Robuster durch Priming
Das Projekt „PrimedPlant“
Sogenannte geprimte Pflanzen reagieren schneller und stärker auf Stressfaktoren. Könnte man dieses Phänomen nutzen, um auch Kulturpflanzen durch Züchtung gezielt widerstandsfähiger gegen Krankheitserreger und Extremwetter zu machen?
Der Anbau widerstandsfähiger Sorten sowie die Verwendung biologischer Alternativen zu chemischen Pflanzenschutzmitteln sind Ansatzpunkte, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Dafür könnte auch ein Phänomen nützlich sein, dass man schon länger kennt: Priming.
Darunter versteht man einen durch bestimme Substanzen ausgelösten physiologischen Zustand, der Pflanzen schneller und stärker auf Stress reagieren lässt. Geprimte Pflanzen sind sozusagen auf solche Situationen schon vorbereitet, bevor sie eintreten. Und damit widerstandsfähiger gegen Krankheitserreger oder extreme klimatische Situationen. Doch wie kann man dieses Phänomen auch gezielt in der Pflanzenzüchtung nutzen? Dieser Frage geht das Forschungsprojekt „PrimedPlant“ am Beispiel von Gerste (Hordeum vulgare) nach.
Das Verbundprojekt „PrimedPlant“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“ gefördert. Die erste Projektphase lief von 2016 bis 2019. Dieses Jahr ist die zweite Projektphase gestartet, die noch bis 2023 läuft.
Die Projektpartner und Ziele
Wissenschaftliche Partner:
- Justus-Liebig-Universität Gießen – Institut für Phytopathologie: Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel
- Julius Kühn-Institut (JKI) – Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik (Braunschweig): Dr. Adam Schikora, apl. Prof. Dr. Kornelia Smalla, Dr. Yvonne Becker, Dr. Wolfgang Maier
- Julius Kühn-Institut (JKI) – Institut für Resistenzforschung und Stresstoleranz (Quedlinburg): Prof. Dr. Frank Ordon, Dr. Gwendolin Wehner
- Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben: Dr. Armin Djamei
Industriepartner (ab der 2. Phase):
- Ackermann Saatzucht GmbH
- Limagrain GmbH
- ABiTEP GmbH
Priming, das ist bereits bekannt, kann durch verschiedene Stoffe hervorgerufen werden, z. B. durch Chemikalien wie Salicylsäure oder bestimmte Aminosäuren. „Was wir jetzt aber machen wollen, ist zu untersuchen, ob wir die intrinsische Fähigkeit der Pflanze geprimet zu sein, auch gezielt für die Züchtung resistenterer Sorten nutzen können“, erklärt der beteiligte Wissenschaftler Dr. Adam Schikora vom Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik am Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig.
Die dabei verfolgte Strategie des Projektes lassen sich kurz so zusammenfassen:
Gerste ist nicht Gerste. Auch was die Eigenschaft angeht, durch Priming widerstandsfähiger zu werden. Daher will das Projektteam Gersten-Kultivare identifizieren, die besonders gut primebar sind. Zugleich soll die Frage beantwortet werden, welche genetischen Elemente der Gerste daran beteiligt sind. Pflanzen mit dem höchsten Priming-Potenzial können dann später gezielt für die Züchtung widerstandsfähigerer Sorten genutzt werden.
Nicht die Applikation von Chemikalien auf dem Feld soll das Priming auslösen. Stattdessen verfolgt das Projektteam das Ziel, dafür natürliche Bodenmikroorganismen zu nutzen. Denn es ist bereits bekannt, dass auch das Bodenmikrobiom Priming-induzierende Eigenschaften besitzt. Nun will das Projekt jene Mitglieder von mikrobiellen Gemeinschaften identifizieren, die zum Priming-Phänomen besonders effektiv beitragen. Mit einem extra „Boost“ an förderlichen Mikroorganismen auf dem Feld könnte der Effekt so zusätzlich „aufgefrischt“ werden.
Das Vorgehen
Screening von 200 Geste-Linien und Primingtests
Zu Beginn des Projektes testete das Projektteam an 200 Linien, ob und in welchem Maß die unterschiedlichen Genotypen primebar sind. Dafür wurden bestimmte bakterielle Moleküle als Induktoren eingesetzt. Es handelt sich dabei um N-Acyl-Homoserin-Lactone aus dem Knöllchenbakterium Ensifer meliloti. Die behandelten Pflanzen wurden dann Schadpilzen und Schadinsekten ausgesetzt und die Reaktionen darauf analysiert.
Die phänotypischen Veränderungen der 200 Linien erfasst der Projektpartner von der Universität Gießen. Der äußerliche Blick verrät bereits, welche Pflanzen sich gegen Stressfaktoren wehren können und welche nicht. Das JKI in Braunschweig analysiert darüber hinaus, welche physiologischen Reaktionen durch den Stress hervorgerufen werden. Hier steht die Frage im Vordergrund, wie sich die Biochemie durch den Stress verändert.
Durch automatische Screenings der Interaktion von Pflanze und Pathogenen am IPK werden quantitative Aussagen möglich, wie resistent die Pflanzen gegen den Mehltauerreger sind.
Analyse von Pathogenen und Mikrobengemeinschaften
Zusätzlich soll in der zweiten Phase des Projektes das Boden-Mikrobiom genauer analysiert werden. Das JKI untersucht, ob es sich ändert, wenn die Priming-induzierenden Bakterien hinzukommen und ob die Pflanzen-assoziierten Mikrobiome sich bei geprimten und nicht-geprimten Pflanzen unterscheiden. Auch könnte das sortenspezifische Mikrobiom synergistisch oder antagonistisch zu den Priming-induzierenden Mikroben sein. Neben Bakterien wird an der Universität Gießen auch der Effekt von förderlichen (endophytischen) Pilzen auf das Phänomen untersucht.
Genomweite Assoziationsstudien
Um herauszufinden, welche genetischen Eigenschaften für ein Priming essentiell sind, führte das JKI in Quedlinburg Genomweite Assoziationsstudien (kurz: GWAS) an den 200 Test-Linien durch. Ziel war es, bestimmte Abschnitte im Genom (QTLs) zu identifizieren, die nach dem Befall mit Rostpilzen aktiviert werden. Daraus lassen sich zukünftig molekulare Marker für die gezielte Züchtung primebarer Pflanzen ableiten. Aber auch die Erkenntnisse, welche genetischen Faktoren eine Pflanze nicht primebar machen, sind ebenfalls wertvoll.
In der zweiten Projektphase steht die Frage im Vordergrund, ob identifizierte Genombereiche für das Priming generell oder nur für das Priming gegen bestimmte Pathogene verantwortlich sind. Dazu werden noch weitere Pathogene in die Untersuchungen in Quedlinburg und Gießen einbezogen.
Gewächshaus- und Feldversuche
Die untersuchten Pflanzen sind bislang in „gewöhnlichen“ Gewächshäusern der beiden Julius Kühn-Institute und in Gießen herangezogen und analysiert worden. In Zukunft kann das Team auch eine phänotypische Plattform (HAS-RSDS) in Szeged (Ungarn) nutzen. Hier werden automatisierte und nicht-invasive Bildgebungstechnologien zum Einsatz kommen, um das Pflanzenwachstum und die Entwicklung der geprimten Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen bis hin zum Reifestadium zu vermessen.
In der zweiten Projektphase beginnen zusätzlich Feldversuche an zwei Standorten (in Bayern und Niedersachsen), die von den Industriepartnern unterstützt werden. Für die Feldversuche hat das Projektteam zwei Referenzsorten – wovon eine bereits sequenziert ist – und fünf Gerste-Linien ausgewählt, die unterschiedlich empfänglich für Priming sind. Nach der Aussaat werden die Pflanzen zusätzlich mit Priming-induzierenden Bakterien über das Gießwasser versorgt.
Ziel ist es, zu untersuchen, wie die unterschiedlichen Genotypen unter Feldbedingungen reagieren. Denn hier kommen die Pflanzen auch mit dem natürlichen und standortspezifischen Mikrobiom in Berührung. Kann sich der Priming-Effekt bei der Vielzahl an Mikroben im Boden durchsetzen? Zusätzlich soll untersucht werden, welchen Einfluss unterschiedliche Bodentypen und klimatische Verhältnisse haben.
Die Ergebnisse
In der ersten Projektphase (2016-2019) konnte das Team bereits zeigen, dass Priming von Gerste mithilfe von Knöllchenbakterien (Ensifer meliloti) möglich ist. Die Pflanzen zeigten eine höhere Widerstandkraft gegen verschiedene Krankheitserreger wie Mehltau und Zwergrost sowie Schädlinge wie Blattläuse. Die geprimten Gerstenpflanzen zeigten auch deutliche phänotypische Veränderungen. Am auffälligsten war, dass sie mehr Wurzelmasse produzierten. Das deutet auf eine gesteigerte Anpassungsfähigkeit gegenüber Trockenheit hin. „Das wurde bisher jedoch nicht getestet und ist eine Fragestellung, der das Team jetzt gern noch nachgehen möchte“, erklärt Schikora.
Ein weiteres Ergebnis ist, dass der Effekt stark vom jeweiligen Genotyp abhängt. Einige Linien ließen sich gut primen, andere überhaupt nicht. Diese Diversität ermöglicht markergestützte genetische Analysen (GWAS), mittels derer zwei spezifische Genomabschnitte bzw. sogenannte „quantitative trait loci“ (QTLs) für die Reaktion auf das Priming identifiziert wurden. Nun sollen diese QTLs und die angrenzenden Gene weiter untersucht werden, um molekulare Marker für die gezielte Züchtung widerstandsfähiger Sorten zu entwickeln.
Das Projekt beweist: Das Phänomen ist für die Züchtung interessant, da es eine genetische Komponente gibt. Auch sind heimische Bodenbakterien als Induktoren für das Priming wirksam. Eine praktische Anwendung dieses neuen Konzepts erscheint daher nur eine Frage der Zeit.
Publikationen aus dem Projekt:
- Shrestha, A. et al. (2019): Genetic Differences in Barley Govern the Responsiveness to N-Acyl Homoserine Lactone. In: Phytobiomes Journal, (23. Juli 2019), doi: 10.1094/PBIOMES-03-19-0015-R.
- Wehner, G. et al. (2019): Priming Is a Suitable Strategy to Enhance Resistance Towards Leaf Rust in Barley. In: Phytobiomes Journal, (25. April 2019), doi: 10.1094/PBIOMES-09-18-0041-R.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Priming, Gerste und das „Schön-Wetter-Experiment“ - Interview mit Dr. Adam Schikora
- Eine grüne Zukunft gestalten - Förderprogramm „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“ startet durch
- Der heilige Gral der Pflanzenforschung - Neue Möglichkeit entdeckt, Pflanzen widerstandsfähiger zu machen
- Genom der Gerste sequenziert - Basis für schädlingsresistente und qualitätsverbesserte Sorten
Titelbild: Zellen (Myzel) vom Schadpilz Blumeria graminis auf einem Gerstenblatt. (Bildquelle: © Dimitar Kostadinov Douchkov / IPK Gatersleben)
PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationalen Förderinitiativen: "Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie I & II", "Nutzpflanzen der Zukunft" und "Innovative Pflanzenzüchtung im Anbausystem (IPAS)".
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030