Steinzeitbäckerei
Die Ernährung von Steinzeitmenschen scheint deutlich abwechslungsreicher gewesen zu sein als bisher angenommen. Forscher fanden Spuren von gemahlenen, stärkereichen Pflanzen an uralten Werkzeugen quer durch Europa.
Bisher besagte die Theorie, Steinzeitmenschen ernährten sich hauptsächlich von Fleisch. Funde von Steinklingen, die zum Jagen verwendet wurden und Tierknochen mit Schnittspuren liegen zahlreich vor. Doch diese Theorie gerät durch neue Forschungsergebnisse ins Wanken, da Archäologen Spuren von pflanzlicher Stärke an steinzeitlichen Werkzeugen fanden.
Pflanzen hinterlassen an Werkzeugen kaum Spuren, die Archäologen Hinweise auf die Verwendung zur Bearbeitung pflanzlicher Nahrung geben könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass Forscher die entsprechenden Steinwerkzeuge zu Untersuchungszwecken bisher gesäubert haben, sodass konservierte Pflanzenrückstände regelrecht weggewaschen wurden.
Steinzeitwerkzeug wurde vor den Analysen nicht abgewaschen
Laura Longo, Archäologin an der Universität von Siena, Italien, analysierte mit ihrem Team daher erstmals ungewaschene Steinwerkzeuge von 28.000 Jahre alten menschlichen Siedlungen im mittelitalienischen Bilancino. Die sichtbaren Abnutzungen der Sandsteinwerkzeuge deuten auf ihre Verwendung als Mahlstein hin, ähnlich einem Mörser mit Stößel.
Die Forscher fanden unter dem Mikroskop tatsächlich Rückstände von Stärkekörnern verschiedener Getreidearten. Aufgrund ihrer Form identifizierten sie sowohl die Wurzel einer Rohrkolbensorte als auch Samen der Grasart Brachypodium. Auch im südlichen Mähren (Tschechien) und südlich von Moskau fanden die Wissenschaftler bei Untersuchungen an 30.000 Jahre alten Mahlwerkzeugen Rückstände von Rohrkolben und Farn.
Beweise, dass Nahrung schon 30.000 Jahren weiter verarbeitet wurde
Die Ergebnisse sind nicht nur überraschend, weil sie die Haupternährungsquelle Fleisch in Frage stellen. Auch die offensichtliche frühe Art der Verarbeitung pflanzlicher Nahrung war bisher nicht bekannt. Zur Herstellung von Mehl ist ein entsprechendes Wissen über Nahrungsverarbeitung nötig. Wurzeln mussten geschält, getrocknet und mit speziellen Werkzeugen gemahlen werden. Das Mehl selbst musste gegart werden, um eine gut verdauliche Speise zu erhalten. Mit diesem Wissen über stärkehaltige Pflanzen und den Möglichkeiten sie zu einem trockenen, haltbaren Lebensmittel zu verarbeiten, hatten die Menschen des Jungpaläolithikum die Grundlage für eine größere Unabhängigkeit von Umwelteinflüssen und Jahreszeiten gelegt. Diese Entwicklungen könnten zu abwechslungsreicheren Überlebensstrategien und demographischen Veränderungen dieser Völker geführt haben.
Gegenüber den Menschen aus der Jungsteinzeit (Neolithikum), die Getreide wie Weizen und Gerste bereits kultivierten, verarbeiteten diese Jäger und Sammler noch Wildpflanzen. Doch viele der gefundenen Pflanzen waren weit verbreitet, sodass sie für Steinzeitmenschen eine zuverlässige, nährstoffreiche Nahrungsquelle darstellten. Der Energiegehalt gemahlener und gekochter Rohrkolbensamen entspricht beispielsweise nahezu kultiviertem Getreide.
Die Forscher erwarten in Zukunft noch mehr Hinweise auf eine Verarbeitung pflanzlicher Nahrung, die auch noch älter als 30.000 Jahre sein könnten. Denn die Urmenschen konnten sich ihrer Meinung nach eben so wenig ausschließlich von Fleisch ernähren wie der moderne Mensch. Eine solche Ernährung würde auf Dauer zu einer Proteinvergiftung führen.
Quelle:
Revedin, A. et al. “Thirty thousand-year-old evidence of plant food processing”, PNAS Early Edition, doi: 1006993107, 7 September 2010, (Link)
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