Bildung ist die Wurzel des Wohlstands

Historische Landverteilung prägt Wohlstandsunterschiede in Europa bis heute

22.05.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Studie zeigt: In Regionen, die günstig für große Weizenfelder und Großgrundbesitz waren, entwickelten sich fest etablierte politische Eliten, die ihren Arbeitern kaum Zugang zu Bildung gewährten. (Bildquelle: © pixabay; CC0)

Studie zeigt: In Regionen, die günstig für große Weizenfelder und Großgrundbesitz waren, entwickelten sich fest etablierte politische Eliten, die ihren Arbeitern kaum Zugang zu Bildung gewährten. (Bildquelle: © pixabay; CC0)

Warum ist Wohlstand regional unterschiedlich verteilt? Eine Erklärung liefert die historische Struktur der Landwirtschaft vor über 100 Jahren, die auch das Bildungsniveau der Menschen beeinflusste. Die Auswirkungen sind bis heute in vielen Teilen Europas sichtbar.

Forscher der Universität Tübingen haben die Rolle der Landwirtschaft auf den Bildungsstandard in der Vergangenheit und die Auswirkungen auf die Gegenwart untersucht. In Literaturrecherchen sammelten sie Informationen aus über 300 Regionen in Europa um das Jahr 1900. Dazu zählten Daten zu geografischen, landwirtschaftlich relevanten Faktoren, z. B. Bodenfruchtbarkeit, Klima und Relief der Landschaft, aber auch über die Zahl und Größe der Höfe. Dies verglichen sie mit dem damaligen Bildungsniveau der Landbevölkerung, gemessen an den rechnerischen Fähigkeiten, und dem Lebensstandard. Dabei stellten sie fest, dass die Betriebsgröße eine nachhaltige Rolle spielte.

Weniger Bildung – weniger Wohlstand

Deutlich wird der Effekt am Beispiel Süd- und Osteuropas, das tendenziell schwächer entwickelt ist als der Norden: Um 1900 waren 52 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Großgrundbesitz (Höfe mit über 100 ha Land). Begünstigt wurde diese Form der Landwirtschaft durch natürliche Faktoren wie Klima und Boden, die den großflächigen Anbau von Zuckerrüben (Beta vulgaris) oder Getreide förderten. 36 Prozent der Fläche waren im Besitz von Kleinbetrieben (unter 20 ha).

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„Der Wohlstand korrelierte nicht einfach mit der Höhe der Ernteerträge, sondern mit der Struktur der Landwirtschaft, die vor Jahrhunderten entstand“, fasst Hippe die Ergebnisse zusammen. War die Bodengüte günstig für mittelgroße Bauernhöfe mit Vieh und etwas Getreideanbau, achteten die dort lebenden Bauern darauf, dass ihre Kinder eine gewisse Bildung erhielten.

„Der Wohlstand korrelierte nicht einfach mit der Höhe der Ernteerträge, sondern mit der Struktur der Landwirtschaft, die vor Jahrhunderten entstand“, fasst Hippe die Ergebnisse zusammen. War die Bodengüte günstig für mittelgroße Bauernhöfe mit Vieh und etwas Getreideanbau, achteten die dort lebenden Bauern darauf, dass ihre Kinder eine gewisse Bildung erhielten.

Bildquelle: © Petra Dirscherl / pixelio.de

Sowohl Groß- als auch Kleinbetriebe entpuppten sich jedoch als nicht förderlich für das Bildungsniveau. Während Großgrundbesitzer aus politischem und wirtschaftlichem Interesse weniger Wert auf die Bildung der Landbevölkerung legten, war in Kleinbetrieben Armut das Problem.

Mittlere Betriebe mit der höchsten Bildung

Nur acht Prozent der Betriebe waren hingegen von mittlerer Größe (20 bis 50 ha Land) und damit typische Familienbetriebe. Diese trugen aber am meisten zur Förderung des Bildungsniveaus bei. „Wer später einen landwirtschaftlichen Betrieb führen würde, sollte mit Kalendern, Wissen über Viehkrankheiten und Wetterlagen umgehen können“, erklärt Hippe den Zusammenhang.

In Regionen, die z. B. aufgrund von Gebirgen und Höhenzügen kleinräumiger waren, wie Nord- und Nordwesteuropa, Nordspanien oder Norditalien, waren kleine und unabhängige Familienbetriebe häufiger.

Auswirkungen sind bis heute spürbar

Die Auswirkungen der ungleichen Bildungsverteilung zeigen sich bis heute: Die Regionen, in denen die Forscher um 1900 ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau ausmachten, sind heute in der Regel wohlhabender als Regionen, in denen Bildung aus politischen oder wirtschaftlichen Interessen verhindert wurde. So sind Regionen im südlichen Italien, in Spanien, Ungarn, in Teilen Russlands oder in Südpolen wirtschaftlich schwächer als viele Regionen im Norden oder Nordwesten Europas.

Die ungleiche Verteilung von Landbesitz, historisch gewachsen, legte damit bereits vor Jahrhunderten den Grundstein für die spätere Entwicklung einer Region, auch wenn diese landwirtschaftlichen Strukturen heute nicht mehr sichtbar sind.

Die Forscher betonen, dass eine gerechte Landverteilung wichtig ist für Länder, die sich heutzutage in einem ähnlichen Stadium befinden. Denn sie legt die Grundlage für Bildung und damit für den späteren Wohlstand der gesamten Region.


Quelle:
Baten, J. und Hippe, R. (2017): Geography, land inequality and regional numeracy in Europe in historical perspective. In: Journal of Economic Growth 23: 79, (März 2018), doi: 10.1007/s10887-017-9151-1.

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Titelbild: Studie zeigt: In Regionen, die günstig für große Weizenfelder und Großgrundbesitz waren, entwickelten sich fest etablierte politische Eliten, die ihren Arbeitern kaum Zugang zu Bildung gewährten. (Bildquelle: © pixabay; CC0)