„Innere Uhr“ beeinflusst alternatives Spleißen der RNA

22.10.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Auch Pflanzen haben eine innere Uhr. (Quelle: © iStock.com/Milos Jokic)

Auch Pflanzen haben eine innere Uhr. (Quelle: © iStock.com/Milos Jokic)

Dass der Tag-Nacht-Rhythmus das Leben beeinflusst, erfahren wir täglich. Spätestens am Morgen beim Aufstehen. Wissenschaftler fanden jetzt Beweise, dass der Tagesrhythmus deutlich stärker in zelluläre Prozesse eingreift als bisher angenommen.

Seit längerem ist bekannt, dass der Tagesrhythmus auf zelluläre Prozesse wie z.B. die Expression der Gene wirkt. Dies bedeutet, wann und in welcher Intensität eine genetische Information abgerufen wird, beeinflusst diese Rhythmik des Tages. Erstmals konnten Wissenschaftler jetzt den Einfluss des Tagesrhythmus auf einen als alternatives Spleißen bezeichneten Prozess nachweisen. Alternatives Spleißen ist ein "Trick" der Natur, in ein und dem selben Gen mehrere Funktionen abzulegen. Aus einem Gen können vielfältige Eiweiße (Proteine) gebildet werden. Beim Menschen können dadurch aus etwas mehr als 20.000 Genen mehrere 100.000 unterschiedliche Proteine entstehen. Diese wiederum verleihen den Zellen ihre Struktur und sind die molekularen „Maschinen“, die Stoffe transportieren, chemische Reaktionen katalysieren oder Signalstoffe erkennen und in eine gezielte Reaktion des Organismus umsetzen.

Im Verlauf ihrer Evolution haben die meisten Lebewesen eine "innere Uhr" entwickelt. Diese ist auf 24 Stunden getaktet und reguliert biochemische wie auch physiologische Prozesse und sogar unser Verhalten. Diesen 24-Stundenrhythmus bezeichnen Wissenschaftler als Circadiane Rhythmik. Abweichungen von dieser Rhythmik haben schwerwiegende Folgen. Schlafstörungen, beschleunigte Alterungsprozesse, aber auch Krankheiten wie Diabetes oder Krebs können die Folgen sein.

„Uhr-Gene“ im Fokus der Forschung

Wegen dieser starken Effekte auf Organismen versuchen Wissenschaftler weltweit die molekularen Zusammenhänge dieser „inneren 24-Stunden-Uhr“ zu verstehen. Zahlreiche Gene, deren Expression einem täglichen Rhythmus folgen, sind bereits bekannt und charakterisiert. Bei ihrer Suche nach neuen Einflussfaktoren auf das komplexe Netzwerk solcher Gene der „inneren Uhr“ ist jetzt ein internationales Forscherteam unter Führung argentinischer Wissenschaftler fündig geworden. Die Pflanzenphysiologen aus Buenos Aires durchsuchten eine Kollektion von 30.000 Ackerschmalwand-Linien (Arabidopsis thaliana). Besonderheit dieser Linien war, dass sie in einzelnen Genen mutiert waren und Auffälligkeiten im Wuchsrhythmus zeigten. Eine der mutierten Pflanzen dieser Sammlung folgte z.B. einem 27-Stunden-Rhythmus. Das für die Abnormität verantwortliche Gen konnte isoliert werden. Dieses ist für die Forscher kein unbekanntes Gen.

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Arabidopsis thaliana ist die Modellpflanze der Pflanzenforschung.

Arabidopsis thaliana ist die Modellpflanze der Pflanzenforschung.

Bildquelle: GABI

Histone als Regulatoren

Das Gen kodiert für ein Enzym die Arginin Methyltransferase 5 und wird als PRMT 5-Gen bezeichnet. Von diesem weiß man bereits, dass dieses Enzym in Histonen Methylgruppen zu Argininresten transferiert. Histone sind komplexe Verpackungseinheiten im Zellkern. Diese stellen eine Art Nano-Spulen dar, um welche sich die Erbsubstanz windet. Dadurch gelingt es den Zellen große Genome von Eukaryoten (Organismen mit einem Zellkern) so zu komprimieren, dass diese in den Zellkern passen. Aber auch für das Ablesen, die sogenannte Expression der Gene, welche sich eng gepackt auf dieser Spule befinden, sind Histone mit verantwortlich. Durch die Funktion des Gens, die Expression eines Gens zu steuern, lag die Vermutung nah, dass PRMT 5 auch dafür verantwortlich sein könnte, wie oft ein "inneres-Uhr-Gen“ abgelesen wird. 

Um dies zu beweisen, untersuchten die Forscher die Wirkung des PRMT 5-Gens auf die Expression aller anderen Arabidopsis-Gene. Ein Gen stach in diesem Vergleich besonders heraus. Das sogenannte PRR 9-Gen (Pseudo Response Regulation) ist ein  Regulator der „inneren Uhr“. Wird das Gen zu oft abgelesen, erhöht sich die Menge an Regulationsproteinen in einer Zelle. Die Rhythmik der „inneren Uhr“ verkürzt sich. 

Manchmal bedeutet kürzen verlängern

Aber wie passt diese Beobachtung mit dem um drei Stunden auf 27 Stunden verlängerten Rhythmik in der mutierten Arabidopsis-Pflanze zusammen? Bei einer genauen Untersuchung fanden die Forscher, dass in den Zellen der mutierten Pflanzen vermehrt eine kürzere Form des PRR 9-Gens und deutlich weniger vom langen Genprodukt vorlagen. Daraus schlussfolgerten sie, dass PRMT 5 nicht wie vermutet auf die Expression, sondern auf den Prozess des alternativen Spleißen Einfluss nahm. 

Beim alternativen Spleißen ist die zelluläre Regulationsmaschine in der Lage, gezielt Bereiche aus der Gesamtinformation herauszuschneiden. Es entstehen unterschiedlich lange RNA-Moleküle. Diese Längenunterschiede verändern die Funktion des daraus synthetisierten Proteins. Damit übt das PRMT 5-Gen einen bisher nicht bekannten Einfluss auf die innere Uhr der Pflanzen aus. 

Pflanzen sind Model für fundamentale biologische Prozesse

Diese erstmals an einer Pflanze beobachtete Veränderung der Regulation der inneren Uhr verändert das bisher bekannte Konzept der Regulation dieser. Um zu erfahren, wie massiv sich die Mutation des PRMT 5-Gens auf die Spleiß-Maschinerie einer Zelle auswirkt, wurde über das gesamte Genom nach veränderten Genprodukten gesucht. 

Das Ergebnis: weniger als 1% aller Gene wurden durch die Mutation beeinflusst. Bei näherer Untersuchung der durch PRMT 5 beeinflussten Gene wurde eine Sollbruchstelle gefunden. Dieser Schwachpunkt führt dazu, dass die Spleiß-Maschinerie nicht ausreichend fest binden kann. Das alternative Spleißen wird verhindert. Lediglich lange Eiweißmoleküle werden gebildet. Die Mutation am PRMT 5-Gen scheint diese Sollbruchstelle zu festigen. Die Spleißmaschinerie kann durch die Mutation besser binden. Moleküle mit unterschiedlicher Länge, gespleißter und nicht gespleißter RNA werden gebildet. Diese wiederum werden in Eiweiße mit unterschiedlicher Länge übersetzt. 

Durch die Ergebnisse am Modellsystem Arabidopsis wurden völlig neue Einblicke in den Aufbau und die Funktion der „inneren Uhr“ möglich. Beim PRMT 5-Gen handelt es sich um ein sehr konserviertes Gen. So bezeichnet man Gene, welche in sehr unterschiedlichen Organismengruppen vorhanden sind. Konservierte PRMT 5-Gene sind aus Pflanzen, Pilzen, Insekten, aber auch Säugetieren, z.B. dem Menschen bekannt. In der FruchtfliegeDrosophila melangoster, einem anderen Modelorganismus der Entwicklungsbiologie, führten Veränderungen am PRMT 5-Gen auch zu Veränderungen im Tagesrhythmus der Fliegen. In deren Zellen fand man ebenfalls eine größere Vielfalt von Spleißprodukten. 

Somit liegt die Vermutung nahe, dass auch beim Menschen die Genfunktion von PRMT 5 konserviert ist. Gleichzeitig zeigen diese Ähnlichkeiten, dass die Tagesrhythmik fundamentalen Regulationen unterliegt, welche sich evolutionsgeschichtlich sehr früh herausgebildet haben. Obwohl sich andere Komponenten der "inneren Uhr" zwischen Tieren und Pflanzen stark unterscheiden, ist PRMT 5 ein Beispiel dafür, dass es gleiche Schlüsselenzyme für den Tagesrhythmus gibt. Solche Schlüsselenzyme sind von besonderer Bedeutung, da sie auf eine Vielzahl anderer physiologischer Prozesse wirken.  


Quelle:
S.E. Sanchez, et al., A methyl transferase links the circadian clock to the regulation of alternative splicing, Nature, advance online publication 20 October 2010, doi:10.1038/nature09470 (abstract).

Titelbild: Auch Pflanzen haben eine innere Uhr. (Quelle: © iStock.com/Milos Jokic)