Virus-basiertes System zum Umschreiben von Getreidegenomen

Trotz Größe und sechsfachem Chromosomensatz

31.03.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Weizen gehört zu den wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. (Bildquelle: © CSIRO, CC BY 3.0)

Weizen gehört zu den wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. (Bildquelle: © CSIRO, CC BY 3.0)

Getreide ertragreicher und widerstandsfähiger zu machen, ist eine der Aufgabe von Pflanzenforschern. Bei sehr großen und komplexen Genomen wie dem des Weizens ist das jedoch gar nicht so einfach. Wissenschaftler haben nun ein Virus-basiertes System entwickelt, mit dem sich die Reagenzien zum Umschreiben eines komplexen, pflanzlichen Genoms vorübergehend und effizient in die Zellen schleusen lassen.

Getreide ernährt die Welt. Neben Mais und Reis gehört Weizen zu den wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. Doch die rasant anwachsende Weltbevölkerung sowie der Klimawandel stellen immer höhere Anforderungen an diese Nahrungspflanzen. Um auch in Zukunft alle Menschen ernähren zu können, müssen die Erträge weiter wachsen – auch bei ungünstigen Klimaverhältnissen wie langen Trockenperioden, Überschwemmungen oder salzigen Böden.

Genom Editierung bei Getreide schwierig

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CRISP/Cas9: Lesen Sie mehr darüber, wie diese neue Technologie auf molekularer Ebene funktioniert: "Wie CRISPR/Cas funktioniert"

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Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Mit klassischen Züchtungsmethoden lassen sich solche Veränderungen in Pflanzen nur nach sehr zeitintensiven Kreuzungs- und Selektionsprozessen herstellen. Greift man jedoch direkt ins Genom der Pflanzen ein, um ihre Resistenz oder ihre Ertragsfähigkeit zu steigern, lässt sich viel Zeit sparen. Neue Methoden hinterlassen dabei keine Spuren und die so optimierten Pflanzen gelten nicht als gentechnisch veränderte, als transgene Organismen.

Doch gerade bei Getreidepflanzen und insbesondere beim Weizen ist ein solcher Eingriff nicht trivial. Denn Getreidepflanzen haben ein großes, komplexes Genom. Weizen beispielsweise weist ein hexaploides Genom auf. Das bedeutet, dass jedes Gen dort in sechsfacher Ausführung vorliegt. Das Besondere dabei ist, dass in der Evolution des Weizens drei unterschiedliche Pflanzen mit unterschiedlichen Genomen zu einer Pflanze verschmolzen sind. Zum Vergleich: Das Genom des Menschen ist diploid. Jedes Gen kommt im menschlichen Genom zweimal vor – eines stammt vom Vater, eines von der Mutter.

Sequenz-spezifische Nukleasen erleichtern Genom Editierung

Wissenschaftler haben nun ein System kreiert, mit dem sich auch komplexe Getreidegenome gezielt umschreiben lassen. In den letzten Jahren hat das Aufkommen zahlreicher Genom Editierungssysteme dieses Vorhaben wesentlich verbessert. Inzwischen gibt es hoch-effiziente und programmierbare, Sequenz-spezifische Nukleasen, auch als Meganukleasen, Zinkfinger-Nukleasen, TALENs (transcription activator-like effector nucleases; siehe hierzu: „Mechanismen der Genmanipulation durch Xanthomonas entdeckt“) und als CRISPR/Cas9 bezeichnete Systeme. Mit diesen Nukleasen lassen sich Gene sehr zielsicher und effizient umschreiben.

Das Prinzip ist denkbar einfach: Zunächst führt die Sequenz-spezifische Nuklease an einer vorab genau definierten Stelle einen Doppelstrangbruch der DNA durch. Dieser kann von der Pflanze auf zwei unterschiedlichen Wegen repariert werden: mittels der nicht-homologen Verbindung der Enden (non-homologous end joining (NHEJ)) oder durch homologe Rekombination (HR).

Agrobakterium und Genkanonen

Um die Reagenzien für die Genomtransformation an Ort und Stelle zu bringen, benutzen Pflanzenforscher meist das Agrobacterium tumefaciens oder bei Getreiden bzw. zum Zwecke einer transienten, also einer nicht dauerhaften genetischen Veränderung, Genkanonen. Mit beiden Verfahren werden Expressionskassetten für die Sequenz-spezifische Nukleasen sowie die Reparatursequenz in Pflanzenzellen eingebracht.

Doch mit beiden Transportmethoden lassen sich nur einzelne Zellen einer Pflanze genetisch verändern, d. h. lediglich einige wenige Zellen des behandelten Gewebes oder die Gameten selbst lassen sich so verändern. Werden die Gameten - die Keimbahnzellen - verändert, entwickelt sich aus diesen über die Samen eine veränderte Pflanze. Die veränderte Information wird an die nächste Generation weitergeben. Werden hingegen nur einzelne Zellen eines Gewebes verändert, muss aus diesem Gewebe eine neue Pflanze mit Hilfe der Gewebekultur regeneriert werden. Ein Prozess der auf Grund der Totipotenz einer Pflanzenzelle für viele Kulturpflanzen etabliert ist.

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Die Pflanzenzüchtung setzt vermehrt auf neue Züchtungsmethoden, mit denen man gezielt in das Erbgut von Pflanzen eingreifen kann. Doch Weizen besitzt ein komplexes, hexaploides Genom, was die Genom Editierung erschwert.

Die Pflanzenzüchtung setzt vermehrt auf neue Züchtungsmethoden, mit denen man gezielt in das Erbgut von Pflanzen eingreifen kann. Doch Weizen besitzt ein komplexes, hexaploides Genom, was die Genom Editierung erschwert.

Bildquelle: © Rebel/ Fotolia.com

Selbst-replizierende RNA-Virus-basierte Vektoren

Eine alternative Methode zum Gentransfer in die pflanzliche Zelle sind selbst-replizierende Virus-basierte Vektoren. Einer der Hauptvorteile von Vektoren, die auf RNA-Viren basieren, ist der Umstand, dass sich RNA nicht ins Genom integriert und dort möglicherweise Schäden anrichtet. Daher gelten Pflanzen, die mit RNA-Viren modifiziert wurden, nicht als transgen. Der große Nachteil der RNA-basierten Vektoren liegt in ihrer geringen „Ladekapazität“. TALEN oder Cas9 sind schlichtweg zu groß für diese Vektoren.

Selbst-replizierende DNA-Virus-basierte Vektoren

Auch DNA-Viren wie beispielsweise die Geminiviren dienen als Vektoren zur Expression von heterologen Proteinen in Pflanzen. In einer aktuellen Publikation stellen Pflanzenforscher vor, wie sie Replicons basierend auf dem Weizenverzwergungsvirus (wheat dwarf virus (WDV)) konstruiert haben, um Getreidegenome verändern zu können. Sie konnten zeigen, dass ihr Konstrukt heterologoe Proteine in Weizen, Mais und Reis exprimiert. „Unser System zur Genom Editierung von Getreide ist einfach und transient – also zeitlich begrenzt“, schreiben die Forscher. Und das, obwohl die Anforderungen an die Replicons hoch sind: Sie müssen sowohl die Sequenz-spezifischen Nukleasen, als auch die Reparatur-Vorlagen gleichzeitig zu den Zellen transportieren.

Nur mit starkem Promotor effektiv

Das ist den Wissenschaftlern gelungen: Ihr Replicon-System erhöhte die Gentransferrate in Weizenzellen um das 12-fache, verglichen mit Standard-Gentransfer-Methoden. Auch der Transfer von unterschiedlichen Reportergenen zu verschiedenen Loci des polyploiden Weizengenoms konnten die Wissenschaftler mit ihrem System und CRISPR/Cas9 erfolgreich durchführen. Die Versuche zeigten allerdings auch, dass das System nur mit einem starken Promotor für Cas9 derart effektiv funktioniert.

Mit ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler eine solide Grundlage für Pflanzenforscher geschaffen, die komplexe Genome wie die von Getreide umschreiben möchten, um deren Funktionen besser zu verstehen, ohne jedoch die Reagenzien dafür ins Genom der Pflanzen integrieren zu müssen.


Quelle:
Gil-Humanes, J. et al. (2017): High-efficiency gene targeting in hexaploid wheat using DNA replicons and CRISPR/Cas9. In: Plant J. 2017 Mar;89(6):1251-1262, (13. Februar 2017), doi: 10.1111/tpj.13446.

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Titelbild: Weizen gehört zu den wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. (Bildquelle: © CSIRO, CC BY 3.0)