„Leuchtreklame“ für Bienen

Ursache für Lichteffekte auf Blütenblättern ermittelt

19.12.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Stundenblume: Sie lockt Bestäuber wie Bienen durch Farben und spezielle Lichteffekte ihrer Cuticula. (Bildquelle: © Annette Meyer / Pixabay)

Stundenblume: Sie lockt Bestäuber wie Bienen durch Farben und spezielle Lichteffekte ihrer Cuticula. (Bildquelle: © Annette Meyer / Pixabay)

Die Cuticula der Stundenblume weist auf den Blütenblättern eine spezielle Faltenstruktur zur Lichtbeugung auf. Als Auslöser für diese Strukturen haben Forscher:innen jetzt eine spezielle chemische Zusammensetzung der Cuticula ausgemacht.

Blütenpflanzen sind Meister der Farben. Ihre Blüten locken Bestäuber nicht nur mit einem für uns sichtbaren Farbspektrum. Es gibt auch Farben und Strukturen, die nur von Insekten wahrgenommen werden können. Diese Lichteffekte wie ein Irisieren der Oberfläche werden von speziellen dreidimensionalen Strukturen der schützenden Wachsschicht, der Cuticula, hervorgerufen. Allerdings war bis jetzt unklar, wie diese Strukturen gebildet werden und was für biologische Prozesse die Entstehung kontrollieren. In einer neuen Studie haben sich Forscher:innen intensiver mit den zugrunde liegenden Mechanismen auseinander gesetzt.

Optische Effekte zur Anlockung

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Blüte der Stundenblume: Die farbigen Teile nennen sich Saftmale und dienen der Anlockung von Bestäubern. Nicht immer und vollständig kann das menschliche Auge sie erkennen.

Blüte der Stundenblume: Die farbigen Teile nennen sich Saftmale und dienen der Anlockung von Bestäubern. Nicht immer und vollständig kann das menschliche Auge sie erkennen.

Bildquelle: © JMK, CC BY-SA 3.0

Die Blütenblätter der Stundenblume (Hibiscus trionum) sind größtenteils gelblich oder weiß, weisen aber an der Basis eine tiefblaue bis purpurne, leicht schimmernde Färbung auf. Unter dem Elektronenmikroskop zeigen sich sehr feine, parallele Falten in der Cuticula, die das einfallende Blau- und UV-Licht beugen und für den schillernden Effekt verantwortlich sind. Bienen und Hummeln reagieren auf diese optischen Reize und lassen sich davon anlocken. Ein Vergleich mit anderen Hibiscus-Arten zeigte, dass nur einige der untersuchten Arten über diese lichtbeugenden Strukturen verfügen.

Bisher war unklar, wie diese Beugungsgitter entstehen und welche genetischen Kontrollmechanismen dahinterstehen. Für ihre Untersuchungen unterteilten die Forscher:innen die Entwicklung der Blüte in fünf Stadien (S1 bis S5): S1 bezeichnet die sich gerade öffnende Knospe mit noch grünen Blütenblättern und S5 die vollständig geöffnete Blüte. Sie fanden heraus, dass die spezielle dreidimensionale Struktur der Oberfläche von Blütenblätter erst zwischen S3 (Öffnen der grünen Deckblätter) und S4 (Erscheinen der gefärbten Blütenblätter) entsteht. In Stadium S3 beginnt zeitgleich auch ein Längenwachstum der inneren, bereits pigmentierten Zellen der Blütenblätter, so dass sie eine anisotrope Zellform aufweisen, während die restlichen, weiter entfernten Zellen weiterhin eine gleichmäßige (isotrope) Form behalten.

Mechanischer Zug als alleinige Ursache?

Die Forscher:innen vermuteten zunächst, dass dieses ungleichmäßige Zellwachstum und der damit verbundene mechanische Zug auf die Cuticula Auslöser der dreidimensionalen Strukturen sein könnte. Daher untersuchten sie die Cuticula-Produktion in Relation zum Zellwachstum. Sie beeinflussten das Zellwachstum der betreffenden Zellen im Stadium S2 hormonell so, dass sie sich nicht verlängerten. Trotzdem erschienen die typischen Faltenstrukturen in der Cuticula, wenn auch etwas schwächer. Die Forscher:innen schlossen daraus, dass mechanischer Stress eine mögliche Ursache sein könnte, aber nicht die einzige.

Ursache für die beobachtete Faltenbildung könnte auch eine Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Cuticula sein. Daher konzentrierten sich die Forscher:innen zunächst auf den Transkriptionsfaktor HtSHINE3. Er ist zusammen mit HtSHINE1 und HtSHINE2 für die Produktion der Cuticula von Bedeutung, konnte aber nur in den Zellen an der Basis der Blütenblätter nachgewiesen werden – da wo auch die Falten entstanden. Die Forscher:innen beobachteten zudem im Stadium S2 bis S4 eine besonders starke Transkriptionsrate von HtSHINE3. In Zellen mit normalerweise glatter Cuticula hochreguliert, löste er auch dort eine Faltenbildung aus. Sie schlossen daraus, dass der Transkriptionsfaktor HtSHINE3 die chemische Zusammensetzung der Cuticula entscheidend steuert, um die Faltenbildung auszulösen.

Auf die Mischung kommt es an

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Die Cuticula ist eine wachsartigen Schicht, die auf der Epidermis aufliegt.

Die Cuticula ist eine wachsartigen Schicht, die auf der Epidermis aufliegt.

Bildquelle: © Zephyris / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Eine Analyse der chemischen Komponenten der Cuticula an der Basis der Blütenblätter ergab eine hohe Konzentration von Dihydroxy-Palmitinsäure und verschiedenen Wachsen. Diese Stoffe könnten für eine Versteifung der Cuticula verantwortlich sein und damit eine Faltenbildung erleichtern, vermuteten die Forscher:innen. Im Gegensatz dazu fanden sie nur einen geringen Anteil an phenolischen Komponenten. Die Cuticula der glatten Bereiche der Blütenblätter wies dagegen höhere Konzentrationen an phenolischen Komponenten auf und weniger Dihydroxy-Palmitinsäure. Dadurch könnte eine Faltenbildung erschwert werden, so dass sich hier eine Cuticula mit glatter Oberfläche bildet.

Die Forscher:innen vermuteten bei der Faltenbildung ein Zusammenspiel von geänderter Cuticula-Zusammensetzung und mechanischem Stress. Dazu setzten sie Blütenblätter des Wildtyps und von Pflanzen mit einem unterdrückten HtSHINE3-Transkriptionsfaktor in Stadium S3 unter mechanischen Zug, wie er bei sich verlängernden Zellen auftreten würde. Während die Blütenblätter des Wildtyps begannen, die typische Faltung zu zeigen, konnte auf den genetisch veränderten Blütenblättern keine oder nur eine unvollständige Faltenbildung nachgewiesen werden.

Punktgenaue Steuerung möglich

Die Forscher:innen schlossen daraus, dass die chemische Zusammensetzung der Cuticula der entscheidende Faktor ist. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass die Pflanze über die räumlich begrenzte Expression des Transkriptionsfaktors HtSHINE3 die chemische Komposition der Cuticula innerhalb eines einzelnen Pflanzenorgans exakt steuern kann. Weitere Forschungen sollen nun zeigen, ob es noch weitere Situationen gibt, in denen Pflanzen die Struktur und chemische Zusammensetzung der Cuticula so exakt anpassen, etwa zum Schutz vor Pathogenen. Ein genaueres Verständnis der zugrunde liegenden Vorgänge gibt zudem einen wichtigen Einblick in die Interaktion bzw. Koevolution zwischen Pflanzen und Bestäuber.


Quelle:
Moyroud, E. et al (2022): Cuticle chemistry drives the development of diffraction gratings on the surface of Hibiscus trionum petals. In: Current Biology 32 (19. Dezember 2022), doi: 10.1016/j.cub.2022.10.065

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Titelbild: Stundenblume: Sie lockt Bestäuber wie Bienen durch Farben und spezielle Lichteffekte ihrer Cuticula. (Bildquelle: © Annette Meyer / Pixabay)