Landrassen in Gefahr?

Genbanken als Tresore der pflanzlichen Vielfalt

15.06.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Internationale Zentrum für tropische Landwirtschaft (CIAT) in Kolumbien verfügt über den weltweit größten Bestand an Bohnen, Maniok und tropischen Futterpflanzen. Hier ist ein Teil der Bohnenvielfalt zu sehen. (Bildquelle: © Neil Palmer / CIAT; CC BY-

Das Internationale Zentrum für tropische Landwirtschaft (CIAT) in Kolumbien verfügt über den weltweit größten Bestand an Bohnen, Maniok und tropischen Futterpflanzen. Hier ist ein Teil der Bohnenvielfalt zu sehen. (Bildquelle: © Neil Palmer / CIAT; CC BY-

Klimawandel, Krankheiten oder Landnutzungsänderungen: Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb eine Landrasse aussterben kann. In Genbanken versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren Vielfalt zu konservieren. Jetzt hat ein Forschungsteam analysiert, wie umfassend das bislang gelingt.

Genbanken sind ein Schatz für Pflanzenforschung und -züchtung. Die darin enthaltenen Bestände und deren genetische Informationen dienen dazu, evolutionäre Zusammenhänge zu verstehen und Kulturpflanzen zu optimieren. Dabei kann es ganz einfach um Ertragssteigerungen gehen. Meist jedoch stehen Anpassungen an Stressfaktoren wie Schädlinge, Krankheiten, Dürre oder Starkregen im Fokus – und der Erfolgsdruck steigt, denn die Klimakrise verstärkt Ausmaß und Häufigkeit so mancher Stressfaktoren.

Die in Genbanken enthaltenen Landrassen besitzen oft nützliche Eigenschaften, die Hochleistungssorten oft im Laufe der ertragsfokussierten Züchtung verloren haben. Außerdem könnten sich im Erbgut dieser Pflanzen Bauanleitungen für Proteine und andere Moleküle verbergen, die von pharmakologischem Interesse sind oder anderweitig für die Nutzung interessant wären. Genbanken sollen verhindern, dass diese Schätze in der Natur verloren gehen, bevor die Wissenschaft sie heben konnte.

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Die bundeszentrale Ex-situ-Genbank am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben zählt zu den weltweit größten Sammlungen.

Die bundeszentrale Ex-situ-Genbank am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben zählt zu den weltweit größten Sammlungen.

Bildquelle: © Andreas Bähring / IPK

Genbanken sichern ca. 63 Prozent aller Landrassen

Aber wie gut decken Genbanken heute die globale Vielfalt der Landrassen ab? Für 25 Arten Getreide, Hülsenfrüchte sowie stärkehaltige Wurzelpflanzen und -früchte hat ein internationales Forschungsteam nun diese Frage untersucht.

Die Fachleute wollten auch wissen, aus welchen Regionen bzw. ökogeographischen Gruppen die Pflanzen stammen, um eine Über- oder Unterrepräsentierung der Akzessionen für einzelne Regionen oder Standortbedingungen erkennen zu können. 93.269 Genbankbestände von entsprechenden Landrassen und 71 ökogeografische Herkunftsgruppen hat die Studie berücksichtigt.

Die gute Nachricht: Im Durchschnitt sind 63 Prozent der zu den 25 Arten zählenden Landrassen in den großen Genbanken vertreten. Die schlechte Nachricht: Für einzelne der Arten sieht das je nach Region oder Standortbedingungen nicht ganz so gut aus.

Am besten abgebildet ist die genetische Vielfalt von Brotbaum (81,6 %), Banane (81,5 %) und Mehlbanane (81,5 %). Die größten Lücken gibt es der Studie zufolge bei Perlhirse (32,7 %), Yamswurzel (43 %) und Fingerhirse (45,4 %).

Generell gilt jedoch, dass alle 25 Arten einzelne ökogeografische Gruppen beinhalten, die nur sehr unvollständig in den Genbankbeständen repräsentiert sind. So sind Gerstenlandrassen, deren Körner in Schalen stecken, zu 89 Prozent in Genbanken konserviert, Landrassen ohne Schalen dagegen nur zu 31 Prozent. Die Abdeckung der ökogeografischen Gruppen korreliert auch nicht mit ihrer jeweiligen Bedeutung für die Ernährungssicherung.

Große regionale Unterschiede

Die Erklärung für diese Situation liefert die Studie gleich mit: Regionen, in denen Arten ihren Ursprung haben, sind weitaus beliebtere Ziele für die Probennahme in der Pflanzenforschung. Beispiele dafür sind Bangladesch, Äthiopien, Indien, Nepal und Pakistan. Ebenso stammen weit mehr Genbankproben aus Wildflächen als von Ackerflächen.

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Die wilden Verwandten unterscheiden sich sichtlich von unseren heutigen Obst- und Gemüsesorten. Mehr dazu in unserem Plantainment: Wilde Verwandte

Die wilden Verwandten unterscheiden sich sichtlich von unseren heutigen Obst- und Gemüsesorten. Mehr dazu in unserem Plantainment: Wilde Verwandte

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Lückenhaft repräsentierte Regionen identifiziert die Studie in Süd-, West-, Ost- und Zentralasien, die Mittelmeerregion in Europa, Süd-, West- und Ostafrika, Mittelamerika sowie die Andenregion in Südamerika.

Das Forschungsteam hofft, dass die vorliegende Studie zur vollständigeren Sicherung von Landrassen in Genbanken Orientierung geben kann. Auch akute Bedrohungen dieser Pflanzen, ob ökonomischer oder ökologischer Art, sollten mit ins Kalkül gezogen werden. In ihrer Studie gehen die Fachleute davon aus, dass internationale Kooperationen die identifizierten Lücken durchaus schließen können.

Wildverwandte vernachlässigt

Die Studie gibt aber kein umfassendes Bild der Situation. Es fehlen nicht nur zahlreiche wichtige Nahrungspflanzenarten – besonders aus den Bereichen Obst, Gemüse und Nüsse –, auch so manche kleinere Genbank konnten die Forscherinnen und Forscher bislang nicht berücksichtigen. Weiterhin ist die Modellierung hinsichtlich der regionalen Auflösung der Daten begrenzt. Aber eine große „Genbank-Lücke“ haben sie zusätzlich identifiziert: Wildverwandte unserer Nutzpflanzen finden sich noch seltener in den Genbanken. Auch diese lohnt es zu bewahren.


Quelle:
Ramirez-Villegas, J. et al. (2022): State of ex situ conservation of landrace groups of 25 major crops. In: Nature Plants, (online 9. Mai 2022), doi: 10.1038/s41477-022-01144-8.

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Titelbild: Das Internationale Zentrum für tropische Landwirtschaft (CIAT) in Kolumbien verfügt über den weltweit größten Bestand an Bohnen, Maniok und tropischen Futterpflanzen. Hier ist ein Teil der Bohnenvielfalt zu sehen. (Bildquelle: © Neil Palmer / CIAT; CC BY-NC-SA)