Priming, Gerste und das „Schön-Wetter-Experiment“

Interview mit Dr. Adam Schikora

04.06.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wir sprachen mit Adam Schikora vom Julius Kühn-Institut in Braunschweig. (Bildquelle: © JKI)

Wir sprachen mit Adam Schikora vom Julius Kühn-Institut in Braunschweig. (Bildquelle: © JKI)

Das Forschungsprojekt „PrimedPlant“ startete kürzlich in die zweite Projektphase. Zuvor hatte das Team bei Experimenten herausgefunden, dass Priming die Widerstandsfähigkeit von Gerste gegen gefürchtete Krankheiten wie Mehltau und Zwergrost steigern kann. Funktioniert das auch unter realen Anbaubedingungen? Feldversuche sollen das jetzt bestätigen. Wir sprachen darüber mit Dr. Adam Schikora vom Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Braunschweig.

Pflanzenforschung.de: Sie erforschen im BMBF-Projekt „PrimedPlant“ das Phänomen des Primings. Was versteht man darunter?

Dr. Schikora: Priming bewirkt, dass Pflanzen schneller und stärker auf Stress reagieren können, etwa bei einer Infektion mit Krankheitserregern oder Trockenheit. Die Pflanzen sind durch Priming „vorgewarnt“. Man könnte das im übertragenen Sinne mit dem menschlichen Immunsystem vergleichen. Wenn wir schon die richtigen Antikörper in uns tragen – das Thema ist ja gerade in Zeiten von Corona sehr aktuell – dann können Pathogene wie Viren problemlos abgewehrt werden.

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Steckbrief: „PrimedPlant” 


	Versuchspflanze: Gerste 
	Förderprogramm: „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“, BMBF
	Laufzeit: Phase 1: 2016 - 2019; Phase 2: 2020 - 2023
	Projektpartner: JLU, JKI, IPK, Ackermann, Limagrain, ABiTEP
	Eintrag in unserer Projektdatenbank: „PrimedPlant” (Phase 2)

Steckbrief: „PrimedPlant”

  • Versuchspflanze: Gerste
  • Förderprogramm: „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“, BMBF
  • Laufzeit: Phase 1: 2016 - 2019; Phase 2: 2020 - 2023
  • Projektpartner: JLU, JKI, IPK, Ackermann, Limagrain, ABiTEP
  • Eintrag in unserer Projektdatenbank: „PrimedPlant” (Phase 2)

Pflanzenforschung.de: So wie eine Impfung?

Dr. Schikora: Der Mechanismus ist zwar komplett anders, aber konzeptuell ähnlich. Man gibt der Pflanze die Möglichkeit, sich besser zu wehren. Der Zustand eines aktiven Primings bedeutet, dass die Pflanzen durch den Kontakt mit bestimmten Stoffen, beispielsweise bestimmten Chemikalien oder bakteriellen Komponenten, in einen Alarmzustand versetzt werden. Kommt dann ein Krankheitserreger, ist die Pflanze darauf schon weitgehend vorbereitet und abwehrbereit.

Pflanzenforschung.de: Was wollen Sie über das Phänomen herausfinden und warum haben Sie als Versuchspflanze Gerste gewählt?

Dr. Schikora: Das Phänomen kennen wir schon länger. Was wir noch nicht wissen ist, welche genetischen Faktoren bei den Pflanzen hier eine Rolle spielen. Nicht in jedem Genotyp kann Priming gleich gut aktiviert werden. Natürlich kann man das auch mit Modellpflanzen wie Arabidopsis thaliana erforschen, aber die möchte man nicht unbedingt essen (lacht). Wir wollten eine Nutzpflanze verwenden und das JKI-Institut für Resistenzforschung und Stresstoleranz in Quedlinburg, ein Partner in unserem Projekt, hat einen sehr großen genetischen Pool mit vielen Gerste-Genotypen. An diesem Fundus wollten wir unsere Hypothesen testen, zumal dieses Getreide in Deutschland von großer Bedeutung ist.

Pflanzenforschung.de: Welche Hypothesen?

Dr. Schikora: Wir haben uns erstens gefragt, ob man Gerste überhaupt primen kann. Und zweitens, ob wir die verantwortlichen Faktoren im Genom der Pflanze finden können. Unsere Annahme am Anfang des Projektes war: Wenn wir diese beiden Fragen mit „ja“ beantworten können, dann könnten wir anhand der genetischen Eigenschaften vorhersagen, welche Pflanzen bzw. Pflanzenlinien Priming zeigen. Dann könnten Züchter diese Eigenschaft gezielt selektieren und am Ende den Landwirten primebare Sorten anbieten. Das ist unser Ziel.

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Forschung in Bildern: Klicken Sie sich hier auch durch unsere Bildstrecke zum Thema!

Forschung in Bildern: Klicken Sie sich hier auch durch unsere Bildstrecke zum Thema!

Bildquelle: © Yvonne Becker / JKI Braunschweig

Pflanzenforschung.de: Welchen Auslöser für das Priming verwenden Sie im Projekt?

Dr. Schikora: Da kommen wir zu meinem speziellen Fachgebiet, in dem ich am Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik arbeite: Wir wollen untersuchen, inwiefern im Boden vorkommende Bakterien diesen Job übernehmen. Diese produzieren spezielle Signalmoleküle für die Kommunikation untereinander. Doch Pflanzen können „zuhören“ und darauf reagieren. Wenn also ein passendes Mikrobiom im Boden die Pflanze primen kann, dann brauchen Landwirte später auch keine Chemikalien für das Priming einsetzen.

Pflanzenforschung.de: Sind das spezielle Bakterien?

Dr. Schikora: Nein. Wir benutzen als Modell ganz „normale“ Knöllchenbakterien, die in unseren heimischen Böden natürlicherweise zu finden sind, und von denen wir wissen, dass sie Priming auslösen können.

Pflanzenforschung.de: Wie sind sie dabei vorgegangen?

Dr. Schikora: Wir haben zunächst die Gerste vor der Keimung mit einem Bakterienstamm „beimpft“ – wir nennen das Inokulation – von dem wir wissen, dass er Priming induziert. Dann kommt es auf das Anbausystem an: Im Gewächshaus haben wir sie zwei Mal inokuliert und dann untersucht. Auf dem Feld werden zunächst die Samen inokuliert und ausgesät. Dann versorgen wir sie dort noch zusätzlich mit den förderlichen Bakterien, indem wir die Pflanzen mit Wasser gießen, das die Bakterien enthält. Es trifft sich ganz gut, dass wir heute miteinander sprechen, weil wir gerade ein kleines Feldexperiment bei uns angefangen haben.

Wir haben in der ersten Projektphase von 2016 bis 2019 herausgefunden, dass Gerste sehr wohl primebar ist. Die behandelten Pflanzen waren widerstandsfähiger gegen Krankheitserreger, die Mehltau und Zwergrost verursachen. Aber auch gegenüber Schadinsekten. Diese Erkenntnisse wollen wir in der zweiten Phase nun auch im Feld testen.

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So sieht das "Schön-Wetter-Expertiment" am JKI Braunschweig aus.

So sieht das "Schön-Wetter-Expertiment" am JKI Braunschweig aus.

Bildquelle: © Adam Schikora / JKI Braunschweig

Pflanzenforschung.de: Wieso sind noch Feldversuche notwendig?

Dr. Schikora: Wir wollen untersuchen, wie sich die geprimte Gerste unter natürlichen Bedingungen verhält. Was im Labor und Gewächshaus funktioniert, muss nicht notwendigerweise auch auf dem Feld funktionieren. Daher planen wir große Feldversuche an zwei Standorten, in Nord- und in Süddeutschland. Sie unterscheiden sich nicht nur in den Böden und damit auch im jeweils vorhandenen Mikrobiom, sondern auch in der Anbaugeschichte und dem Klima.

Pflanzenforschung.de: Haben sie auch schon die genetischen Faktoren gefunden, die Gerste primebar machen?

Dr. Schikora: Ja, wir haben zwei Regionen im Erbgut gefunden, die für das Priming nötig sind. Das ist wichtig, um molekulare Marker für die Züchtung zu entwickeln. Aber die zweite Projektphase läuft jetzt erst an und die aktuelle Lage mit dem Coronavirus hat alles etwas verzögert. Aber wir sind froh, dass wir zumindest den kleinen Feldversuch bei uns starten konnten: Intern nennen wir ihn unser „Schön-Wetter-Experiment“ – dafür kamen alle gern aus dem Home-Office, um mit zwei Metern Abstand die Gerste auf dem Feld auszusäen.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei Ihrem Projekt!


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Titelbild: Wir sprachen mit Adam Schikora vom Julius Kühn-Institut in Braunschweig. (Bildquelle: © JKI)

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