Gentechnik als Lösung für Vitaminproblem

Mehr Vitamin B6 in Maniok dank transgener Pflanzen

29.10.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Blatt einer Maniokpflanze (Manihot esculenta). Maniok, auch Cassava genannt, ist eine wichtige Nahrungsquelle in Subsahara-Afrika. (Bildquelle: © Neil Palmer (CIAT)/flickr; CC BY-SA 2.0)

Blatt einer Maniokpflanze (Manihot esculenta). Maniok, auch Cassava genannt, ist eine wichtige Nahrungsquelle in Subsahara-Afrika. (Bildquelle: © Neil Palmer (CIAT)/flickr; CC BY-SA 2.0)

Ein internationales Forscher-Team konnte den Vitamin B6-Gehalt von Maniok (auch Cassava genannt) erhöhen. Die beiden dafür verantwortlichen DNA-Abschnitte stammen aus der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Die gentechnisch-veränderten Maniokpflanzen wären ein Lösungsansatz, um Vitamindefizite infolge der Mangelernährung großer Bevölkerungsschichten in Afrika auszugleichen. Mit ihrer Arbeit haben die Forscher den „proof of concept“ geliefert, also die Machbarkeit bewiesen. Ob Gentechnik ein gangbarer Weg für die bessere Versorgung mit Vitaminen wird, bleibt abzuwarten. Diese hängt von Regularien, aber vor allem von der Akzeptanz der Konsumenten ab.

Vitamine sind lebenswichtige organische Mikronährstoffe für Menschen und Tiere. Sie sind an zell- und körpereigenen Stoffwechselprozessen beteiligt und spielen als Cofaktoren für enzymatische Reaktionen eine wichtige Rolle. Viele Vitamine sind essentiell, d. h. sie können nicht vom Körper hergestellt und müssen durch die Nahrung aufgenommen werden.

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Sowohl die Blätter als auch die Wurzelknollen des Manioks werden verzehrt. Doch die Pflanze enthält nur geringe Mengen an Vitamin B6. Als Hauptnahrungsmittel kann Maniok daher zu einem Vitaminmangel führen.

Sowohl die Blätter als auch die Wurzelknollen des Manioks werden verzehrt. Doch die Pflanze enthält nur geringe Mengen an Vitamin B6. Als Hauptnahrungsmittel kann Maniok daher zu einem Vitaminmangel führen.

Bildquelle: Oben: © Neil Palmer (CIAT)/ flickr; CC BY-SA 2.0/Unten: © David Monniaux/wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Pflanzen – vor allem rohes Obst und Gemüse – sind eine wichtige Quelle für Vitamine. Eine ausgewogene Ernährung, wie sie hierzulande erfreulicherweise den meisten Menschen zur Wahl steht, sorgt dafür, dass keine Mangelerscheinungen auftreten. Doch in Weltregionen, in denen eine unzureichende und einseitige Ernährung Alltag ist, sind Vitamine eine Mangelware. Vor allem Kleinkinder sind betroffen, für deren Entwicklung Fehl- und Unterernährung verheerende Folgen haben. Denn Menschen, die als kleine Kinder unter Mangelernährung litten, haben später als Erwachsene ein größeres Risiko Krankheiten oder Fehlfunktionen zu entwickeln. Die öffentlichen Gesundheitssysteme, die gerade in den ärmsten Ländern oft in einem desolaten Zustand sind, stellen diese Entwicklungen vor erhebliche Probleme.

Ein Beispiel dafür ist Vitamin B6 in einigen Regionen Afrikas. Für schätzungsweise 250 Millionen Anwohner von Subsahara-Afrika gilt Maniok (Manihot esculenta), der auch Cassava genannt wird, als Grundnahrungsmittel. Die Wurzelknollen und Blätter der Pflanze sind energiereich, enthalten jedoch nur wenig Vitamin B6. Zudem werden sie vor dem Verzehr gekocht, was zu weiteren Einbußen im Vitamingehalt führt. Um den Bedarf von 1,3 mg Vitamin B6 abzudecken, müsste mehr als ein Kilogramm Maniok täglich gegessen werden. Eine ungenügende Zufuhr an Vitamin B6 kann schwerwiegende Folgen haben. Unter anderem sind Herz-Kreislauf-Beschwerden, Diabetes und neurologische Erkrankungen mit dem Vitaminmangel assoziiert.

Artfremde Gene für mehr Vitamin B6

In ihrer Studie suchten Forscher eine Lösung für das Problem und fanden diese in einer anderen Pflanzenart. Mithilfe der Gentechnik erzeugten sie transgene Maniokpflanzen im Labor, die zwei Gene der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) enthielten. Die Gene der Ackerschmalwand kodieren für die Enzyme, PDX1 und PDX2. Seit längerem ist bekannt, dass PDX2 für eine Glutaminase und PDX1 für eine Synthase Domäne der Glutamine Amidotransferase (PLP Synthase) kodieren. Beide Enzyme sind somit maßgeblich an der Vitamin-B6-Synthese beteiligt. Damit die Gene auch in Maniok ihre Arbeit verrichten, wurden diese mit spezifischen Promotoren ausgestattet. Diese stellte sicher, dass die Enzyme entweder in den Wurzeln oder in den Blättern des Manioks exprimiert wurden.

Im Vergleich zu den Wurzeln und Blättern der nicht veränderten Wildtypen konnten sie eine zwei- bis zu 48-fache Erhöhung des Vitamin-B6-Gehalts nachweisen. Konzentrationen, die eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B6 sicherstellen würden. Auch der Frage, ob die gebildeten Vitamine ernährungsphysiologisch relevant sind, gingen die Forscher nach. In Laborexperimenten mit menschlichen Darmzellen wiesen sie nach, dass die gebildeten Vitamine biologisch verfügbar sind. Sie können von den Darmzellen aufgenommen und vom Körper genutzt werden.

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Zwei Gene aus der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) wurden von den Forschern in das Erbgut des Manioks eingeführt, um den Vitamin-B6-Gehalt zu erhöhen.

Zwei Gene aus der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) wurden von den Forschern in das Erbgut des Manioks eingeführt, um den Vitamin-B6-Gehalt zu erhöhen.

Bildquelle: © Alberto Salguero / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Die GV-Pflanzen gelten als „stabil“

Im Gewächshaus und in Feldexperimenten stellten die Autoren der Studie fest, dass die transgene Pflanzen stabil sind. Das bedeutet, dass die durch Gentechnik eingeführten Merkmale nach vegetativer Fortpflanzung erhalten bleiben und auch Standortfaktoren wie Bodenbeschaffenheit, Nährstoffversorgung oder das Wetter keine negativen Einflüsse haben. Auch phänotypisch, also äußerlich, traten keine unerwünschten Entwicklungen auf. Solche Prüfungen sind wichtig, um eine mögliche Nutzung der Pflanze in der Landwirtschaft zu beantragen.

Ob und wann es zu einem landwirtschaftlichen Einsatz von GV-Maniok kommen wird, ist offen. Damit die Schwelle zur Nutzung der neuen Sorten möglichst gering bleibt, verzichten die Autoren auf eine Patentierung. Der Nutzen für die Kleinbauern und ihre Familien in den Entwicklungsländern soll so möglichst hoch bleiben.

Ob die Akzeptanz von gentechnisch-veränderten Organismen die Sorgen um die Risiken überwinden wird, muss die Zukunft zeigen. Maniok ist keine Pflanze für den Export, sondern für den lokalen Verzehr. Somit haben Nachteile beim Handel keinen Einfluss auf die Entscheidung der Bauern.

Essen für zehn Milliarden Menschen

Angesichts der weltweit rasant steigenden Bevölkerung ist es notwendig, die globale Versorgung mit nachhaltigen Nahrungsmitteln zu sichern. Dies mit GV-Pflanzen zu erzielen, scheint für viele ein Widerspruch. Doch sind Einwände und Ängste gegenüber GVO immer rechtfertigt? Sicher steht, dass die Biotechnologie enorme Veränderungen in der Forschung bewirkt hat.

Die Frage, ob wir höhere Erträgen oder niedrigeren Konsum anstreben müssen, ist eine Fragen die nicht auf einer Entweder-oder-Basis beantwortet werden kann. 


Quellen:

  • Li, K.-T. et al. (2015): Increased bioavailable vitamin B6 in field-grown transgenic cassava for dietary sufficiency. In: Nature Biotechnology 33(10):1029-32, (8. Oktober 2015), doi:10.1038/nbt.3318.
  • Pressemitteilung von der ETH Zürich vom 9. Oktober 2015.

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Titelbild: Blatt einer Maniokpflanze (Manihot esculenta). Maniok, auch Cassava genannt, ist eine wichtige Nahrungsquelle in Subsahara-Afrika. (Bildquelle: © Neil Palmer (CIAT)/flickr; CC BY-SA 2.0)