Lebensmittel unter der Lupe
Welche haben den kleinsten ökologischen Fußabdruck?
Forscher:innen haben für mehr als 57 000 Lebensmitteln berechnet, wie es um ihre Nachhaltigkeit bestellt ist. Und sie fordern genauere Angaben von den Herstellern.
Wer nachhaltig einkaufen möchte, findet sich schnell in einem ziemlichen Labyrinth aus Zutatenlisten, Nährstoffangaben, Ökolabels und Ähnlichem wieder. Eine klare Aussage, wie umweltschädlich das Produkt ist oder gar ein Vergleich zwischen ähnlichen Produkten ist fast unmöglich. Um Verbraucher:innen ein nachhaltiges Einkaufen zu ermöglichen, haben Forscher:innen aus Großbritannien in einer neuen Studie versucht, die ökologischen Fußabdrücke verschiedener Lebensmittel zu errechnen.
Ernährung als Klimaschutz
Wenn es um das Abwenden des Klimawandels geht, wird meist von Energiesparen, weniger Fliegen oder Autofahren geredet. Dabei ist es nach Meinung von Forscher:innen nicht möglich, die gesetzten Klimaziele zu erreichen, wenn nicht auch das Ernährungsverhalten grundlegend verändert wird. Viele Verbraucher:innen möchten auch genau das tun, aber es ist sehr schwer, die Nachhaltigkeit einzelner Lebensmittel mal eben beim Einkauf zu erkennen.
Bei unverarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten gibt es bereits Untersuchungen zum ökologischen Fußabdruck, aber sie fehlen für verarbeitete Lebensmittel, die aus einer Vielzahl von Zutaten pflanzlichen und/oder tierischen Ursprungs mit den jeweils für sie charakteristischen Fußabdrücken bestehen. Die verschiedenen Bio-/Ökolabel helfen da auch oft nicht weiter, da sie nur einen kleinen Teil der Produktpalette abdecken und keine umfassenden Aussagen zum gesamten Produktionsprozess eines Lebensmittels erlauben.
Lebensmittel auf dem Prüfstand
Um den ökologischen Fußabdruck von 57 185 Produkten, ausgewählt aus dem Sortiment einer großen britischen Einzelhandelskette, berechnen zu können, wurden die einzelnen Zutaten im Hinblick auf Treibhausgasfreisetzung, Wasserverbrauch, Landnutzung und Eutrophierung von Gewässern bei der Produktion bewertet. Da bei Lebensmitteln die Zutatenliste zwar auf der Verpackung stehen muss, aber nur für die Hauptzutaten auch Prozentangaben aufweisen müssen, orientierten sich die Forscher:innen an staatlichen Vorgaben (zum Beispiel, wieviel Hackfleisch eine Lasagne mindestens enthalten muss).
Auf Grundlage dieser Daten entwickelten sie eine Berechnungsmethode für den ökologischen Fußabdruck. Die Ergebnisse wurden für die Vergleichbarkeit auf je 100 Gramm des Produktes berechnet und erhielten eine Bewertung von 0 (kein Einfluss auf die Umwelt) bis 100 (höchster Einfluss auf die Umwelt).
Nachhaltig und gesund?
Getränke wie Cola, Smoothies oder Energy Drinks haben meist einen Wert von 1 oder darunter, da sie größtenteils aus Wasser bestehen und nur kleine Mengen an anderen Zutaten (Zucker, Fruchtsirup) enthalten. Tee und Kaffee liegen dagegen deutlich über 5, zum Beispiel wegen der weiten Transportwege.
Gemüse, Knabbersachen aus pflanzlichen Zutaten wie Chips oder Popcorn, Milchprodukte und Fleischersatzprodukte, Getreideflocken und Brot haben einen Wert unter 2. Kuchen, Backwaren, Desserts sowie Fertiggerichte liegen zwischen einem Wert von 2 und 5. Über 5 liegen Brotaufstriche, Käse, Fisch, Schweinefleisch, Geflügel sowie Nüsse. Den höchsten Wert, über 30, haben Rind- und Lammfleisch.
Bisherige Untersuchungen zum ökologischen Fußabdruck fokussierten sich auf landwirtschaftliche Produkte mit nur einer Zutat (zum Beispiel Kartoffeln oder Milch). Untersucht man die Nährwerte dieser Produkte, kann man meistens sagen, dass eher gesunde Produkte einen niedrigen ökologischen Fußabdruck besitzen, während eher ungesunde Produkte einen höheren ökologischen Fußabdruck haben.
Es wurde allerdings noch nie untersucht, ob das auch für Produkte mit mehr als einer Zutat gilt. Dafür verglichen die Forscher:innen die berechneten ökologischen Fußabdrücke mit dem NutriScore, einem in vielen Ländern verwendeten Bewertungssystem für gesunde und weniger gesunde Lebensmittel. Der NutriScore bewertet in sieben Kategorien: wie Gehalte an Salz, Kalorien, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Eiweiß, Ballaststoffe sowie enthaltene Früchte, Öle, Nüsse, etc. Die Einteilung vom NutriScore (A für sehr nahrhaft bis E für wenig nahrhaft) wurden von den Forscher:innenn in 1 bis 5 umbenannt und den anderen Bewertungen gegenübergestellt.
Schokolade kritisch
Der Trend, dass nachhaltige Lebensmittel tendenziell auch nahrhafter sind, zeigte sich auch hier, wenn auch mit einigen Ausnahmen. Sowohl gesund als auch nachhaltig sind Gemüse und Früchte, Brot, vegane Aufstriche. Fisch, Meeresfrüchte und Nüsse sind dagegen zwar sehr gesund, haben aber einen nicht so guten ökologischen Fußabdruck. Andere Lebensmittel sind weder gesund noch nachhaltig, wie zum Beispiel Käse und Schokolade. Cola und Soft Drinks, Kuchen und Fertigsoßen haben zwar einen eher kleinen ökologischen Fußabdruck, sind aber nicht besonders gesund.
Einen Sonderfall stellt rotes Fleisch dar: Es hat laut NutriScore zwar einen hohen Nährwert, die Forscher:innen betonen aber, dass es sehr auf den Kontext ankommt, in dem das Fleisch verzehrt wird. So ist rotes Fleisch in den Industrieländern eher als schädlich zu bewerten, weil es zu häufig gegessen wird (Kategorie „ungesund und nicht nachhaltig“), während es in einkommensschwächeren Ländern zur Verbesserung der Nährstoffversorgung beiträgt, aber auch deutlich seltener auf den Tisch kommt (Kategorie „gesund, aber nicht nachhaltig“).
Transparenz wichtig
Die Berechnungsmethode bietet die Möglichkeit, die Nachhaltigkeit eines Lebensmittels und zugleich auch seinen Nährgehalt zu bewerten. Da die Lebensmittelerzeugung einen großen Einfluss auf die Umwelt und das Wohlergehen der Menschen hat, ist es entscheidend, die bei der Produktion anfallenden Umweltbelastungen transparent zu kommunizieren und den Verbraucher:innen damit eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, um möglichst nachhaltige Lebensmittel zu kaufen.
Das wiederum ist enorm wichtig, um eine weitere, schnell fortschreitende Umweltzerstörung zu vermeiden, betonen die Forscher:innen. Dafür müssen die Herkunft und die Produktionsmethoden der Zutaten transparenter gemacht werden, um den ökologischen Fußabdruck so genau wie möglich zu berechnen. Bisher sei das kaum nachvollziehbar und gelte oft als „Betriebsgeheimnis“, ebenso wie die genauen Rezepturen, so die Forscher:innen.
Quelle:
Clark, M. et al. (2022): Estimating the environmental impact of 57,000 food products. In: PNAS Vol 119, No 33, (8. August 2022), doi: 10.1073/pnas.2120584119.
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Titelbild: Eine Studie hat den ökologischen Fußabdruck verschiedener verarbeiteter Lebensmittel errechnet. (Bildquelle: © LuckyLife11 / Pixabay)