Kann die Natur noch Schritt halten?

Klimawandel lässt Pflanzen früher blühen

30.01.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mitte des 20. Jahrhunderts blühte die Felsenbirne Amelanchier arborea zwischen dem 10. April-9.Mai; Im Jahr 2012 begann sie bereits am 25. März. (Quelle: © Dcrjsr / Wikimedia.org; CC BY 3.0)

Mitte des 20. Jahrhunderts blühte die Felsenbirne Amelanchier arborea zwischen dem 10. April-9.Mai; Im Jahr 2012 begann sie bereits am 25. März. (Quelle: © Dcrjsr / Wikimedia.org; CC BY 3.0)

Aufgrund durchschnittlich höherer Temperaturen beginnen Pflanzen bereits früher Blüten auszubilden. Eine Studie dokumentiert die langfristigen ökologischen Auswirkungen des Klimawandels: Im Osten der USA verschob sich die Blütenbildung seit Beginn der Aufzeichnungen um rund einen Monat. Generell hat sich damit auch die Vegetationsperiode verändert, mit unklaren Folgen.

Wir leben in einer warmen Zeit. Laut Auswertungen der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde (NASA) war das Jahr 2012 eines der zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1880. Die globale Durchschnittstemperatur lag 2012 bei 14,6 Grad Celsius und somit 0,6 Grad über dem Durchschnitt des gesamten 20. Jahrhunderts (NASA, 2013).

"Ein weiteres Jahr und dessen Zahlen sind selbst nicht signifikant", erklärt der Klimatologe Gavin Schmidt, vom NASA Goddard Institute for Space Studies (GISS) in New York. "Was zählt ist, dass dieses Jahrzehnt wärmer ist als das letzten Jahrzehnt und dass dieses wiederum wärmer war als das Jahrzehnt davor. Der Planet erwärmt sich."   

Ökologische Effekte des Klimawandels

Erhöht sich jedoch die durchschnittliche Temperatur stetig, hat dies auch Auswirkungen auf die Ökosysteme und die darin lebenden Pflanzen. Denn Außenfaktoren wie beispielsweise die Temperatur oder die Tageslänge, haben Einfluss auf physiologische Veränderungen. Eine neue Studie belegt, wie entscheidend dabei die Temperatur für die Vegetationsperiode von Pflanzen ist.  

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Die NASA beobachtet die Temperatur der Erdoberfläche seit 1880. Die ersten Aufzeichnungen stammen aus dem Jahr 1880, da es hier erstmals genug meteorologische Stationen auf der ganzen Welt gab, um Daten zur globalen Erwärmung bereitzustellen.

Videoquelle: youtube / © NASA Goddard's Scientific Visualization Studio

Um dem Zusammenhang von Temperatur und Blühzeitpunkt auf den Grund zu gehen und generelle Muster aufzudecken, wertete ein Forscherteam die verfügbaren Daten zweier US-Bundesstaaten aus.

Historische Aufzeichnungen belegen langfristige Veränderungen

Für ihre Studie nutzten die Forscher u.a. Aufzeichnungen der Schriftsteller Henry David Thoreau – er dokumentierte die Blühzeitpunkte in seiner Stadt Concord (Massachusetts) von 1852 bis 1858 – und Aldo Leopold – er verschriftlichte seine Beobachtung von Dane County (Wisconsin) aus den Jahren 1935 bis 1945.  Diese und anderen Aufzeichnungen zur Pflanzenwelt verglichen sie mit Wetterdaten aus dem National Climatic Data Center (NOAA) und dem Wisconsin State Climatology Office.

Mit statistischen Analyseverfahren (Regressionsanalysen) entdeckten die Wissenschaftler eine lineare Beziehung zwischen den beiden untersuchten Faktoren. 

Mit jedem Grad mehr blühen auch die Pflanzen früher

Die Pflanzen in Massachusetts blühten mit jedem Anstieg der durchschnittlichen Frühjahrstemperatur um ein Grad Celsius durchschnittlich drei Tage früher. In Wisconsin sogar vier Tage früher. Die Forscher betrachteten für ihre Studie 32 einheimische Arten (Frühjahrsblüher) in Massachusetts und 23 Arten in Wisconsin.

Anhaltender Trend

Zwischen 1852 und 1858 betrug die durchschnittliche Frühjahrstemperatur in Massachusetts 5,5 Grad Celsius und der 15. Mai war der Tag, an dem die Pflanzen durchschnittlich ihre Blüten ausbildeten. 2010 war dort der wärmste Frühling seit Beginn der Aufzeichnungen: Die Temperatur betrug 11 Grad und durchschnittlich begannen die Pflanzen bereits am 24. April zu blühen. So blühte beispielsweise die Amerikanische Heidelbeere (Vaccinium corymbosum) im Jahr 2010 ganze sechs Woche früher, als noch zu Zeiten von Henry David Thoreau. Auch in Wisconsin waren die Ergebnisse ähnlich.

Über den betrachteten Zeitraum von 161 Jahren hatten sich die Blühzeitpunkte also in beiden Regionen nach vorne verschoben. Fast alle untersuchten Pflanzenarten blühten dabei signifikant früher.

Zudem entdeckten die Forscher, dass Dutzende Pflanzen bei rekordverdächtig hohen Frühjahrstemperaturen auch ihre frühesten Blühzeitpunkte seit Beginn der Aufzeichnungen hatten. Die Wissenschaftler testeten hierfür, ob sie den Zeitpunkt der ersten Blütenbildungen in den außergewöhnlich warmen Jahren 2010 und 2012 durch das berechnete Beziehungsmuster vorhersagen können. Mit Erfolg: Sie konnten die Blühzeitpunkte für fast alle untersuchten Pflanzenarten (außer für drei Arten) treffend aus ihrem Datenmaterial voraussagen.

Kein Ende in Sicht

Die Forscher vermuten sogar, dass dieser beschriebene Trend sich in Zukunft noch weiter fortsetzen könnte. Zumal in Zeiten globaler Erderwärmung ein Sinken der Durchschnittstemperaturen im Frühjahr nicht absehbar ist. Aber:

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In Wisconsin blühte beispw. die Flammenblume Phlox divaricata zur Zeit des Schriftstellers Aldo Leopold etwa zwischen dem 28. April und dem 27. Mai; In 2012 hingegen bereits am 4. April.

In Wisconsin blühte beispw. die Flammenblume Phlox divaricata zur Zeit des Schriftstellers Aldo Leopold etwa zwischen dem 28. April und dem 27. Mai; In 2012 hingegen bereits am 4. April.

Bildquelle: © Jerzy Opiola / Wikimedia.org; CC BY-SA 4.0

Ist die Natur auf solch einen massiven Wandel eingestellt?

Probleme können sich beispielsweise ergeben, wenn zu früh im Jahr hohe Temperaturen das Startsignal zum Wachstum geben, die Pflanzen wie gewohnt Blüten ausbilden und dann unerwartet später Frost einsetzt. Dies lässt sich nicht vorhersehen und schädigt die Pflanzen in ihrer natürlichen Entwicklung. 

Die Ergebnisse werfen viele Fragen auf, die es noch zu untersuchen gilt:

  • Die untersuchte Blühzeitpunktverschiebung und der anhaltende Trend haben auch Einfluss auf die Ökosysteme im Allgemeinen und die zahlreichen Ökosystemfunktionen und -dienstleistungen. Darunter stellt sich die Frage, wie die Produktivität der Pflanzen beeinflusst wird. Auch, wie sich dies auf die Nährstoff- und Kohlenstoffkreisläufe auswirkt. Oder was dies für Bestäuber, wie beispielsweise Bienen und deren Sammelverhalten, bedeutet.
  • Die genetische Ausstattung und die einwirkenden Umwelteinflüssen spielen zusammen und bedingen die Erscheinungsform der Pflanze. Gibt es Grenzen der Anpassung?
  • Einheimische Pflanzen haben sich an das relativ konstante Klima angepasst. Können sie sukzessive von anderen Pflanzen verdrängt werden, die sich in wärmeren Regionen wohl fühlen? Und verändert sich dadurch auch die Flora gewisser Regionen?
  • Interessant ist für uns Menschen auch, wie sich solche Phänomene auf die Landwirtschaft auswirken. Könnte man bei früher einsetzender Vegetationsphase vielleicht sogar zwei Kulturpflanzen hintereinander auf einem Feld anbauen? Oder steigt durch diese Entwicklung eher die Gefahr von Missernten? Denn bei höheren Temperaturen ergibt sich das Problem, dass die Wasserversorgung schwieriger wird und Dürren verstärkt die Pflanzen bedrohen.

Globale Auswirkungen des Klimawandels

Die vorliegende Studie bezog sich lediglich auf Daten aus dem Osten der USA. Der Klimawandel ist allerdings ein globales Phänomen. Die Ergebnisse könnten aber durchaus auch auf andere Länder mit demselben Klima (gemäßigten Klimazone) übertragen werden.

Andere Studien weisen bereits in die gleiche Richtung. So haben deutsche Forscher z.B. herausgefunden, dass Extremwetterereignisse den Blühzeitpunkt von Grünland- und Heidepflanzen in Mitteleuropa ebenfalls nach vorne verschoben haben (Jentsch et al., 2008). Durch den Klimawandel häufen sich extreme Wettereignisse (z.B. Starkregen oder Stürme) und beeinflussen demnach zusätzlich die Entwicklung der Pflanzen.

Auch bei anderen ökologisch bedeutsamen Organismen konnten bereits Veränderungen beobachtet werden. Beispielsweise bei Pilzen: Die Pilzsaison hat sich in Europa seit 1970 verlängert und generell nach hinten verschoben (Kauserud et al., 2012). 


Quellen:

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Mitte des 20. Jahrhunderts blühte die Felsenbirne Amelanchier arborea zwischen dem 10. April-9.Mai; Im Jahr 2012 begann sie bereits am 25. März. (Quelle: © Dcrjsr / Wikimedia.org; CC BY 3.0)