Mehr geackert, weniger Biodiversität!

Starker Anstieg der Ackerflächen weltweit

17.01.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Acker, soweit das Auge reicht: Nahrungsmittelproduktion und Klima- und Artenschutz sollen laut der Nachhaltigkeitsziele der UN im Gleichgewicht sein. (Bildquelle: © Wolfgang Stemme / Pixabay)

Acker, soweit das Auge reicht: Nahrungsmittelproduktion und Klima- und Artenschutz sollen laut der Nachhaltigkeitsziele der UN im Gleichgewicht sein. (Bildquelle: © Wolfgang Stemme / Pixabay)

In den letzten 20 Jahren dehnten sich die Ackerflächen rund um den Globus um knapp 10 Prozent aus – vor allem in Afrika und Südamerika. Dies ging zum großen Teil auf Kosten von Flächen mit natürlicher Vegetation. Diese Daten lieferte eine neue Studie, die auf hochauflösende Satellitendaten zurückgriff.

Die Landwirtschaft steht im Spannungsfeld zwischen Nahrungsmittelproduktion, Flächenverbrauch und Klima- und Artenschutz. Um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bis 2030 zu erfüllen und gleichzeitig genug Lebensmittel für knapp acht Milliarden Menschen zu produzieren, braucht es globale Strategien und belastbare Daten. Eine neue Studie hat nun präzisere Zahlen mittels hochauflösender Beobachtung von Landnutzung und Landnutzungsänderungen per Satellit geliefert.

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Artenreiche Grasländer werden oft in Ackerland umgewandelt, zum Beispiel im Afrika.  

Artenreiche Grasländer werden oft in Ackerland umgewandelt, zum Beispiel im Afrika.  

Bildquelle: © Albrecht Fietz / Pixabay

Ausweitung der Ackerflächen beschleunigt sich

Für ihre Berechnungen nutzten die Forscher:innen Satellitendaten mit einer Auflösung von 30 Metern. Als Ackerfläche definierten sie den Anbau von einjährigen oder mehrjährigen Feldfrüchten für Lebens- und Futtermittel inklusive Heu und Biosprit. Nicht enthalten waren mehrjährige Gehölze, Dauergrünland und Brandrodungsflächen. Zur Dokumentation der Veränderungen wurden im Vierjahresabstand von 2000 bis 2019 insgesamt fünf Karten der globalen Ackerfläche erstellt.

2019 betrug die globale Ackerfläche 1.244,2 Megahektar (Mha). Davon lagen 55 Prozent in Eurasien, 17 Prozent in Afrika, 16 Prozent in Nord- und Mittelamerika, neun Prozent in Südamerika und drei Prozent in Australien und Neuseeland. Im Zeitraum von 2000 bis 2019 stieg die globale Ackerfläche um 101,9 Mha, das sind neun Prozent mehr als 2003.

Den größten Zuwachs an Ackerflächen gab es in Afrika (53,2 Mha bzw. 34 Prozent), während in Südamerika die Anbaufläche bezogen auf die Landfläche am stärksten zunahm (37,1 Mha bzw. 49 Prozent). Auf den anderen Kontinenten veränderte sich die genutzte Ackerfläche nur gering. Global beschleunigte sich sogar die Ausweitung der Ackerflächen in den vergangenen zwei Jahrzehnten, von 5,1 Mha auf 9,0 Mha pro Jahr. Besonders in Afrika konnten die Forscher:innen zeitweise eine Verdopplung der jährlichen Zuwachsraten beobachten.

Mehr Menschen, mehr Umwelteingriffe

Parallel dazu nahm in den letzten 20 Jahren auch die globale Bevölkerung um 21 Prozent zu, von 6,4 Milliarden auf 7,7 Milliarden Menschen. Auf die genutzte Ackerfläche umgerechnet, verringerte sich daher durchschnittlich die Ackerfläche pro Kopf von 0,18 ha (2003) auf 0,16 ha (2019). Eine Erhöhung der Pro-Kopf-Ackerfläche gab es nur in Südamerika. Die geringste Pro-Kopf-Fläche gab es in Südostasien (0,08 ha), die höchste in Australien und Neuseeland (1,34 ha).

Nahezu die Hälfte der neu hinzugewonnenen Ackerflächen (49 Prozent) ersetzte die natürliche Vegetation, hauptsächlich in Afrika (79 Prozent), gefolgt von Südostasien (61 Prozent) und Südamerika (39 Prozent).

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In den letzten 20 Jahren nahm auch die globale Bevölkerung um 21 Prozent zu. Auf die genutzte Ackerfläche umgerechnet, verringerte sich die Ackerfläche pro Kopf durchschnittlich von 0,18 ha auf 0,16 ha.

In den letzten 20 Jahren nahm auch die globale Bevölkerung um 21 Prozent zu. Auf die genutzte Ackerfläche umgerechnet, verringerte sich die Ackerfläche pro Kopf durchschnittlich von 0,18 ha auf 0,16 ha.

Bildquelle: © blvdone / Fotolia.com

Die restlichen 51 Prozent der neuen Anbauflächen wurden durch Umwidmung von Dauergrünland zu Acker und durch Rekultivierung brachgefallener Ackerflächen gewonnen, etwa in Australien, Neuseeland und in Europa, aber besonders in Nord- und Südamerika, wo jeweils 75 Prozent der neuen Ackerflächen auf ehemaligem Dauergrünland und 61 Prozent auf Dauerbrachen (die letzte Nutzung als Ackerland lag mehr als vier Jahre zurück) liegen.

Aber es ging auch Ackerland verloren, weltweit 115,5 Mha. 52 Prozent der Verluste entstanden durch Konvertierung der Flächen zu Dauergrünland oder zu Brachen, 16 Prozent durch Bebauung (Industrie, Wohnhäuser und Verkehrsinfrastruktur) sowie 13 Prozent durch das Anlegen von Plantagen und Aquakulturen. Weitere drei Prozent gingen durch Überflutungen verloren. Nur bei den restlichen 16 Prozent handelte es sich um Wiederaufforstungen und andere Renaturierungsmaßnahmen zum Schutz der Biodiversität und zur Bekämpfung des Klimawandels.

Zunahme der Nettoprimärproduktion – aber regional große Unterschiede

Parallel mit der Ausweitung der globalen Ackerflächen stieg auch die Nettoprimärproduktion (NPP, Gesamtmenge an pflanzlicher Biomasse, die innerhalb eines Jahres produziert wird) um 25 Prozent von 4,4 Petagramm Kohlenstoff (PgC) pro Jahr (2003) auf 5,5 PgC pro Jahr (2019). In Südamerika war der Anstieg am größten (0,38 PgC pro Jahr oder 88 Prozent), gefolgt von Afrika (0,29 PgC pro Jahr oder 50 Prozent).

Der globale Pro-Kopf-Anteil der Nettoprimärproduktion stieg ebenfalls um 3,5 Prozent und glich damit Ackerlandverluste aus. Trotzdem leben 77 Prozent der Menschen in Regionen mit einer Pro-Kopf-Nettoprimärproduktion unter dem globalen Durchschnitt von 2019. In Nordamerika, Nordasien und Europa war die Pro-Kopf-Nettoprimärproduktion dagegen mehr als doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt, in Südamerika sogar nahezu dreimal so hoch.

Gleicht man die neu errechneten Daten mit denen der FAO ab, so gibt es größtenteils Übereinstimmungen, betonen die Forscher:innen. Beide Modelle zeigen einen starken Zuwachs an neuen Ackerflächen, besonders in Südamerika und Afrika.

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Es ging aber auch Ackerland verloren. 52 Prozent der Verluste entstanden durch Konvertierung zu Dauergrünland.

Es ging aber auch Ackerland verloren. 52 Prozent der Verluste entstanden durch Konvertierung zu Dauergrünland.

Bildquelle: © Catkin / Pixabay

Allerdings gibt es bei der Flächenerfassung der FAO einige Ungenauigkeiten: Sie bezieht auch ungenutztes Ackerland sowie andere landwirtschaftliche Flächennutzungen mit ein. Daher überschätzt das Modell zum Beispiel die Ackerfläche in Russland. In Südamerika komme das FAO-Modell sogar auf einen doppelt so hohen Zuwachs an Ackerfläche, vermutlich durch die Miteinbeziehung von Dauergrünland, erklären die Forscher:innen.

Gute Datengrundlage für Klima- und Umweltschutz

Die Zunahme der globalen Ackerflächen in den letzten 20 Jahren steht in starkem Gegensatz zu den von der UN deklarierten Nachhaltigkeitszielen, die unter anderem bis 2030 ein Gleichgewicht zwischen landwirtschaftlicher Produktion und dem Schutz von Ökosystemen und Ökosystemfunktionen fordern. Als problematisch stufen die Forscher:innen vor allem die Lage in Teilen Afrikas ein, wo durch ein starkes Bevölkerungswachstum die Ackerflächen pro Kopf gesunken sind, obwohl es parallel dazu einen deutlichen Zuwachs an Ackerflächen gab, so etwa in Äthiopien, Nigeria und dem Senegal.

Eine sinkendes Verhältnis von Ackerfläche zu Einwohnerzahl kann ein Zeichen von drohender Lebensmittelknappheit sein, betonen die Forscher:innen. Die vorgestellte Berechnungsmethode ermöglicht es, solche Situationen frühzeitig zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern. Dazu können Landnutzungsänderungen überwacht und gleichzeitig klimatische und ökologische Auswirkungen besser abgeschätzt werden. Das ermögliche es, den Fortschritt in Richtung des Erreichens der Nachhaltigkeitsziele zu lenken, betonen die Forscher:innen.


Quelle:
Potapov, P. et al. (2021): Global maps of cropland extent and change show accelerated cropland expansion in the twenty-first century. In: Nature Food, (23. Dezember 2021), doi: 10.1038/s43016-021-00429-z.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Acker, soweit das Auge reicht: Nahrungsmittelproduktion und Klima- und Artenschutz sollen laut der Nachhaltigkeitsziele der UN im Gleichgewicht sein. (Bildquelle: © Wolfgang Stemme / Pixabay)