Schon gewusst? Unbekannte Vitaminquellen

Pflanzenvielfalt gegen Vitamin B-Mangel

14.03.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Früchte des Affenbrotbaums sind Lieferanten von Folsäure (Vitamin B9). (Bildquelle: © Nici Keil / Pixabay)

Die Früchte des Affenbrotbaums sind Lieferanten von Folsäure (Vitamin B9). (Bildquelle: © Nici Keil / Pixabay)

Eine Studie hat über 1 000 essbare Pflanzen mit potentiell hohem Gehalt an B-Vitaminen identifiziert. Sie könnten Vielfalt auf die Teller bringen und Mangelernährung in vielen Weltregionen entgegenwirken. Doch einige davon sind schon vom Aussterben bedroht. Die beteiligten Wissenschaftler:innen fordern dazu auf, die verfügbare pflanzliche Vielfalt gezielt zu nutzen und vor allem zu schützen – solange wir es noch können.

Es gibt mindestens 7 000 essbare Pflanzenarten, doch die Welt ernährt sich hauptsächlich von nur einer Handvoll. Weizen, Reis und Mais decken etwa 60 Prozent unserer pflanzlichen Kalorienaufnahme. Eine solche Abhängigkeit ist nicht nur in Zeiten von Missernten, Klimaveränderungen und Kriegen problematisch.

Pflanzenvielfalt gegen Mangelernährung

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Heimischer Hafer ist eine wichtige Quelle für Thiamin (Vitamin B1). Doch auch andere Arten wie der äthiopische Hafer haben enormes Potenzial für die Ernährungssicherung.

Heimischer Hafer ist eine wichtige Quelle für Thiamin (Vitamin B1). Doch auch andere Arten wie der äthiopische Hafer haben enormes Potenzial für die Ernährungssicherung.

Bildquelle: © krystianwin / Pixabay

Weltweit leiden noch immer zu viele Menschen an Hunger und Unterernährung. Es kommt noch eine weitere Belastung hinzu: der Mangel an Mikronährstoffen durch eine einseitige und nährstoffarme Ernährung. Man spricht dabei auch von „verstecktem Hunger“, weil die Anzahl der zugeführten Kalorien an sich ausreichend ist. Rund zwei Milliarden Menschen weltweit leiden unter einem solchen Nährstoffmangel, der schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann. Vitamine und Mineralstoffe sind vor allem für heranwachsende Kinder besonders wichtig. So kann beispielsweise ein Vitamin A-Mangel zu Erblindung führen. „Versteckter Hunger“ ist aber nicht nur ein Problem in armen Ländern, sondern tritt auch in reichen Ländern auf.

Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung wirkt dem entgegen. Vor allem Pflanzen kommt hier eine entscheidende Bedeutung zu. Doch es gibt viele essbare Pflanzen, die nur regional verbreitet bzw. noch nicht ausreichend für die Ernährung erschlossen sind. Darüber hinaus wurde bisher nur von wenigen Tausend „Esspflanzen“ der Nährstoffgehalt bestimmt. Viele essbare Pflanzen könnten also ein noch unbekannter Schatz an Nähstoffen sein!

Neue Quellen für B-Vitamine

Daher hat sich ein Forschungsteam daran gemacht, das Mikronährstoffprofil von über 6 000 essbaren Pflanzenarten durch phylogenetische Analysen abzuleiten. Ziel war es, neue Quellen von mehreren B-Vitaminen zu identifizieren. Diese Vitamingruppe besteht aus insgesamt acht Vitaminen, die regelmäßig über die Ernährung aufgenommen werden müssen, da der Körper sie weder selbst produzieren noch ausreichend speichern kann. Sie helfen uns, Energie aus der Nahrung zu gewinnen und ein gesundes Nervensystem aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sind sie wichtig für die Bildung roter Blutkörperchen und die Vorbeugung von Geburtsfehlern.

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Es gibt acht verschiedene B-Vitamine:

Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B2 (Riboflavin), Vitamin B3 (Niacin), Vitamin B5 (Pantothensäure), Vitamin B6 (Pyridoxin, Pyridoxal, Pyridoxamin), Vitamin B7 (Biotin), Vitamin B9 (Folsäure) und Vitamin B12 (Cobalamin).

Derzeit sind die relevantesten Quellen für B-Vitamine Fleisch, Meeresfrüchte, Milchprodukte, Eier, Hülsenfrüchte und einige frische Früchte. Doch das Forschungsteam vermutete, dass es noch deutlich mehr pflanzliche Quellen gibt, die nicht oder zu selten auf unseren Tellern landen.

Das Team fand schließlich 1 044 Pflanzenarten, die als potenzielle B-Vitamin-Quellen in Betracht kommen. Darunter befinden sich beispielsweise Fingerhirsearten (Digitaria) wie die Foniohirse und ihre wilden Verwandten, die in den Savannen Westafrikas beheimatet sind. Mehrere Haferarten (Avena), die in ganz Europa verbreitet sind, können wichtige Quellen für Thiamin (B1) sein. Aber auch der wenig genutzte äthiopische Hafer (Avena abyssinica) hat hohes Potenzial für die Ernährungssicherung.

Die Gefahr: Aussterben bevor sie genutzt werden können

Doch dann schaute sich das Team den Bedrohungsstatus dieser Pflanzen an: Von den über 1 000 Arten sind 63 in freier Wildbahn vom Aussterben bedroht. Ein Beispiel sind Affenbrotbäume (Baobab) auf Madagaskar, deren Früchte und Samen reich an Folsäure sind. Aber von vielen Arten ist auch überhaupt nicht bekannt, ob sie bedroht sind oder nicht. Darüber hinaus werden rund 25 Prozent der Arten derzeit nicht in Genbanken aufbewahrt. Sollten sie verschwinden, dann wären sie für immer für die Menschheit verloren. Viele der gefährdeten nährstoffreichen Arten stammen aus Gegenden der Welt, wo derzeit viele Menschen unterernährt sind, etwa in Südostasien oder Subsahara-Afrika. Gerade hier könnten sie als „Nahrungsergänzung“ glänzen, wenn sie gerettet würden.


Quelle:
Cantwell-Jones, A. et al. (2022): Global plant diversity as a reservoir of micronutrients for humanity. In: Nature Plants, (24. Februar 2022), doi: 10.1038/s41477-022-01100-6.

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Titelbild: Die Früchte des Affenbrotbaums sind Lieferanten von Folsäure (Vitamin B9). (Bildquelle: © Nici Keil / Pixabay)