Rückwärtssalto im Maisgenom

Inverse Transposons entscheiden über Dürretoleranz oder hohe Erträge

06.01.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wie dürretolerant Maispflanzen sind, hängt auch davon ab, ob sie ein bestimmtes Transposon besitzen. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)

Wie dürretolerant Maispflanzen sind, hängt auch davon ab, ob sie ein bestimmtes Transposon besitzen. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)

Eher tolerant gegenüber Umweltstress oder besonders ertragsstark unter Komfortbedingungen? Manche Merkmale bilden in der Natur Zielkonflikte. Am Beispiel Mais zeigt eine Studie nun, welche Rolle dabei mobile DNA-Elemente spielen und wie sich die Pflanzenzüchtung das zunutze machen könnte.

Als sie in den 1950er-Jahren entdeckt wurden, galten sie zunächst als genetischer Müll: Transposons, kurze DNA-Sequenzen, von denen sich hunderte oder tausende Kopien im ganzen Genom zwischen den Gen-kodierenden Sequenzen verstreuen.

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Mit dem Klimawandel häufen sich auch Dürreperioden. Die meisten modernen Maissorten sind darauf nicht gut vorbereitet. 

Mit dem Klimawandel häufen sich auch Dürreperioden. Die meisten modernen Maissorten sind darauf nicht gut vorbereitet. 

Bildquelle: © aidosnet / Pixabay

Häufig reihen sich zahlreiche Kopien mit wiederholender Basenabfolge aneinander, manchmal sind die Kopien im Vergleich zu ihrem Ursprung rückwärts ins Genom integriert (invertiert).Inzwischen ist bekannt, dass Transposons oftmals regulatorische Elemente der Transkription darstellen. Jetzt konnte ein internationales Forschungsteam nachweisen, dass wiederholte invertierte Transposons (sog. Inverted repeats) und die daraus erzeugten kurzen RNA-Moleküle (sRNAs) bei Mais die Balance zwischen Dürretoleranz und Ertrag beeinflussen. Mais hat im Laufe seiner Domestizierung massiv an Produktivität zugelegt, aber wurde zugleich anfälliger für Dürren. Um diese Entwicklung besser zu verstehen, analysierte das Forschungsteam 197 Transkriptome und 338 sRNAome von Maisinzuchtakzessionen. Dabei fanden sich 12.476 sRNA-Merkmale und 21.757 sRNA-Cluster-Merkmale, die dürreabhängig sind. In 6.158 Fällen konnten die Fachleute eine Co-Expression mit bestimmten Genen nachweisen – manche davon bereits bekannt, andere neu. Unter Trockenstress regulierten 1.317 dieser Paarungen die Expression herunter.

sRNAs regulierten 891 Gene, die an Stressantworten beteiligt sind

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Teosinte, die Wildform von Mais, besaß noch keinen Hotspot DRESH8. Erst in modernen Maissorten kommt er häufiger vor.

Teosinte, die Wildform von Mais, besaß noch keinen Hotspot DRESH8. Erst in modernen Maissorten kommt er häufiger vor.

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Eine anschließende genomweite Assoziationsstudie für seQTL (genomische Orte, die Variationen im Expressionsniveau von sRNAs erklären) identifizierte 18 entsprechende Hotspots unter Trockenstress. Außerdem zeigte sich, dass mehr als die Hälfte aller QTL, die von mRNAs reguliert werden, auch unter dem Einfluss von sRNAs stehen. Damit dürfte genomweit die gemeinschaftliche Genregulation durch sRNA und mRNA große Bedeutung haben.

Mittels einer Prognosesoftware identifizierten die Forscher:innen 2.764 Gene, die möglicherweise durch sRNAs der seQTL-Hotspots reguliert werden, darunter 891 Gene, die an Stressreaktionen beteiligt sind. Einen dieser Hotspots, DRESH8, untersuchte das Team genauer. In dieser seQTL-Region befinden sich drei Gene. Sie kodieren für eine Phosphatase und zwei Transkriptionsfaktoren. In einem dieser Gene identifizierte das Forschungsteam ein rund 21 Kilobasen langes Intron mit einer Transposonsequenz aus invertierten Wiederholungen. Das Auffällige dabei: Es fehlt in vielen anderen Maisakzessionen. Die Transkription dieser Sequenz wird von einem Dürre-induzierten Promotor gesteuert, und die daraus abgeleiteten sRNAs sind wesentlich für den genregulatorischen Effekt des seQTL-Hotspots bei Dürre verantwortlich.

seQTL-Hotspot DRESH8 verringert die Dürretoleranz

Weil Genotypen ohne DRESH8 eine geringere Aktivität der sRNA-Merkmale, aber höhere Überlebensraten bei Dürre aufwiesen, führten die Forscher:innen ein Kontrollexperiment aus: Sie eliminierten mittels CRISPR/Cas9 den DRESH8-Hotspot aus der Maislinie B104. Tatsächlich erhöhte sich so die Überlebensrate der Mutante bei Dürre auf mehr als das Doppelte. Damit bestätigte das Experiment, dass der DRESH8-Locus ursächlich ist für die Variation in der sRNA-Aktivität und der Dürretoleranz.

Anschließend identifizierten die Forscher:innen ein Ziel der von DRESH8 gebildeten sRNAs: das Gen MYBR38. Es codiert für einen Transkriptionsfaktor, der bei Überexpression in transgenen Arabidopsis-Pflanzen die Dürretoleranz steigert.

Beim Vergleich zahlreicher Akzessionen von Mais und seiner Wildform, der Teosinte, konnte der Entstehungszeitpunkt des Transposons in DRESH8 datiert werden: Es entstand vor 51.800 Jahren. Während keine untersuchte Teosinte-Akzession über DRESH8 verfügte, fand sich das Transposon in zahlreichen Mais-Landrassen und mit zunehmender Häufigkeit auch in modernen Maisinzuchtlinien. Bei den modernen Linien zeigte sich außerdem, dass Genotypen mit DRESH8 häufiger aus Regionen stammten, in denen es in den Jahren 1970 bis 2000 überdurchschnittlich viel geregnet hat.

DRESH8 vergrößert die Maiskörner

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Wenn der Hotspot DRESH8 im Genom vorhanden ist, werden die Maiskörner größer.

Wenn der Hotspot DRESH8 im Genom vorhanden ist, werden die Maiskörner größer.

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Damit steht eine plausible Erklärung für diesen Befund im Raum: In den gemäßigten Zonen mit ausreichender Wasserversorgung haben Züchter Maispflanzen unbewusst mit DRESH8 und geringerer Dürretoleranz selektiert.

Grund ist der Mehrertrag dieser Linien: Bei ihnen waren die Maiskörner durchschnittlich vier Prozent länger. Außerdem exprimieren Linien mit dem Transposon weniger stark solche Gene, die die Kornentwicklung negativ regulieren – wenngleich diese Gene keine direkten Ziele der auf DRESH8 beruhenden sRNAs sind. Insgesamt konnten die Fachleute 17 Prozent der Kornlängenunterschiede auf Variationen inverser Wiederholungen zurückführen.

Da rund ein Viertel aller dürrebezogenen sRNAs in Mais auf Transposons mit inversen Wiederholungen zurückgehen, misst das Forschungsteam diesen mobilen Elementen eine große Bedeutung für die Dürretoleranz von Mais bei. Diese Erkenntnis könnte nun auch dabei helfen, dürretolerante Sorten mit höheren Ertragspotenzialen zu züchten.


Quelle:
Sun, X., et al. (2022): „The role of transposon inverted repeats in balancing drought tolerance and yield-related traits in maize.“ In: Nature Biotechnology (online: 13. Oktober 2022). doi: 10.1038/s41587-022-01470-4.

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Titelbild: Wie dürretolerant Maispflanzen sind, hängt auch davon ab, ob sie ein bestimmtes Transposon besitzen. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)