Genomforschung für ausgezeichnete Weine

Das Projekt „SelWineQ“

21.09.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Wein von neuen pilzresistenten Rebensorten soll auch sehr gut schmecken. Damit das gelingt, hat das Projekt

Der Wein von neuen pilzresistenten Rebensorten soll auch sehr gut schmecken. Damit das gelingt, hat das Projekt "SelWineQ" Qualitätsmarker bestimmt, die Züchter:innen nutzen können. (Bildquelle: © NickyPe / Pixabay)

Die Rebenzüchtung hat ein großes Ziel: pilzwiderstandsfähige Reben (PIWIs) zu züchten, die idealerweise auch ohne den Einsatz von Fungiziden gute Erträge liefern. Dadurch wird der Weinbau deutlich umweltfreundlicher. Für den Erfolg der neuen Rebsorten ist aber entscheidend, dass die aus den Trauben gewonnenen Weine auch sehr gut schmecken. Doch die gezielte Selektion auf eine hohe Widerstandskraft gegen Pilzkrankheiten kann schnell auf Kosten der Weinqualität gehen. Dieses Problem will das Projekt „SelWineQ“ lösen.

Das Forschungsprojekt schlägt erstmals eine Brücke zwischen der erhöhten Widerstandskraft gegen Pilzkrankheiten und der Erhaltung der Weinqualität. Dazu durchforsten die beteiligten Wissenschaftler das Erbgut (Genom) der Weinrebe (Vitis vinifera) und die aus den Trauben hergestellten Weine, um herauszufinden, welche Gene sich positiv oder negativ auf die Weinqualität auswirken. Züchter:innen können dann mit Hilfe daraus abgeleiteter Qualitätsmarker neue PIWI-Sorten erheblich schneller und zielgerichteter entwickeln.

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Der Echte Mehltau ist eine gefürchtete Pflanzenkrankheit, die durch Schadpilze verursacht wird.

Der Echte Mehltau ist eine gefürchtete Pflanzenkrankheit, die durch Schadpilze verursacht wird.

Bildquelle: © JKI

Das Projekt SelWineQ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“ gefördert. Das Projekt startete Ende 2016 und befindet sich nun in der dritten Projektphase, die Anfang 2026 abgeschlossen wird.

Die Projektpartner und Ziele

Wissenschaftliche Partner:

  • Julius Kühn-Institut (JKI) – Institut für Rebenzüchtung: Prof. Dr. Reinhard Töpfer, Dr. Florian Schwander, Dr. Franco Röckel
  • Technische Universität Dresden – Institut für Botanik: Prof. Dr. Stefan Wanke, Dr. Lena Frenzke, Dr. Julia Naumann
  • Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) – Rheinpfalz – Institut für Weinbau und Oenologie: Prof. Dr. Ulrich Fischer (Projektkoordinator), Dr. Jochen Vestner,  Dr. Jörg Gottmann

Industriepartner:

Damit PIWIs einen höheren Marktanteil erreichen, müssen diese Weine bei den Verbraucher:innen gut ankommen. Doch hier hat die Züchtung noch ein Problem: Geeignete Selektionsmarker für wichtige Pilz-Resistenzen gibt es reichlich, doch fehlen sie bislang für die Weinqualität. Mit genetischen Analysen können die Züchter daher nicht frühzeitig feststellen, ob eine neue Kreuzung auch qualitativ den hohen Anforderungen der Konsument:innen genügt. Erst nach ca. drei Jahren - nachdem die ersten Trauben geerntet und der Wein produziert und verkostet wurde - löst sich das Rätsel. Durch markergestützte Selektion soll dies nun bereits bei ganz jungen Rebpflanzen möglich werden. Dies spart erheblich Zeit und Kosten.

Das Vorgehen

Aufbau einer Untersuchungspopulation

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Calardis Musqué ist eine Rebensorte mit hoher Widerstandskraft gegen Schadpilze. Durch Kreuzung mit ihr sollen neue resistente Sorten erzeugt werden.

Calardis Musqué ist eine Rebensorte mit hoher Widerstandskraft gegen Schadpilze. Durch Kreuzung mit ihr sollen neue resistente Sorten erzeugt werden.

Bildquelle: © Ursula Brühl/JKI

Zu Beginn des Projektes wurden eine resistente Rebsorte (Calardis Musqué) und eine teilweise resistente Rebsorte (Villard Blanc) miteinander gekreuzt. 150 Nachkommen dieser Kreuzung kultivieren die Wissenschaftler:innen seit 2017 am JKI in Siebeldingen (Geilweilerhof) und auf Flächen des DLR Rheinpfalz in Neustadt an der Weinstraße. Aus den Trauben dieser Kreuzungsnachkommen wurden jeweils vier Liter Weißwein am JKI ausgebaut – aufgrund der geringen Mengen spricht man von Mikrovinifikation.

Bereits fünf Jahrgänge der neuen Weine wurden vom Industriepartner im Labor genauestens analysiert. Dabei wird beispielsweise der Säuregehalt und Zuckergehalt der Weine erfasst sowie alle für den Stoffwechsel relevanten Verbindungen – das Metabolom. Darüber hinaus untersucht das DLR Rheinpfalz gezielt die Aromastoffe der neuen Weine.

Ranking der Weinqualität

Nach der Weinherstellung folgen sensorische Analysen am DLR Rheinpfalz. Über ein Dutzend geschulte Verkoster beurteilten jeweils Geruch, Geschmack und Farbe sowie weitere Merkmale nach dem internationalen Bewertungssystem der Internationalen Organisation für Rebe und Wein – OIV). Die Beschreibung des sogenannten sensorischen Phänotyps in Kombination mit der qualitativen Bewertung der Eigenschaften ergibt eine Gesamtqualitätsnote der einzelnen Weine.

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Mikrovinifikation: Weinherstellung im Kleinformat. Aus den Trauben der Kreuzungsnachkommen wurden am Institut für Rebenzüchtung des Julius Kühn-Institutes jeweils vier Liter Weißwein produziert und dann von geschulten Verkostern beurteilt. 

Mikrovinifikation: Weinherstellung im Kleinformat. Aus den Trauben der Kreuzungsnachkommen wurden am Institut für Rebenzüchtung des Julius Kühn-Institutes jeweils vier Liter Weißwein produziert und dann von geschulten Verkostern beurteilt. 

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Dabei werden ebenfalls die unterschiedlichen Jahrgänge probiert und verglichen. „Man kann es nicht bei einem Jahrgang belassen, weil jeder Jahrgang anders ist. Der aktuelle Jahrgang 2022 ist einer der extremsten, die ich je erlebt habe. Auf die Hitze und Trockenheit im Sommer folgte ab Anfang September die Kälte und viel Niederschlag. Man braucht fünf oder sechs Jahrgänge, um diese große klimatische Variabilität mit in das Kalkül hineinzunehmen“, erklärt Projektkoordinator Professor Ulrich Fischer vom DLR Rheinpfalz.

Vergleich der besten und schlechtesten Weine

Von allen untersuchten Weinen der Kreuzungsnachkommen wurden jeweils die 30 besten und am schlechtesten bewerteten Weine ausgewählt und deren Eigenschaften verglichen. Das Team konnte so spezifische Eigenschaften und Aromaverbindungen für „guten“ und „schlechten“ Wein identifizieren. „Das war gut für uns, denn dann konnten wir im Genom schauen, welche Gene mit den jeweiligen Eigenschaften korrelieren“, sagt Fischer. Konkret werden dafür die Stoffwechselinformationen mit genetischen Daten verknüpft, um genomische Regionen zu bestimmen, die mit Weinqualitätsmerkmalen in Verbindung stehen. Ein Ergebnis: „Gene, die mit der Steuerung der Véraison – das ist der französische Begriff für den Reifebeginn der Beeren – zusammenhängen, spielen eine wichtige Rolle für die Weinqualität“, beschreibt Fischer.

Qualitätsmarker für die Züchtung

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Die Kreuzungsnachkommen werden sequenziert und nach sogenannten Quantitative Trait Loci (QTL) gesucht, die mit guten und schlechten Qualitätseigenschaften des Weins korrellieren. Genetische Marker im Bereich dieser Genomabschnitte können dann Züchter:innen bei der Marker-gestützten Selektion nutzen.

Die Kreuzungsnachkommen werden sequenziert und nach sogenannten Quantitative Trait Loci (QTL) gesucht, die mit guten und schlechten Qualitätseigenschaften des Weins korrellieren. Genetische Marker im Bereich dieser Genomabschnitte können dann Züchter:innen bei der Marker-gestützten Selektion nutzen.

Bildquelle: © iStock.com / isak55

Das Team der TU Dresden sequenziert nun alle 150 Nachkommen partiell. Dafür wurde in der ersten Projektphase eine Sequenziermethode (Genotyping by Sequencing) angepasst, um sie auch beim Wein erfolgreich anwenden zu können.

Das Genom von Weinreben besteht zu einem Großteil (ca. 70 Prozent) aus sich wiederholenden (repetitiven) Sequenzen. Daher ist nur ein kleiner Teil für die Suche nach Qualitätsmarkern wirklich von Relevanz – was die Aufgabe sehr anspruchsvoll macht.

Die Projektpartner vom Institut für Rebenzüchtung (JKI Siebeldingen) sind nun dabei, in den DNA-Sequenzen diejenigen Genomabschnitte (sogenannte Quantitative Trait Loci, kurz: QTL) zu finden, die mit den Qualitätseigenschaften der Weine korellieren. Im letzten Schritt werden dann molekulare Marker in der Nähe der QTLs identifiziert. Damit stehen am Ende qualitätsbezogene genetische und metabolische Marker sowohl für gute als auch schlechte Weinqualität zur Verfügung, die von Züchter:innen für die markergestützte Selektion (MAS) verwendet werden können.

Im Projekt wurde bereits eine genetische Karte der untersuchten Population erstellt, die über 20.000 Marker auf allen 19 Chromosomen der Weinrebe aufführt.

Präzisere Vorhersagemodelle durch Datenverknüpfung

Um mit den Genomdaten zuverlässigere Vorhersagen für die Weinqualität treffen zu können, sind mathematische Modelle hilfreich. Solche Algorithmen können genutzt werden, um alle im Projekt erhobenen genomischen, chemischen und sensorischen Daten miteinander zu verknüpfen. Bereits jetzt haben die ersten Vorhersagen überzeugt. Durch die Einbeziehung weiterer Jahrgänge kann die Vorhersagekraft der Modelle weiter verbessert werden.


Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Der Wein von neuen pilzresistenten Rebensorten soll auch sehr gut schmecken. Damit das gelingt, hat das Projekt "SelWineQ" Qualitätsmarker bestimmt, die Züchter:innen nutzen können.  (Bildquelle: © NickyPe / Pixabay)