Leuchtende Momente

Neuer Biosensor kann Auxin live sichtbar machen

30.04.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Auxin kann mit AuxSen sichtbar gemacht werden. Unten ist die chemische Struktur von Auxin (Indol-3-essigsäure) abgebildet. (Bildquelle: © S. Shanmugaratnam, A.C. Stiel, M. Kolb)

Auxin kann mit AuxSen sichtbar gemacht werden. Unten ist die chemische Struktur von Auxin (Indol-3-essigsäure) abgebildet. (Bildquelle: © S. Shanmugaratnam, A.C. Stiel, M. Kolb)

Ein deutsches Forschungsteam hat einen neuen Biosensor entwickelt, der erstmals das Pflanzenhormon Auxin direkt sichtbar macht. Damit ist es nun möglich, die Verteilung des wachstumsregulierenden Hormons in Pflanzen in Echtzeit zu verfolgen.

Eines der wichtigsten regulatorischen Moleküle in Pflanzen ist Indol-3-essigsäure, auch bekannt als Auxin. Das Phytohormon ist essentiell, da es unzählige Wachstums- und Entwicklungsprozesse im Leben einer Pflanze reguliert. Vor allem ist es dafür verantwortlich, die pflanzlichen Reaktionen auf äußere Reize zu steuern. Dafür verbreitet es sich von Zelle zu Zelle, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Doch bisher weiß man aufgrund technischer Limitationen sehr wenig über die tatsächliche und momentane Verteilung des Phytohormons im Gewebe. Bisherige Methoden konnten Auxin nämlich nur indirekt über Reportergene visualisieren (vgl. „Leuchtprotein macht Pflanzenwachstum sichtbar“). Doch wie sich der Auxinspiegel in den Zellen reizbedingt von einem Augenblick auf den anderen verändert, kann man mit diesem Vorgehen nicht erkennen.

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Keimling der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Die Lupe vergrößert die Wurzelspitze: Die Farben verdeutlichen die Auxin-Menge: zunehmend von Blau über Grün und Gelb bis Rot. Das meiste Auxin befindet sich dort, wo die Neigung am größten ist.

Keimling der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Die Lupe vergrößert die Wurzelspitze: Die Farben verdeutlichen die Auxin-Menge: zunehmend von Blau über Grün und Gelb bis Rot. Das meiste Auxin befindet sich dort, wo die Neigung am größten ist.

Bildquelle: © S. Shanmugaratnam, A.C. Stiel, M. Kolb

AuxSen macht Auxin direkt sichtbar

Nun ist es einem interdisziplinären Team der Universität Bayreuth und des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen gelungen, einen neuen Biosensor zu entwickeln, der genau das leisten kann: eine Echtzeitverfolgung von Auxinmolekülen innerhalb pflanzlicher Gewebe und in einzelnen Zellen (in-vivo). Sie tauften den neuartigen Biosensor auf den Namen „AuxSen“. Ihre Ergebnisse wurden nun im renommierten Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.

Beim Sensor handelt es sich nicht um ein technisches Messgerät, das in die Pflanzen eingeführt wird. AuxSen ist ein künstliches Protein, das die Pflanzen sogar selbst herstellen können. Bindet der Biosensor an Auxin, beginnt er zu leuchten – so lässt sich das Hormon optisch nachverfolgen.

Mit AuxSen wird sichtbar, wie Auxin in den Zellen umverteilt wird und wie lange dies dauert. So kann detailliert untersucht werden, wie eine Pflanze auf Umweltreize reagiert bzw. wie diese äußeren Faktoren das Wachstum beeinflussen. Sogar in subzellulären Bereichen wie im Endoplasmatischen Retikulum (ER) gelang es dem Team erfolgreich, Auxin präzise nachzuverfolgen.

Auxin ist schnell

Experimente mit dem Biosensor in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana konnten bereits erste neue Erkenntnisse zutage fördern: Auxin wird rasend schnell umverteilt. Dafür hatten die WissenschaftlerInnen eine Pflanze auf den Kopf gestellt. Die Wurzelspitze zeigte daher nicht mehr nach unten, sondern schräg nach oben. Die Auxin-Moleküle, die auch für das Wurzelwachstum zuständig sind, sammelten sich schon nach einer Minute auf der „neuen“ Unterseite der Wurzelspitze. Wurde die Pflanze daraufhin wieder in die ursprüngliche Position gedreht, war Auxin ebenfalls nach einer Minute wieder an der richtigen Stelle anzufinden. „Das hat uns völlig verblüfft“, beschreiben die Mitautoren aus Tübingen Ole Herud-Sikimic und Martina Kolb.

„Es ist zu erwarten, dass der neue Biosensor in den nächsten Jahren noch viele weitere unerwartete Einblicke in das Innenleben der Pflanzen und ihre Reaktion auf äußere Reize zutage fördern wird“, sagt Teamleiterin Birte Höcker, Professorin für Protein-Design von der Universität Bayreuth.

Die Entwicklung von AuxSen

Insgesamt war die Entwicklung des Biosensors ein schwieriges und langwieriges Unterfangen. Basis des neuen Biosensors ist ein Protein aus dem Bakterium Escherichia coli, das an die Aminosäure Tryptophan binden kann. Die chemische Struktur von Tryptophan ähnelt dem Phytohormon Auxin,  doch das natürliche bakterielle Protein bindet Auxin nicht sehr effizient. Ziel war es daher, das Protein so zu modifizieren, dass es nur noch Auxin gut bindet.

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Professorin Birte Höcker in einem Biochemie-Labor auf dem Campus der Universität Bayreuth. Mit dieser Forschungsapparatur ist es möglich, die durchschnittliche Größe von Proteinen und ihre absolute Molekülmasse zu bestimmen.

Professorin Birte Höcker in einem Biochemie-Labor auf dem Campus der Universität Bayreuth. Mit dieser Forschungsapparatur ist es möglich, die durchschnittliche Größe von Proteinen und ihre absolute Molekülmasse zu bestimmen.

Bildquelle: © Christian Wißler

Das Protein wurde daher durch Mutagenese modifiziert. Insgesamt stellten das Team ca. 2 000 Varianten her und fand darunter eine Modifikation mit den gewünschten Eigenschaften. Anschließend wurde dieses Protein mit zwei fluoreszierenden Proteinen (mNeonGreen und Aquamarin) gekoppelt. Diese leuchten, sobald Licht einer bestimmten Wellenlänge auf sie trifft. Sind die Leuchtproteine räumlich nah beieinander, überträgt sich die Energie des einen auf das andere – ein sogenannter Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer (FRET). Dieses spezifische FRET-Signal kann man exakt messen.

Auxin beobachten, aber nicht behindern

Als nächstes musste das Team die Pflanzen in die Lage versetzen, AuxSen selbst zu produzieren. Wichtig war dabei, dass die Wirkung des Biosensors nicht zu lange andauert. Denn ist Auxin an den Sensor gebunden, kann es seine Arbeit nicht mehr verrichten. Um die Störung der Hormonsignalketten niedrig zu halten, entwickelten die ForscherInnen transgene Arabidopsis-Pflanzen, die AuxSen in allen Geweben erst nach Verabreichung einer speziellen Chemikalie (Dexamethason) für kurze Zeit bilden. Die anschließenden Experimente zeigten, dass mit dieser Methode die „leuchtenden Momentaufnahmen“ von Auxin gelingen.

„Das Interesse an dem neuen Sensor ist schon jetzt sehr groß, und es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren optimierte Varianten von AuxSen entwickelt werden, um die vielfältigen Auxin-regulierten Prozesse in Pflanzen noch besser analysieren zu können“, betont Teamleiter und Professor Gerd Jürgens vom MPI für Entwicklungsbiologie.


Quelle:
Herud-Sikimić, O. et al. (2021): A biosensor for the direct visualization of auxin. In: Nature, (7. April 2021), doi: 10.1038/s41586-021-03425-2.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Auxin kann mit AuxSen sichtbar gemacht werden. Unten ist die chemische Struktur von Auxin (Indol-3-essigsäure) abgebildet. (Bildquelle: © S. Shanmugaratnam, A.C. Stiel, M. Kolb)