Der „trojanische Pilz“ der Maisforschung
Neue Methode für präzise Analyse von Proteinfunktionen
Es ist relativ schwierig, Maisproteine unter natürlichen Bedingungen zu untersuchen. Für viele molekularbiologische Methoden ist diese Pflanze schwer oder gar nicht zugänglich. Mit einem Pilzpathogen als Vektor ist das nun beispielhaft für ein wichtiges Signalprotein der Blütenentwicklung gelungen.
Mais ist eine der am häufigsten angebauten Pflanzen der Welt und hat enorme Bedeutung als Nahrungsmittel, Futtermittel und Rohstoff für Bioenergie. Trotz intensiver Forschung sind auch heute noch zahlreiche für die Züchtung relevante Fragen offen. Besonders schwierig gestalten sich Untersuchungen, in welchen Zellen und zu welchem Zeitpunkt der Entwicklung bestimmte Proteine aktiv sind und was sie genau bewirken. Aber nur so lässt sich aufklären, an welchen Prozessen in der Pflanze die jeweiligen Proteine beteiligt sind. In der Regel sind für derartige Studien Transformationen des Maisgenoms notwendig, verbunden mit Fragen nach dem geeigneten Promotor, nach Positionseffekten bei der Transkription und vielem mehr.
Maisbeulenbranderreger als Vektor
Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universitäten Köln und Regensburg hat jetzt eine neue Methode entwickelt, die derartige Analysen bedeutend beschleunigen könnte. Zum Vorbild haben sich die Pflanzenforscher dabei das Trojanische Pferd aus der homerischen Saga genommen. Anstelle eines Holzpferdes kam der Erreger des Maisbeulenbrands, Ustilago maydis, zum Einsatz. Durch gentechnische Methoden bringt man zunächst den Pilz dazu, das zu untersuchende Protein herzustellen und auszuscheiden. Durch Wahl geeigneter Promotoren können die Wissenschaftler zusätzlich steuern, wann das entsprechende Gen im Pilz aktiviert wird. Infizieren die Wissenschaftler die Maispflanze dann mit dem Pilz, sollten sie zum entsprechenden Zeitpunkt den Effekt des Proteins im Pflanzengewebe beobachten können – so die Theorie.
Ob das auch in der Praxis funktioniert, testete das Forscherteam mit dem Signalprotein ZmMAC1 (Zea mays MULTIPLEARCHESPORIALCELLS1). Die Wissenschaftler wollten damit herausfinden, wann und wie das Protein in die somatische Entwicklung der Staubbeutel eingreift und die Blütenbildung beeinflusst. Das Protein ist ein guter Kandidat für das neue Verfahren, da eine externe Applikation des Protein nicht erfolgreich wäre: Es müsste bis in die subepidermalen Schichten der Staubbeutel vordringen, die von den Deckblättern des Blütenstandes – Deckspelze und Vorspelze – abgeschirmt sind. Auch das Timing wäre schlechter zu kontrollieren als beim Einsatz des Pilzes, dessen Infektionsgeschwindigkeit genau bekannt ist.
Funktional und zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Mais zu transformieren, um eine Überexpression des Proteins zu erreichen, wäre als Alternative nicht nur teurer und aufwendiger. Es würde auch nicht den unmittelbaren Vergleich von Zellen mit und ohne ZmMAC1 ermöglichen. Nur durch diesen Vergleich lässt sich jedoch die Frage klären, ob ZmMAC1 ein zellautonomes Signal ist, also nur die individuelle Zelle betrifft.
Zunächst überprüfte das Team, ob der transformierte Pilz erfolgreich ZmMAC1 produziert und in den Apoplast der Staubbeutelzellen sekretiert. Erwartungsgemäß sonderten die Pilze das korrekt gefaltete Protein zum erwarteten Zeitpunkt ab. In Analysen mit Mais ohne ZmMAC1 zeigte sich, dass das so eingeschleuste Protein funktional ist.
Am Ende erwies sich die neue Methode als erfolgreich und die Forscher konnten die Funktion des Proteins aufklären: ZmMAC1 stimuliert die parallel zur Oberfläche orientierte Teilung sogenannter L2-d-Zellen, aus denen die mittlere Zellschicht der Lappen der Staubbeutel besteht. Dazu dockt es an den ebenfalls identifizierten Rezeptor ZmMSP1. Die Untersuchungen zeigten außerdem, dass ZmMAC1 zellautonom wirkt: Es bewegt sich nur geringfügig im Apoplast, und die infizierten Zellen beeinflussten nicht das Teilungsverhalten benachbarter, nicht infizierter Zellen.
Methode auf viele Konstellationen übertragbar
In einer zweiten internationalen Studie haben die deutschen Forscher den neuen Ansatz inzwischen verifiziert. Mit den gleichen Mitteln analysierten sie das bis dahin unbekannte Maisprotein ZmZIP1. Maispflanzen wurden durch die „trojanische“ Verabreichung dieses Proteins gegenüber bestimmten Schädlingen resistenter.
Die neue Methode ist den Forschern zufolge nicht auf Mais und den Maisbeulenbrand beschränkt: „Die Trojanische-Pferd-Strategie sollte mit jeder Wirt-Pathogen-Konstellation möglich sein, in der das Pathogen für genetische Modifikationen zugänglich ist und den Wirt durch Abscheidungen beeinflusst“, so das Resümee. Die Pflanzenforscher der Universität Regensburg jedenfalls wollen die Methode weiter nutzen, um schnell und kostengünstig zahlreiche Maisproteine auf ihre Funktion in der pflanzlichen Blütenentwicklung zu testen. Die Blütenentwicklung und deren Kontrolle sind besonders interessante Ansatzpunkte, da damit die Bestäubung kontrolliert und der Ertrag der Pflanze beeinflusst werden kann.
Quelle:
Van der Linde, K. et al. (2018): Pathogen Trojan Horse delivers bioactive host protein to alter maize (Zea mays) anther cell behavior in situ. In: The Plant Cell, 30: 528–542 (März 2018), doi: 10.1105/tpc.17.00238.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Pflanzen-Pathogen-Interaktion
- Brandpilze und Maispflanzen rüsten auf
- Wer rastet, der rostet - Pilzkrankheiten, ihre Bedeutung und Geschichte
- Neue Funktionen für alte Gene - Die Evolution des Maises profitiert von regulatorischer Neufunktionalisierung
Titelbild: Fungiert als Trojanisches Pferd: Der Erreger des Maisbeulenbrands. (Bildquelle: © Hans-Martin Scheibner/wikimedia.org/CC-BY-SA-3.0)