Mit uralter RNA der Züchtung auf der Spur

17.09.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Uralte Gerstesamen stellen Forscher vor ein Rätsel (Quelle: © Rainer Sturm / PIXELIO www.pixelio.de)

Uralte Gerstesamen stellen Forscher vor ein Rätsel (Quelle: © Rainer Sturm / PIXELIO www.pixelio.de)

Molekulare Momentaufnahmen jahrhundertealter Samen von Kulturpflanzen könnten Geheimnisse der Züchtung lüften. RNA-Analysen als neues Werkzeug der Pflanzenforschung.

Die Urahnen unsere Kulturpflanzen gab es schon in der Jungsteinzeit. Im Laufe der letzten Jahrtausende haben sich Reis, Kürbis und Teosinte – die Urform des Mais – und alle anderen Kulturpflanzen unter dem Einfluss von Ackerbau und Züchtung stark verändert. Wie und wann sich der Wandel von den winzigen Ähren der Teosinte zu prallen Maiskolben vollzog, wissen wir heute noch nicht genau. Neue Forschungsansätze verfolgen jetzt Hinweise aus RNA-Sequenzen von Samen aus den Ursprungszeiten des Pflanzenanbaus.

Letzte Woche wurden auf einer Konferenz über biomolekulare Archäologie in Kopenhagen erste Ergebnisse aus RNA-Untersuchungen von 800-jährigen Maissamen und 500-jährigen Gerstensamen vorgestellt. Uralte DNA verrät uns, wie Vorzeitorganismen ungefähr ausgesehen haben könnten. Aber uralte RNA zeigt, wie genau sie ausgesehen haben. Statt nur DNA an historischen Funden zu untersuchen rückt deshalb auch die RNA von Pflanzen immer stärker in den Fokus der Wissenschaft.

Bis vor kurzem hat sich niemand getraut, RNA für die Erforschung jahrhundertealter Samen zu verwenden. Die Moleküle sind weniger stabil als DNA. Schon die Arbeit im Labor mit „frischer“ RNA ist oft aufwändig und kompliziert. Sie muss z.B. auf Eis gelagert werden, damit sie nicht von speziellen Enzymen abgebaut wird. In Samen spielt RNA aber eine entscheidende Rolle. Durch die Samenschale gut geschützt, können Samen lange Zeiten überdauern (Keimruhe) und keimen erst, wenn die Bedingungen vorteilhaft sind. Fertige RNA-Moleküle sorgen dann z.B. dafür, dass schnell genug Energie für den Keimling zur Verfügung steht. 

DNA der Plan – RNA die Anweisung

Vor der RNA steht die DNA. Hier ist der genetische Bauplan der Pflanze angelegt. Erst wenn die DNA nach der Transkription in RNA umgeschrieben ist,  wird der Plan konkret. Dann ist klar, welche Teile des Plans ausgeführt werden und wann welche Bausteine zum Einsatz kommen. Die angeschalteten Gene verlassen als Messenger-RNA (mRNA) den Zellkern und im Zellplasma startet die Umsetzung der Bauanweisung in Proteine. Die Forscher zeichnen die Gesamtheit dieser RNA-Moleküle auf: Durch das so genannte Transskriptom erhalten sie eine Momentaufnahme der Genexpression in der Pflanze. So kann die Analyse von RNA-Molekülen mehr über die tatsächliche Wuchsform von Pflanzen aus vergangenen Jahrhunderten aufdecken.

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Mais hat viele Gesichter (Quelle: © Rita Köhler / PIXELIO www.pixelio.de)

Mais hat viele Gesichter (Quelle: © Rita Köhler / PIXELIO www.pixelio.de)

Die Forscher sammeln nun Proben von alten Maissamen aus Chile und Arizona und vergleichen das Transkriptom mit dem moderner Maislinien. Parallelen zu Genen im heutigen Mais lassen hoffen, dass man auf diese Weise mehr über die Züchtungsgeschichte erfährt. Ziel ist es jetzt, mit Samenproben die gesamte 6000-jährige Entwicklungsgeschichte der Kulturpflanze in Menschenhand nachzuvollziehen.

Das Gerste-Paradox

Bei der Gerste ist man schon einen Schritt weiter. Britische Forscher analysierten nicht die überdauerte RNA aus den 500 Jahre alten Samen aus Ägypten, sondern ließen die Saat aufgehen. Im Transkriptom der gekeimten Pflanzen fanden sie kleine regulatorische RNA-Moleküle. Diese RNAs beeinflussen die Translation, den nächsten Schritt auf dem Weg vom DNA-Bauplan zum fertigen Protein. Hätte man nur die DNA der Gerste analysiert, wäre man davon ausgegangen, dass sie schon damals ihre heute übliche sechs-reihige Ährenform aufwies. Die gekeimten Pflanzen setzten die in der DNA angelegte Bauanleitung jedoch anders um. Sie bildeten zweireihige Ähren aus, was eine Anpassung an die Trockenheit des Standorts im ariden Klima Ägyptens darstellen könnte. Die Forscher wollen nun mithilfe von Vergleichen zu Transkriptomen heutiger Gerste herausfinden, ob und wie die regulatorischen RNAs dieses Paradox erklären können.

Für die Pflanzenforschung scheinen RNA-Analysen ein interessantes neues Werkzeug zu sein, mit dem genauere Erkenntnisse über historische Züchtungserfolge möglich werden könnten.


Quelle:

Callaway, Ewen (2010): Taking molecular snaps of ancient crops. RNA molecules could help to reveal plant breeding in action hundreds of years ago.  Nature, 13. September 2010, doi:10.1038/news.2010.464 (abstract).

Zum Weiterlesen:

mehr im Netz:

Viviane Jaenicke-Després et al. (2003): Early Allelic Selection in Maize as Revealed by Ancient DNA. Science 14 November 2003, Vol. 302. no. 5648, pp. 1206 - 1208, DOI: 10.1126/science.1089056 (abstract).

Titelbild: Uralte Gerstesamen stellen Forscher vor ein Rätsel (Quelle: © Rainer Sturm / PIXELIO www.pixelio.de)