Für mehr Klimaresilienz und Ernährungssicherheit

Forscher:innen benennen wichtigste Pflanzeneigenschaften

26.10.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Perlhirse (Pennisetum glaucum) ist eins der wichtigsten Getreide in Afrika, da sie sehr gut mit hohen Temperaturen zurechtkommt. (Bildquelle: © Ilo / Pixabay)

Die Perlhirse (Pennisetum glaucum) ist eins der wichtigsten Getreide in Afrika, da sie sehr gut mit hohen Temperaturen zurechtkommt. (Bildquelle: © Ilo / Pixabay)

Welche Eigenschaften müssen Nutzpflanzen besitzen, damit wir auch in Zukunft noch genug zu essen haben? Dieser Frage ist ein Forschungsteam nachgegangen und holte sich dazu den Rat von 600 Landwirtschaftexpert:innen. Dabei ging es vor allem um wichtige Nahrungspflanzen im Süden Afrikas.

Trotz Klimawandel eine nachhaltige Lebensmittelsicherheit für eine steigende Weltbevölkerung zu erreichen, ist die größte Herausforderung, der sich die Landwirtschaft gegenübersieht. Forscher:innen erwarten bis 2050 globale Ertragseinbrüche bis zu 17 Prozent sowie eine Abnahme der Nährwerte der einzelnen Pflanzenarten bei steigenden CO2-Gehalten in der Atmosphäre. Gleichzeitig mit Extremwetterereignissen werden Schädlinge und Krankheiten zunehmen. Und die Zeit wird knapp. Was also tun? Die Lösung könnte eine gezielte Züchtung auf spezielle Pflanzeneigenschaften sein, mit denen Forscher:innen wichtige Nutzpflanzen fit für zukünftige Herausforderungen machen wollen. In einer neuen Studie haben Forscher:innen daher knapp 600 Expert:innen befragt, welche Zuchtziele sie in Zukunft für sechs bedeutende Nutzpflanzenarten in Afrika südlich der Sahara als unverzichtbar erachten, um dem Klimawandel begegnen zu können.

Bedrohungen und notwendige Anpassungen

#####1#####
Die Erdnuss (Arachis hypogaea) soll zukünftig eine verbesserte Wassernutzungseffizienz bekommen.

Die Erdnuss (Arachis hypogaea) soll zukünftig eine verbesserte Wassernutzungseffizienz bekommen.

Bildquelle: © Prasentator / Pixabay

Die größte Bedrohung neben dem Klimawandel selbst ist laut Forscher:innen ein Weiterführen des "business as usual". Aktuell werden Nahrungsmittel global weder nachhaltig noch in ausreichender Menge produziert, um alle Menschen mit genug Nährstoffen zu versorgen. Dazu kommen politische Krisen, die die Aufmerksamkeit der internationalen Politik und auch große finanzielle Ressourcen anderweitig binden, so dass sie in der Forschung fehlen. Dabei müsse sehr viel getan werden und das schnell: Eine Umfrage unter 588 Experten zeigt, welche Bedrohungen sie am meisten fürchten. Dazu gehören vor allem klimatische Veränderungen wie geringere Niederschläge, höhere Temperaturen, Extremwetterereignisse und neu entstehende oder sich verstärkende Probleme mit Schädlingen und Krankheiten. Dazu kommen Bodendegradation durch Erosion und der Verlust der Bodenfruchtbarkeit, die besonders für die Grundnahrungspflanzen Perlhirse, Hirse und Mais zur Bedrohung werden könnten.

Als notwendige Anpassungen an zukünftige Herausforderungen nannten die befragten Experten zum Beispiel verbesserte Mischkulturen, angepasste Fruchtfolgen, die stärkere Nutzung von Mehrfachkulturen, mehr mechanische Verfahren sowie frühere Aussaatzeiten. Anbaumethoden wie das Direktsaatverfahren, Mulchen oder Precision Farming wurden dagegen von den Experten nur selten erwähnt. Ein möglicher Grund ist laut Forscher:innen, dass die Landwirt:innen darin eine zu hohe Technisierung fürchten.

Die Wunschliste der Eigenschaften

Besonders wünschenswerte Eigenschaften für die sechs wichtigsten Nutzpflanzen in Afrika waren laut Umfrage die Zunahme der Nährstoffgehalte für Perlhirse (Pennisetum glaucum), Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) und Erdnuss (Arachis hypogaea). Eine frühere Reifezeit wurde für Hirse (Sorghum bicolor) und Kuhbohne (Vigna unguiculata) genannt, für die Kuhbohne auch eine verbesserte Resistenz gegen Schädlinge. Für Hirse und Perlhirse stand eine bessere Dürretoleranz im Vordergrund. Mais (Zea mays) braucht laut Umfrage vor allem eine höhere Hitzetoleranz. Dazu nannten die befragten Experten auch Eigenschaften, die in aktuellen Züchtungsprogrammen bisher eine untergeordnete Rolle spielen, wie etwa eine verbesserte Wassernutzungseffizienz für Perlhirse, Erdnuss und Kuhbohne, eine verbesserte Anpassung an Mischkulturen für Perlhirse und Mais sowie eine bessere Eignung für die mechanische Ernte bei der Erdnuss. Die Forscher:innen identifizierten in ihrer Studie dazu noch weitere "blinde Flecken", also wichtige Eigenschaften, die bisher so gut wie gar nicht beachtet wurden, aber in Zukunft von großer Wichtigkeit sein werden. Dazu gehören ein optimiertes Mikrobiom in der Rhizosphäre für eine verbesserte Nährstoff- und Wasseraufnahme, eine verminderte Dunkelatmung, eine erhöhte Vitalität und Strohqualität als "doppelte Absicherung" bei Pflanzen, die zur Lebensmittel- und Futtergewinnung dienen.

Vielfältige Ressourcen

#####2#####
Auch Mais (Zea mays) ist eine wichtige Nahrungspflanz und braucht laut Umfrage vor allem eine höhere Hitzetoleranz.

Auch Mais (Zea mays) ist eine wichtige Nahrungspflanz und braucht laut Umfrage vor allem eine höhere Hitzetoleranz.

Bildquelle: © 1195798 / Pixabay

Um die gewünschten Zuchtziele zu erreichen, sind große Ressourcen nötig – die stünden aber zum Teil schon zur Verfügung. Von großem Wert sind laut der Forscher:innen die nationalen und internationalen Genbanken für Kulturpflanzen, die einen noch längst nicht voll ausgewerteten Schatz an genetischer Diversität beherbergen. Besonders wertvoll sind die sogenannten "wilden Verwandten", also Pflanzenarten, die mit den Nutzpflanzenarten verwandt sind und bei Neuzüchtungen als genetische Ressource für Trockenheitstoleranz, Schädlingsresistenz oder Verwertung von Nährstoffen dienen können. Allerdings kommen viele dieser wilden Verwandten in Krisengebieten vor und sind daher oftmals nicht ausreichend geschützt oder erst gar nicht erreichbar.

Für die Züchtung neuer Sorten können heutzutage verschiedene hochtechnisierte Verfahren genutzt werden, um die gewüschten Eigenschaften zielgenau in neue Sorten einzubringen. Dazu gehören Genome Editing, Speed Breeding sowie drohnen- und satellitenbasierte Auswertungsverfahren für die Phänotypisierung – und in Kombination mit maschinellem Lernen zur Datenauswertung.

Die Foscher betonen, dass es verstärkter interdisziplinärer Zusammenschlüsse aus den Bereichen Bodenwissenschaften, Mikrobiologie, Physiologie, Biochemie, Genetik und Bioinformatik bedarf, um die vorhandenen Ressourcen voll ausschöpfen zu können. Außerdem bräuchte es "kühne" Forscher:innen, die auch mit eher exotischen Eigenschaften aus den Genbanken experimentieren wollen, um kreative Lösungen zu entwickeln. Nur mit der Bündelung aller Ressourcen sei es möglich, schnell genug Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen zu finden, so die Forscher:innen.


Quelle:
Pixley, K. V. et al (2023): Redesigning crop varieties to win the race between climate change and food security. In: Molecular Plant 16, S. 1590–1611, 2.Oktober 2023. dx.doi.org/10.1016/j.molp.2023.09.003

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Die Perlhirse (Pennisetum glaucum) ist eins der wichtigsten Getreide in Afrika, da sie sehr gut mit hohen Temperaturen zurechtkommt. (Bildquelle: © Ilo / Pixabay)