Die Robustheit der Alten

Landrassen helfen, Elitesorten an den Klimawandel anzupassen

14.03.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Gerste ist weltweit das viertwichtigste Getreide. (Bildquelle: © Cliff/Wikimedia; CC-BY-2.0)

Gerste ist weltweit das viertwichtigste Getreide. (Bildquelle: © Cliff/Wikimedia; CC-BY-2.0)

Moderne Getreidesorten sind verwöhnt: Nur unter bester Pflege erbringen sie Höchstleistungen. Bei widrigen Umweltbedingungen versagen sie oft. Mit dem Klimawandel kommen sie daher zunehmend unter Druck. Doch mit dem genetischen Potenzial von Landrassen lassen sie sich „abhärten“.

In Genbanken schlummert das Erbgut unzähliger Landrassen. Dass es dort lagert und nicht regelmäßig landwirtschaftlich genutzt wird, hat einen guten Grund: Heutige Elitesorten produzieren deutlich höhere Erträge. Allerdings hat die moderne Züchtung auch Schwächen: die genetische Erosion. Merkmale, die unter den Bedingungen eines optimal versorgten Feldes nutzlos sind, gingen im Laufe der Selektion verloren. Darunter waren auch Merkmale, die Pflanzen das Überleben bei Dürre oder auf mageren Böden ermöglicht haben. Im Zuge der Klimakrise gewinnen diese Merkmale wieder an Bedeutung. Denn so manche Elitesorte wird bei den künftig zu erwartenden Klima- oder Bodenbedingungen regelrecht versagen. Die Pflanzenzüchtung sucht nun nach Wegen, die verloren Merkmale mit der Ertragsleistung moderner Sorten zu kombinieren.

Auch komplexe Merkmale aus Landrassen übertragen

Hier kommen nicht zum ersten Mal Genbanken ins Spiel. Schon länger nutzen Forschungsteams die Genome von alten Landrassen und wilden Verwandten, um wertvolle Merkmale wieder in moderne Zuchtlinien einzubringen. Das funktioniert problemlos für Merkmale, die nur von einem Gen ausgehen. Doch selbst dann erfordert es einen langwierigen Züchtungsprozess.

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Hordeum vulgare subsp. Hexastichum ist eine Landrasse der Gerste, die besonders gut Mangan verwerten kann.

Hordeum vulgare subsp. Hexastichum ist eine Landrasse der Gerste, die besonders gut Mangan verwerten kann.

Bildquelle: Roger Culos/Wikimedia; CC-BY-SA-3.0

Dank der Fortschritte in Biologie und Informatik sind viele Forscherinnen und Forscher jedoch überzeugt, dass es inzwischen effizientere Wege gibt, anhand von Genbanken auch komplexe Merkmale gezielt in moderne Sorten einzubringen. Landwirtschaftlich wünschenswert wären beispielsweise Toleranzen gegenüber frühem Frost oder Hitze spät in der Saison, schwankender Wasserverfügbarkeit, hohem Salzgehalt des Bodens oder auch Giftstoffen, die in mageren Böden vorkommen. Am Beispiel von Gerste hat ein britisch-dänisches Team dazu einen neuen Ansatz überprüft.

Gerste-Landrassen gedeihen unter vielfältigen Bedingungen

Gerste hat als weltweit viertwichtigstes Getreide einen breiten geografischen Hintergrund. Dadurch existieren Landrassen, die sich an sehr unterschiedliche Umweltbedingungen angepasst haben. Viele davon schlummern ungenutzt in Genbanken, denn sie sind oft nicht geografisch, phänotypisch und molekular charakterisiert. Würden diese Informationen zusammengetragen und mit historischen Umweltdaten abgeglichen, könnten Akzessionen anhand ihrer spezifischen Umweltanpassung klassifiziert werden. Hier wird nun aufgeholt. Mittels Sequenzierung des Exoms von Gerste-Landrassen und genomweiter Assoziationsstudien konnten auch schon einzelne Gene identifiziert werden, die  Pflanzen eine größere Frost- oder Aluminiumtoleranz verleihen – oder auch eine Ertragsstabilität trotz Manganknappheit in den Böden.

Manganmangel überfordert Elitesorten, nicht jedoch Landrassen

Manganmangel ist typisch für alkalische nährstoffarme Böden, wie es sie in Südaustralien, Texas, Teilen Chinas und nordeuropäischen Regionen wie Skandinavien und Großbritannien gibt. Das Forschungsteam hat daher nordeuropäische Gerstekultivare und -landrassen auf ihren Manganstatus auf mageren Böden hin untersucht. Zwei Landrassen von den schottischen Inseln Shetland und Orkney fielen dabei positiv auf. Britische Hochleistungssorten hingegen, die für fruchtbare Böden gezüchtet wurden, entwickelten massive Mangelerscheinungen und bildeten teils gar keinen Samen aus. Die beiden Landrassen jedoch produzierten einen Flächenertrag von 2,7 Tonnen pro Hektar, nur zehn Prozent unter dem globalen Durchschnitt bei Gerste. Das ist ein klares Zeichen, dass diese Landrassen an magere Böden angepasst sind.

Datenbanken zu Genetik und historischem Klima kombinieren

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Die Bere-Gerste auf den Orkney-Inseln ist schon reif, wenn Elitesorten noch grün sind. 

Die Bere-Gerste auf den Orkney-Inseln ist schon reif, wenn Elitesorten noch grün sind. 

Bildquelle: © Xianmin Chang/Wikimedia; PD

Doch wie lassen sich solche Merkmale in Elitesorten einführen? Ein einfaches und ungezieltes Kreuzen von Landrassen und Elitesorten führt jedenfalls kaum zum Ziel. Die Nachkommen hätten zahlreiche negative Eigenschaften von Landsorten und viele Eliteeigenschaften gingen verloren. Beispielsweise wächst wilde Gerste recht hoch, was Elitesorten auf gut versorgten Böden schneller umknicken lassen würde. Das Forschungsteam schlägt daher vor, zunächst durch eine geschickte Probenauswahl und statistische Ansätze nützliche Allele zu identifizieren. Genomweite Assoziationsstudien haben bereits die genetischen Orte (QTL) für eine Reihe von Stresstoleranzmerkmalen und wichtiger Wachstumsmerkmale gefunden.

Genomische Daten, phänologische Daten, Bodendaten und Klimadaten lassen sich heute mit bioinformatischen Methoden im großen Maßstab kombinieren und auswerten. So ist eine regionale Veränderung der Blüte-assoziierten Gene ein Hinweis darauf, dass sich die Pflanze an frühe Regenfälle oder saisonal späte Wetterextreme anpasst und ihren Blühzeitpunkt optimiert. Dann lohnt es sich, die neuen Allele näher zu untersuchen.

Automatisierung und Bioinformatik beschleunigen den Züchtungsprozess

Durch Genomselektion und Modellierungen lassen sich somit schon im Vorfeld einer Kreuzung besonders geeignete Elternpflanzen bestimmen. Beispielsweise helfen SNP-Marker einen bestimmten Phänotyp vorherzusagen. Weitere wichtige Werkzeuge sind anschließend das Speed Breeding, die Hochdurchsatzphänotypisierung und die Marker-gestützte Selektion. Nicht zuletzt könnten Züchter Eigenschaften auch gezielt mittels Genomeditierung von einer Landrasse auf eine Elitesorte übertragen. Ebenso ließen sich als Ausgangspunkt einer neuen Züchtung komplexe Merkmale einer Elitesorte – etwa der Kornertrag – genetisch lokalisieren und in eine besonders stresstolerante Landrasse übertragen. Beide Varianten würden helfen, lokal angepasste ertragreiche Sorten zu entwickeln – beispielsweise Gerste mit einer optimierten Manganverwertung.


Quelle:
Schmidt, S. B., et al. (2023): Heritage genetics for adaptation to marginal soils in barley. In: Trends in Plant Science, online (27. Februar 2023). doi: 10.1016/j.tplants.2023.01.008

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Titelbild: Gerste ist weltweit das viertwichtigste Getreide. (Bildquelle: © Cliff/Wikimedia; CC-BY-2.0)