Wild-Einkorn

Genomanalysen des Urgetreides könnten die Züchtung von domestiziertem Einkorn und Brotweizen voranbringen

28.08.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ähre des Einkorns (Triticum monococcum). Diese Pflanze wird auch Blicken oder Kleiner Spelz genannt und ist eine der ältesten domestizierten Getreidearten. (Bildquelle: © LepoRello/Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)

Ähre des Einkorns (Triticum monococcum). Diese Pflanze wird auch Blicken oder Kleiner Spelz genannt und ist eine der ältesten domestizierten Getreidearten. (Bildquelle: © LepoRello/Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)

Wildeinkorn ist mit modernem Einkorn und auch mit Brotweizen verwandt. Ein besseres Verständnis von dessen Genom könnte nun dazu beitragen, züchtungsrelevante Mutationen auch in polyploiden Weizenarten schneller zu identifizieren.

Es ist eines unserer Urgetreide – und jetzt auch vollständig sequenziert: Einkorn wurde von Menschen schon vier Jahrtausende vor Beginn der ersten Landwirtschaft als Nahrungsmittel genutzt und erfüllt diese Funktion bis heute. Selbst im modernen Brotweizen hat das Urgetreide seine genetischen Spuren hinterlassen. Einem internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, das Einkorngenom einschließlich der Centromer-Regionen zu entschlüsseln und daraus Rückschlüsse auf die Evolution des Getreides zu ziehen. Profitieren dürfte davon auch die Züchtung moderner Einkorn- und Brotweizensorten.

Wertvolle Quelle genetischer Variation

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Einkorn stammt vom wilden Weizen (Triticum boeoticum) ab.

Einkorn stammt vom wilden Weizen (Triticum boeoticum) ab.

Bildquelle: © Roger Culos / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0

Einkorn (Triticum monococcum) ist heute die einzige diploide Weizenart, von der es sowohl Wildformen als auch Zuchtsorten gibt. Die Art ist eng verwandt mit Triticum urartu, von dem das A-Genom im tetraploiden Hartweizen (Triticum durum) und im hexaploiden Brotweizen (Triticum aestivum) stammt. Weil Einkorn seit so langer Zeit an klimatisch unterschiedlichen Orten wächst und kultiviert wurde, ist es eine wertvolle Quelle genetischer Variation für die Weizenzüchtung. Zahlreiche natürliche wie züchterische Einkorn-Introgressionen in Brotweizen haben große agrikulturelle Bedeutung.

Um die genetischen und evolutionären Zusammenhänge besser zu verstehen, haben die Forschenden eine annotierte Referenz einer wilden Einkorn-Akzession aus dem Nordirak (TA299) und die einer domestizierten Einkorn-Akzession aus Albanien (TA10622) auf Chromosomen-Skala assembliert. Zum anderen sequenzierten sie ein „diversity panel“ aus 158 wilden und 61 kultivierten Akzessionen.

Sieben Referenzchromosomen assembliert

Bei den zusammengesetzten sieben Referenzchromosomen annotierte das Team jeweils rund 32.000 Genmodelle mit hoher Sicherheit. Neu war die Entdeckung einer etwa 1 Mb großen Tandem-Duplikation auf Chromosom 4A der domestizierten Akzession, in der ein Gen für einen MADS-Box-Transkriptionsfaktor kodiert. Assemblierungen mit kürzeren Fragmenten hatten diese bislang nicht auflösen können. Die Wildakzession hat diese Duplikation nicht und nur eine einzige Kopie des MADS-Box-Gens. Weitere Analysen ergaben, dass die Wildrasse β als einzige Wildrasse die Duplikation ausweist, die damit schon vor der Domestizierung existiert hat. Brotweizen besitzt die Duplikation hingegen nicht. Zweite weitere große Duplikationen fand das Forschungsteam auf Chromosom 2A der Wildakzession.

Gelungen ist den Forscher:innen, auch die Centromer-Regionen zu assemblieren. Das ist schwieriger, weil die dortigen Sequenzen hoch repetitiv sind. Doch obwohl die Funktion des Centromers bei Eukaryoten hoch konserviert ist, variiert die genetische Sequenz erheblich. In beiden assemblierten Akzessionen besitzen die funktionalen Centromere zwischen einem und neun Genen. Lediglich Chromosom 7A der Wildakzession fällt mit 39 annotierten Genen aus der Reihe. In CENH3-reichen Domänen werden die meisten Gene nicht exprimiert, bei den übrigen Centromer-Genen variieren die Aktivitätslevel. Anders als aus A. thaliana bekannt, fanden sich keine megabasen-langen Tandem-Satelliten-Repeats. Co-lineare Sequenzen wiesen beide Akzessionen angrenzend an die funktionalen Centromere auf. Die funktionalen Centromere selbst zeigten hingegen praktisch keine Co-Linearität. Auffällig waren zudem die vielen Inversionen im Umfeld der Centromere, die wahrscheinlich wesentliche Treiber der Evolution dieser Chromosomenregionen sind.

Immer wieder Introgressionen von Wildeinkorn

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Die Spelzen des Einkorns.

Die Spelzen des Einkorns.

Bildquelle: © gemeinfrei / Wikipedia

Die Vergleiche der 219 Einkorn-Akzessionen deuteten darauf hin, dass die Domestizierung auf eine eher kleine Wildpopulation der β-Rasse zurückgeht, die auch mit den heutigen β-Akzessionen noch eng verwandt ist. Zu einem späteren Zeitpunkt dürfte es dann – vermutlich im Nordwesten der Türkei – Introgressionen aus der γ-Rasse gegeben haben. Sie machen im Durchschnitt knapp sieben Prozent des domestizierten Einkorn-Genoms aus und haben dazu beigetragen, die genetische Vielfalt im Genpool domestizierter Akzessionen zu erhöhen. Das passt zu den beiden Routen, auf denen sich im Verlauf der weiteren Kultivierung Einkorn ausbreitete: Eine führt von den Ursprüngen in der Karacadağ-Region im Südosten der Türkei über den Nordwesten nach Europa, wo die γ-Einflüsse dazu beigetragen haben könnten, die Art an das abweichende Klima anzupassen. Die andere Route führte nach Osten Richtung Georgien. Akzessionen aus dieser Region weisen kaum Einflüsse der γ-Rasse auf. Generell weist domestiziertes Einkorn eine kaum verringerte genetische Vielfalt auf, was auf kontinuierlichen Genfluss aus Wildeinkorn auch noch nach der Domestizierung hindeutet.

Im Erbgut des heutigen Brotweizens finden sich der Studie zufolge verteilt auf zehn untersuchte Kultivare insgesamt 171 Einkorn-Segmente mit einer Gesamtgröße von etwa 470 Mb. Rund ein Prozent des A-Genoms des Brotweizens dürfte aus Einkorn-Introgressionen bestehen. Sie gehen vermutlich zurück auf Hybridisierungen von tetra- oder hexaploidem Weizen und domestiziertem Einkorn.

Nutzen als Modellpflanze für die Weizenzüchtung

Die nun vorliegenden Genomdaten des diploiden Einkorns machen es zu einer interessanten Modellpflanze, um rezessive Gene zu klonen, deren Phänotyp in polyploiden Pflanzen oft maskiert wird. Dass diese Annahme funktioniert, bestätigte das Forschungsteam am Beispiel des Gens tiller inhibition 3. Dank der genomischen Ressourcen des Einkorns konnten die Forscher:innen schnell die für einen bestimmten Phänotyp der Sprossarchitektur verantwortliche Mutation in den orthologen Genen sowohl bei diploiden als auch polyploiden Weizens identifizieren. Das Forschungsteam hofft daher, dank seiner Arbeit die züchterische Optimierung von Einkorn und Brotweizen zu beschleunigen.


Quelle:
Ahmed, H. I., et al. (2023). Einkorn genomics sheds light on history of the oldest domesticated wheat. In: Nature, online (2. August 2023). doi: 10.1038/s41586-023-06389-7

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Titelbild: Ähre des Einkorns (Triticum monococcum). Diese Pflanze wird auch Blicken oder Kleiner Spelz genannt und ist eine der ältesten domestizierten Getreidearten. (Bildquelle: © LepoRello/Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)