Kuriose Pflanzenwelt: Der Drachenblutbaum
Eine sonderbare Gestalt mit kostbarem „Blut“
Sein ungewöhnlicher Wuchs und Name fasziniert Menschen seit jeher. Gemeint ist der Drachenblutbaum, der nach seinem roten Harz benannt ist. Auch Vögel fliegen auf ihn, aber aus anderem Grund.
Die Inselgruppe Sokotra liegt im Arabischen Meer vor der Küste Ostafrikas und des Jemen. Hier herrscht tropisches Wüstenklima, aber sie beherbergt eine große Artenvielfalt mit vielen endemischen Arten, d. h. Arten, die nur dort vorkommen. Darunter befindet sich ein Baum mit seltsamem Aussehen: Er ragt wie ein riesiger Pilz aus dem Boden und seine verzweigten Äste erinnern an Korallen.
Warum sieht er so aus?
Mit dieser ungewöhnlichen Form hat er sich an seine karge und trockene Umgebung angepasst. Die große, schirmförmige Krone kann Feuchtigkeit von Nebel, Tau oder Regen besser abfangen, spendet Schatten und reduziert die Verdunstung von wertvollem Wasser. Damit wird auch das Wachstum von Baum-Keimlingen gefördert, die unter dem Schutz der großen Bäume besser gedeihen als in der prallen Sonne. Das würde auch erklären, warum viele Bäume oft eng zusammen wachsen und teilweise eine miteinander verbundene Krone bilden.
Er hat nicht nur eine ungewöhnliche Gestalt, sondern auch einen kuriosen Namen: Man nennt ihn Drachenblutbaum (Dracaena cinnabari). Er gehört zur Gattung der Drachenbäume, zu denen auch beliebte Zimmerpflanzen (Dracaena marginata, Dracaena fragrans, Dracaena reflexa) zählen. Der Gattungsname Dracaena leitet sich vom altgriechischen Wort für „weiblicher Drache“ ab.
Aber wo kommt das Blut ins Spiel?
Den Namenszusatz verdankt der Baum seinem Harz, das aus dem Stamm austritt, wenn er verletzt wird. Es erinnert in Farbe und Konsistenz an Blut und wird daher „Drachenblut“ genannt. Allerdings wird der Begriff mittlerweile nicht mehr nur für das Naturharz von Dracaena cinnabari verwendet, sondern auch für die rotbraunen Harze, die von anderen Drachenbäumen oder Pflanzenarten produziert werden.
Das „Blut“ des Baumes wird seit langem zu kulturellen und medizinischen Zwecken eingesetzt. Denn es hat eine antivirale, antimikrobielle und antitumorale Wirkung. Zurückzuführen ist dies auf die Inhaltsstoffe: Das Harz hat einen hohen Phenolgehalt (Gupta, 2011) und enthält Terpenoide – beides Antioxidantien. Analysen von fünf Dracaena-Arten zeigten zudem, dass das Terpenoidprofil selbst innerhalb der Gattung variiert und artspezifisch ist (Vaníčková et al., 2020).
Für die Pflanze ist das Harz ebenfalls nützlich: Es ist direkt an den Abwehrmechanismen des Baumes gegen Krankheitserreger und Pflanzenfresser beteiligt. Aber auch seine Früchte färbt der Baum auffällig orangerot.
Warum sollen die Früchte auffallen?
Die runden, fleischigen Beeren wechseln ihre Farbe von grün bis schwarz und werden schließlich im reifen Zustand orangerot. Es ist eine weitere schlaue Strategie, um das Überleben zu sichern: Damit locken sie Tiere an, vor allem Vögel, die die Beeren fressen und die darin enthaltenen – ein bis drei – Samen durch ihre Ausscheidungen verbreiten. Der Baum hat sich an die geflügelten Helfer angepasst, da Vögel eher rote Beeren bevorzugen.
Was interessiert Pflanzenforscher:innen an dem Baum?
Man erforscht schon lange, wie sich Pflanzen an ihre Umgebung anpassen. Vor allem sind Strategien interessant, wie sie in unwirtlichen Gegenden überleben und sich erfolgreich fortpflanzen. Vögel als Samenverbreiter zu nutzen, ist eine dieser Strategien. Früchte auffällig zu gestalten, hat sich auch bei anderen Pflanzen als vorteilhaft erwiesen. Mehr dazu hier.
Aber auch andere Formen der Zusammenarbeit zwischen Pflanzen und Tieren gibt es reichlich. Darunter auch Pflanzen, die sich auf bestimmte Tiere „spezialisiert“ haben. Ein extremes Beispiel sind Ameisenpflanzen. Was diese Pflanzen Ameisen zu bieten haben und was Ameisen im Gegenzug für die Pflanzen tun, kann hier nachgelesen werden.
Quellen:
- Adolt, R. und Pavlis, J. (2004): Age structure and growth of Dracaena cinnabari populations on Socotra. In: Trees 18:43–53, (January 2004) doi: 10.1007/s00468-003-0279-6.
- Gupta, D. und Gupta, R.K. (2011): Bioprotective properties of Dragon's blood resin: in vitro evaluation of antioxidant activity and antimicrobial activity. In: BMC Complementary and Alternative Medicine, (17. Februar 2011), doi: 10.1186/1472-6882-11-13.
- Trautmann, A. (2018): Geheimnisvolle Pflanzenwelt – Verborgenes in der Natur entdecken. Mainz: Andrea Michaela Trautmann, ISBN 978-1-9770-1914-1.
- Vaníčková, L. et al. (2020): Terpenoid profiles of resin in the genus Dracaena are species specific. In: Phytochemistry, (Februar 2020), doi: 10.1016/j.phytochem.2019.112197.
Zum Weiterlesen:
- Inspiration für neue Werkstoffe - Vorbild Drachenbaum
- Pflanzen im Alltag - Pflanzliche Rohstoffe und wozu wir sie nutzen
- Tierische Helfer auf der Plantage - Vögel und Fledermäuse sorgen für höhere Kakaoerträge
- Im Auge des Betrachters - Warum haben Tropenfrüchte so vielfältige Farben?
- Kuriose Pflanzenwelt: Die Spritzgurke - Die giftige Samenschleuder aus dem Mittelmeerraum
Titelbild: Drachenblutbäume haben ein ungewöhnliches Aussehen, das an riesige Pilze oder einen Schirm erinnert. (Bildquelle: © Rod Waddington / flickr / CC BY-SA 2.0)