Mikro-RNAs in Pflanzen: Neuer Regulator entdeckt

13.12.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Forscher untersuchten die Herstellung von Mikro-RNAs in Zellen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). (Quelle: © iStockphoto.com/ pkujiahe)

Die Forscher untersuchten die Herstellung von Mikro-RNAs in Zellen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). (Quelle: © iStockphoto.com/ pkujiahe)

Mikro-RNAs greifen bei Vielzellern entscheidend in die Genregulation ein. Da diese Regulatoren hochwirksam sind, müssen sie selbst sehr genau reguliert werden. Forscher identifizierten in Arabidopsis thaliana eine bisher unbekannte Komponente, die durch das gezielte Entfernen eines Phosphatrests die Herstellung von Mikro-RNAs steuert.

Pflanzen sind fest an ihren Standort gebunden. Bei Stress können sie nicht einfach weglaufen. Daher sind Pflanzen auf Regulationssysteme angewiesen, die schnell reagieren und den pflanzlichen Stoffwechsel an sich verändernde Umweltbedingungen rasch anpassen können. Einen solchen Regulationsmechanismus entdeckten nun Tübinger Forscher. Mikro-RNAs greifen bei Vielzellern entscheidend in die Genregulation ein.

Zelle bremst sich selbst aus

Beim Ablesen der DNA im Zellkern wird eine mobile Boten-RNA (mRNA) hergestellt, die ins Zellplasma exportiert wird und dort als Bauplan für die Herstellung von Proteinen dient. Gleichzeitig kann die Zelle Mikro-RNAs produzieren, die sich spezifisch an eine bestimmte mRNA anlagern; sie hemmen die Proteinherstellung oder leiten sogar den Abbau der mRNA ein.

Doch wozu beginnt die Zelle einen aufwendigen Prozess, den sie gleich wieder stoppt? „Die Zelle muss genau die Balance halten, sie muss ein Protein in ausreichender Menge herstellen, aber Überproduktion vermeiden. Um die richtige Menge in der richtigen Zeit und an der richtigen Stelle verfügbar zu haben, braucht sie teilweise gegeneinander arbeitende Kräfte“, sagt Pablo Manavella, Erstautor der Studie und Wissenschaftler in der Abteilung von Direktor Detlef Weigel am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. „Einmal aktiviert, ist die Boten-RNA sehr stabil. Wenn sie zur Regulierung schnell gestoppt werden muss, können starke Gegenspieler wie Mikro-RNAs die weiteren Prozesse aufhalten.“ Da auf Mikro-RNAs basierende Regulatoren hochwirksam sind, müssen sie selbst sehr genau reguliert werden.

#####bildbox1#####
Die Haarnadelstruktur eines microRNA-Moleküls.

Die Haarnadelstruktur eines microRNA-Moleküls.

Bildquelle: © Opabinia regalis/ Wiki Commons; CC BY-SA 3.0

Pflanzen regulieren anders als Tiere

Die Bildung der Mikro-RNAs aus Vorläufern ist vor allem bei tierischen Zellen ausführlich untersucht worden. „In der Evolution haben sich Mikro-RNAs jedoch bei Pflanzen parallel unabhängig davon entwickelt. Daher war anzunehmen, dass sich die Abläufe unterscheiden“, sagt Pablo Manavella. Generell seien Mikro-RNAs bei Pflanzen sehr viel spezifischer als bei Tieren.

Reportersystem und Mutanten

Um die Synthese aktiver Mikro-RNAs in Zellen der Ackerschmalwand zu verfolgen, entwickelten die Forscher zunächst ein Reportersystem bestehend aus dem Protein Luciferase des Leuchtkäfers, das ein grünes Leuchten erzeugen kann, und einer künstlichen Mikro-RNA, die gezielt die Produktion der Luciferase hemmt.

Beide Komponenten wurden in das Genom der Pflanzenzellen eingeschleust, daher war zunächst kein Leuchten zu beobachten. Dann lösten die Forscher in Tausenden von Pflanzen ungezielt Mutationen aus und hofften, dass sie dabei auch Gene erwischen, die die MiRNAs regulieren.

Mit Hilfe einer speziellen, hochempfindlichen Kamera suchten sie die wenigen leuchtenden Pflanzen heraus. „In diesen mutierten Individuen musste irgendein Teil des Luciferase-Reportersystems geschädigt sein, sodass die Luciferase nicht mehr durch die künstliche Mikro-RNA gehemmt wurde“, erklärt Pablo Manavella das Vorgehen.

Schnelle Genomsequenzierung

Um die Gene zu identifizieren, die für die ausbleibende Hemmung der Luciferase verantwortlich waren, wurde ein neues, am Max-Planck-Institut entwickeltes Verfahren angewandt, mit dem innerhalb von Tagen induzierte Mutationen im Erbgut aufgespürt werden können.

„Vor einigen Jahren wäre das nicht denkbar gewesen. Heute sind Genomanalysen schnell und preisgünstig zu machen. Mit der kombinierten Untersuchung von Luciferase-Screeningtest und Genomanalyse konnten wir die Studiendauer von Jahren auf wenige Monate verkürzen“, erklärt Pablo Manavella. „Vor drei Jahren haben wir bereits den „proof of concept“ für diese Methode publiziert, die wir nun zum ersten Mal auch im großen Maßstab erfolgreich angewendet haben“, fügt Detlef Weigel hinzu.

Gerade bei einem Mutantenscreening, bei dem neben den gesuchten unbekannten Mutanten auch zahlreiche bereits bekannte Mutationen ein Experiment begleiten, war das Aussortieren der Mutanten bisher extrem zeitaufwendig. „Durch die modernen Sequenzierungsverfahren können wir die Mutanten sowohl kartieren, als auch identifizieren“, erklärt Weigel. Pro Mutante müssten die Forscher aktuell wenige hundert Euro investieren.

Phosphatase reguliert

Die Forscher identifizierten in sechs mutierten Pflanzen die Phosphatase CPL1 als Schlüsselkomponente in der Verarbeitung der Mikro-RNAs. Dieses Protein moduliert die Mikro-RNA-Produktion, indem es Phosphatreste von HYL1 entfernt, das daraufhin die Fertigstellung der Mikro-RNAs bewirkt. Diese lagern sich an ihre jeweils entsprechende Boten-RNA an und unterbinden so die Herstellung des Proteins.

„Es ist äußerst wichtig, dass die miRNA aus den Haarnadelstrukturen sehr präzise ausgeschnitten werden, da sie ansonsten ihre Ziel-mRNA nicht erkennen können“, erklärt Weigel. Die Phosphatase CPL1 dephosphoryliert eines der Helferproteine (RNA-bindende Proteine). Ist dieses Helferprotein phosphoryliert, funktioniert die Herstellung der miRNAs nicht mehr korrekt. Die Herstellung eines Proteins kann dann nicht mehr unterbunden werden“, so Weigel. Bei Tieren sei es genau umgekehrt, erklärt Weigel weiter. Im Gegensatz zu Pflanzen sei dort die Phosphorylierung wichtig für die miRNA-Biogenese.

„Wir haben einen Faktor gefunden, der die Verfügbarkeit des Regulators reguliert“, fasst Pablo Manavella die Ergebnisse zusammen. Mikro-RNAs seien zwar nur ein Genregulationsmechanismus unter vielen, lieferten aber wie ein Schalter eine besonders schnelle und effiziente Antwort auf geänderte Anforderungen. Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit Forschern vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) und dem Proteom-Centrum der Universität Tübingen.


Quelle:
Manavella, PA et al. (2012): Fast-forward genetics identifies plant CPL phosphatases as regulators of miRNA processing factor HYL 1. In: Cell, Vol. 151, 4, 9. November 2012, doi: 10.1016/j.cell.2012.09.039.
 


Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Pflanzenforscher entdecken neue Funktion für das Enzym Dicer
Kleine RNAs regulieren die Abwehr in der Tomate
Pflanzliche RNA greift in den Stoffwechsel ein