Finetuning des Wurzelwachstums

Das Gen EGT1 reguliert die Wurzelkrümmung der Gerste

16.08.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das richtige Wurzelwachstum entscheidet über den Ertrag bei Umweltstress. Bei der Gerste haben Forscher:innen nun das Gen EGT1 identifiziert, dass die Wurzelkrümmung beeinflusst. (Bildquelle: © Peggychoucair/Pixabay)

Das richtige Wurzelwachstum entscheidet über den Ertrag bei Umweltstress. Bei der Gerste haben Forscher:innen nun das Gen EGT1 identifiziert, dass die Wurzelkrümmung beeinflusst. (Bildquelle: © Peggychoucair/Pixabay)

Pflanzen müssen ihr Wurzelwachstum an die lokalen Gegebenheiten und mögliche Umweltstressfaktoren anpassen. Jetzt haben Forscher:innen ein Gen identifiziert, das die Wachstumsrichtung maßgeblich beeinflusst.

Wo ist Oben, wo Unten? Diese trivial erscheinende Frage ist für Pflanzen von großer Bedeutung, denn sie müssen ihre Wurzeln in Richtung Boden ausbilden und die oberirdischen Triebe entgegengesetzt. Dieser von der Schwerkraft abhängige Mechanismus wird als Gravitropismus bezeichnet. Im Laufe der Jahrzehnte konnte die Pflanzenforschung mehrere Prozesse aufklären, wie Pflanzen die Schwerkraft wahrnehmen und ihr Wachstum daran anpassen. Jetzt hat ein Forschungsteam ein weiteres wichtiges Mosaikteil ergänzt. Die Fachleute konnten zeigen, welches Gen in Gerste dem steilen Wurzelwachstum entgegenwirkt.

Mit der Schwerkraft oder gegen sie

Beim Wurzelwachstum unterscheidet die Wissenschaft zwischen gravitropen und antigravitropen Effekten. Letztere ermöglichen es der Pflanze, ihre Wurzeln abweichend von der Schwerkraftachse zur Seite hin zu entwickeln, beispielsweise um auf einer breiteren Fläche Nährstoffe wie Phosphor aufnehmen zu können. Gravitrope Effekte hingegen erzeugen ein besonders steiles und dadurch tiefes Wurzelwachstum, das beispielsweise der Verankerung im Boden, der Stickstoffaufnahme oder der Erschließung tieferer Wasservorkommen dienen kann. Unterschiedliche Wurzeltypen weisen meist unterschiedliche Krümmungswinkel auf, um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen.

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Vergleich der Wurzeln im Boden: Der unveränderte Wildtyp (links) und die experimentell veränderte Mutante (rechts) zeigen große Unterschiede im Wachstumswinkel der Wurzeln.

Vergleich der Wurzeln im Boden: Der unveränderte Wildtyp (links) und die experimentell veränderte Mutante (rechts) zeigen große Unterschiede im Wachstumswinkel der Wurzeln.

Bildquelle: © Dr. Riccardo Fusi, University of Nottingham

Über die gravitropen Effekte konnte die Pflanzenforschung an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana bereits vieles aufklären. Anders sah es bislang bei den antigravitropen Effekten aus. Ein Forschungsteam nahm sich daher die Gerste vor und erzeugte chemisch eine Vielzahl von Mutanten. Eine dieser Mutanten besaß ein auffallend steiles Wachstum bei Seminal- und Lateralwurzeln, aber auch die anderen Wurzeltypen entwickelten sich steiler als beim Wildtyp. Durch Kreuzungsexperimente und Genomsequenzierungen gelang es, eine Mutation in dem Gen ENHANCED GRAVITROPISM 1 (HvEGT1) als ursächlich zu identifizieren.

Antigravitrope Effekte wirken Auxin-unabhängig

Besonders stark exprimiert die Gerste EGT1 im Gewebe des Wurzelleitbündels. Das ist bemerkenswert, da bislang aufgeklärte gravitrope Effekte Auxin-abhängig in Wurzelspitzen und epidermalem Gewebe auftreten. Eine Vermutung war daher, dass auch antigravitrope Effekte Auxin-abhängig sein könnten und eine wechselseitige Regulation bestehe. EGT1 wirkt jedoch Auxin-unabhängig, wie die weitere Analyse zeigte.

So ergaben RNA-Sequenzierungen, dass Mutanten, in denen EGT1 ausgeschaltet worden war, in den Wurzelspitzen veränderte Muster bei der Aktivität von Peroxidasen und Enzymen zeigten, die die Steifheit der Zellwände beeinflussen. Untersuchungen mit dem Rasterkraftmikroskop bestätigten, dass die Zellwände in den Wachstumszonen der Wurzeln deutlich weniger steif waren als beim Wildtyp. Die Forscher:innen folgern daraus, dass ETG1 den gravitropischen Krümmungseffekten entgegenwirkt, indem es die Steifheit bzw. Weichheit der Zellwände in den Wachstumsbereichen der Wurzeln verändert.

Weitreichend konserviertes Gen

Analysen des Proteins EGT1 ergaben außerdem, dass das Protein eine sogenannte F-Box und eine Tubby-Domäne besitzt – Strukturen, die im Pflanzenreich weitreichend konserviert sind.

So fanden die Forschenden ETG1 auch bei Weizen, wo die phänotypischen Effekte vergleichbar sind mit denen bei Gerste. Demnach könnte das Gen für viele Getreide ein wichtiger Züchtungsansatz sein, um neue Sorten besser an bestimmte Formen von Umweltstress anzupassen. Zwar würden Knockout-Varianten alle Wurzeln steiler wachsen lassen und so zu einer ungünstigen Konkurrenz untereinander führen. Gleichzeitig jedoch beobachtete das Forschungsteam Nukleotidpolymorphismen innerhalb der ETG1-Sequenz, die zu einer natürlichen Variabilität des Winkels des Wurzelwachstums führten. Züchterische Optimierungen sollten somit möglich sein.

Eine andere Studie hat unlängst ein weiteres antigravitropisch wirkendes Gen in Gerste identifiziert: EGT2. Auch dieses Gen beeinflusst Zellwand-bezogene Gene, scheint jedoch sowohl von Auxin als auch von EGT1 unabhängig den Winkel des Wurzelwachstums zu beeinflussen.


Quelle:
Fusi, R. et al. (2022): Root angle is controlled by EGT1 in cereal crops employing an antigravitropic mechanism. In: PNAS, Vol. 119 No. 31, (26. Juli 2022), doi: 10.1073/pnas.2201350119.

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Titelbild: Das richtige Wurzelwachstum entscheidet über den Ertrag bei Umweltstress. Bei der Gerste haben Forscher:innen nun das Gen EGT1 identifiziert, dass die Wurzelkrümmung beeinflusst. (Bildquelle: © Peggychoucair/Pixabay)