022
	Projektpartner: Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME), Indonesian Coffee and Cocoa Research Institute (ICCRI), Alfred Ritter GmbH & Co. KG, Barry Callebaut, Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG, E-Bio Advanced Technology PTE Ltd,  Firmenich SA, ForestFinest Consulting GmbH, Indonesian CocoaBoard (ICB), Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e.V. IVLV, 
	Eintrag in unserer Projektdatenbank: CocoaFriut

BIOECONOMY INTERNATIONALSteckbrief: „CocoaFruit“

  • Versuchspflanze: Kakaofrucht
  • Förderprogramm: „Bioökonomie International“, BMBF
  • Laufzeit: 01.07.2019 – 30.06.2022
  • Projektpartner: Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME), Indonesian Coffee and Cocoa Research Institute (ICCRI), Alfred Ritter GmbH & Co. KG, Barry Callebaut, Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG, E-Bio Advanced Technology PTE Ltd,  Firmenich SA, ForestFinest Consulting GmbH, Indonesian CocoaBoard (ICB), Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e.V. IVLV, 
  • Eintrag in unserer Projektdatenbank: CocoaFriut

Die Pulpe eignet sich aufgrund ihres fruchtig-tropischen Geschmacks vor allem für Getränke und Fruchtzubereitungen. In Südamerika kann man bereits gefrorene Pulpe im Supermarkt kaufen. Auch erste Kakaofirmen fangen an, die Pulpe als interessanten Rohstoff zu entdecken. „Sie hat einen tollen Geschmack und ist in Europa bereits als Lebensmittelzutat zugelassen“, erläutert Susanne Gola die Vorteile. Sie kann als Zutat in Bier, Sekt oder nicht-alkoholischen Getränken genau wie in Konfitüren zum Einsatz kommen. 

Die holzige, faserreiche Schale hingegen ist für die menschliche Verdauung ungeeignet. Sie kann jedoch als Substrat zur Kultivierung von Pilzmyzel genutzt werden. Somit lässt sich eine protein- und ballaststoffreiche Lebensmittelzutat gewinnen, die auch noch reich an essenziellen Aminosäuren ist. Sie könnte die Basis für die Herstellung von Fleischalternativen bilden.

Das Vorgehen

Es wurden drei Ansätze verfolgt, um die Wertschöpfung aus Kakaofrüchten zu erhöhen: die Nutzbarmachung der Schale, die Verwendung der Pulpe, und neue Ideen, wie Inhaltsstoffe aus den Kakaobohnen abseits der Schokoladenindustrie genutzt werden können.

Pulpe in der Waschmaschine

Im Projekt wurde sowohl die chemische Zusammensetzung als auch das Aroma der Pulpe genau bestimmt. Die Aromaanalytik erfolgte mit Hilfe eines besonderen Gas-Chromatographen mit einem sogenannten Sniffing-Port, an dem man jeden einzelnen Aromastoff der Pulpe riechen kann. Dabei fiel auf, dass es je nach Herkunftsland bedeutende Unterschiede gibt. Pulpe aus Indonesien riecht und schmeckt anders als die aus Südamerika oder Afrika.

#####3#####
Wissenschaflter:innen des Fraunhofer IVV und des ICCRI vor dem Haupteingang des ICCRI.

Wissenschaflter:innen des Fraunhofer IVV und des ICCRI vor dem Haupteingang des ICCRI.

Bildquelle: © Fraunhofer IVV

Als nächstes untersuchten die Wissenschaftler:innen, mit welchen Verfahren sich die Pulpe am besten von den Bohnen trennen und haltbar machen lässt. Wichtig dabei: Die Methoden müssen im Anbauland realisierbar sein – kommen also im Idealfall ohne teure Spezialgeräte oder sogar ohne Strom aus. „Es soll nicht dahin gehen, dass die westliche Welt sich die Rohstoffe nimmt und die gesamte Wertschöpfung hier stattfindet“, erläutert Gola den Ansatz. Ein Beispiel gefällig? In Deutschland kommen die Bohnen mit Pulpe in eine teure Passiermaschine, in Bali kam eine einfache Waschmaschinentrommel zum Einsatz, um die Kakaopulpe von den Bohnen abzuschaben.

Ein kritischer Aspekt ist die geringe Haltbarkeit der Pulpe, weshalb verschiedene Methoden zur Stabilisierung untersucht wurden. „Wir konnten zeigen, dass sowohl die Pasteurisierung als auch die Ultrahocherhitzung geeignete Methoden zur Haltbarmachung sind“, sagt Susanne Gola. Etwas besser ist jedoch die Ultrahocherhitzung, denn dabei bleiben die tropischen Aromastoffe besser erhalten. Im Projekt CocoaFruit wurde konkret untersucht, wie Kakaopulpe beispielsweise in Joghurt und Erfrischungsgetränken zum Einsatz kommen kann. Die Kakaokooperative in Bali möchte jetzt die Nutzung der Pulpe vorantreiben, um zusätzliches Einkommen zu generieren.

Schale plus Myzel = Fleischersatz

Anders als die Pulpe ist die Schale nicht direkt für die menschliche Ernährung geeignet. Stattdessen bildet sie ein exzellentes Substrat für das Wachstum von Pilzmyzel. Nachdem die holzig-faserige Schale vom Pilzmyzel durchdrungen worden ist, enthält die Schalen-Myzel-Mischung einen hohen Proteingehalt mit vielen essenziellen Aminosäuren. Aufgrund seiner dunkleren Farbe eignet es sich am besten als Fleischersatz oder Backzutat. Dieses Lebensmittel ist bisher noch nicht auf dem Markt verfügbar, weil Pilzmyzelien unter die Verordnung für Neuartige Lebensmittel (Novel Foods) der Europäischen Union fallen und die neuartige Zutat aus Kakaoschale noch zugelassen werden muss.

Zusätzliche Wertschöpfung aus Kakaobohnen

Schließlich hat sich CocoaFruit auch noch einmal intensiv mit den Kakaobohnen beschäftigt. Denn der normale Verarbeitungsweg sieht so aus: fermentieren, trocknen und rösten. Erst dadurch entsteht das typische Schokoladenaroma.

#####4#####
Wissenschaftler:innen des ICCRI zusammen mit Mitarbeiter:innen der Kakao-Kooperative in Bali nach      erfolgreichem Abschluss ihres gemeinsamen Versuchs zur Gewinnung von Kakaopulpe (diese ist in den drei Flaschen auf dem Tisch abgefüllt).

Wissenschaftler:innen des ICCRI zusammen mit Mitarbeiter:innen der Kakao-Kooperative in Bali nach      erfolgreichem Abschluss ihres gemeinsamen Versuchs zur Gewinnung von Kakaopulpe (diese ist in den drei Flaschen auf dem Tisch abgefüllt).

Bildquelle: © ICCRI

Doch die meisten Bauern in Indonesien sind Kleinbauern mit nur wenigen Kakaobäumen. Sie ernten die Früchte, öffnen sie und lassen sie in der Sonne trocknen. Eine Fermentation kommt dabei nicht in Gang, denn dafür wäre eine große Anzahl Früchte notwendig. Das Problem: Die unfermentierten Bohnen sind für die Schokoladenhersteller nicht so wertvoll, da ihnen das typische Aroma fehlt. Die Bauern erhalten daher weniger Geld.

Es gibt jedoch auch einen Vorteil dieser Vorgehensweise. Die sogenannten Polyphenole in den Kakaobohnen bleiben ohne Fermentation wesentlich besser erhalten. Diese Substanzen haben zahlreiche gesundheitliche Vorteile. Sie sollen vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und anderen Leiden schützen. Im Projekt CocoaFruit wurde daher analysiert, wie sich die Polyphenole aus den Kakaobohnen extrahieren lassen. Durch diese doppelte Nutzung eines Ausgangsstoffes ließe sich das Einkommen der Bauern steigern.

Auch gibt es die Möglichkeit, die frischen Kakaobohnen zu pressen. Dabei entstehen Kakaobutter, ebenfalls Rohstoff für die Schokoladenindustrie, und ein Presskuchen. Die Wissenschaftler:innen von CocoaFruit untersuchten, ob die Kakaobutter von unfermentierten Kakaobohnen mit dem aus fermentierten Bohnen mithalten kann. Besonders wichtig sind ihre Kristallisationseigenschaften, damit die Schokolade bei Raumtemperatur fest ist und erst im Mund schmilzt. Ihr Ergebnis: Die native Kakaobutter aus unfermentierten Bohnen zeigte einen hohen Festfettgehalt und geringe Gehalte an freien Fettsäuren und könnte daher zur Verbesserung der Kristallisation eingesetzt werden.

Ausblick

Jährlich werden etwa 5,2 Millionen Tonnen Kakaofrüchte geerntet, von denen der größte Teil im Abfall landet. Diese riesige Dimension verleiht dem Projekt CocoaFruit eine enorme Relevanz. Wenn es gelänge, Schale und Pulpe für die Produktion von Lebensmitteln zu etablieren, könnte das Einkommen der Bauern steigen und der Kakaoanbau insgesamt nachhaltiger werden. Zurzeit werden die neu entwickelten Produkte bewertet um abzuschätzen, ob die Kommerzialisierung realistisch ist. In einem Folgeprojekt möchten die Wissenschaftler:innen noch weiter am Thema Fermentation forschen. 

#####5#####

Projektvideo: Das Forschungsprojekt »CocoaFruit« – die Kakaofrucht ganzheitlich nutzen (Quelle: © Fraunhofer IVV, 2021)


Ausgewählte Publikationen aus dem Projekt:

Artikel

  • Klis, V.; Bickel Haase, T.: Konfitüre – Müsliriegel –Wurst: Ganzheitliche Nutzung der Kakaofrucht (2022). Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung, 5/2022, p. 150-152
  • Bickel Haase, T.: Interview: Was macht eigentlich…? Nebenströme der Kakaobohnenproduktion, Lebensmittelchemie 76, 161–204 (2022), p. 168-170; https://doi.org/10.1002/lemi.202200504
  • Bickel Haase, T.: Vom Nebenstrom zu schmackhafter Lebensmittelzutat - Kakaopulpe, Food Lab 2022, 5/2022, p. 8-11, https://blmedien.aflip.in/Food-Lab_05_2022.html#page/9

Wissenschaftliche Publikationen

  • Bickel Haase, T.; Schweiggert-Weisz, U.; Ortner, E.; Zorn, H.; Naumann, S. (2021). Aroma Properties of Cocoa Fruit Pulp from Different Origins. Molecules, 26, 7618. https://doi.org/10.3390/molecules26247618
  • Klis, V.; Pühn, E.; Jerschow, J.J.; Fraatz, M.A.; Zorn, H. (2023) Fermentation of Cocoa (Theobroma cacao L.) Pulp by Laetiporus persicinus Yields a Novel Beverage with Tropical Aroma. Fermentation, 9, 533. https://doi.org/10.3390/fermentation906053
  • Bickel Haase et al. (2023), Thermal stabilisation of cocoa fruit pulp — Effects on sensory properties, colour and microbiological stability, Current Research in Food Science, Volume 7, 2023, 100549, https://doi.org/10.1016/j.crfs.2023.100549

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Ein Kakaobaum mit den ovalen Kakaofrüchten, die bis zu 30 Zentimeter lang und ein halbes Kilo schwer werden können. (Bildquelle: © Fraunhofer IVV)