Wie lange summt es noch?

Das weltweite Bienensterben hat viele Ursachen, die sich gegenseitig verstärken

10.04.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bienen sind wichtige Bestäuber. Seit Anfang des Jahrtausends wird jedoch in weiten Teilen der Welt ein Bienensterben beobachtet. (Bildquelle: © Rene Albarus / pixelio.de)

Bienen sind wichtige Bestäuber. Seit Anfang des Jahrtausends wird jedoch in weiten Teilen der Welt ein Bienensterben beobachtet. (Bildquelle: © Rene Albarus / pixelio.de)

Forscher haben in einer Übersichtsstudie die wichtigsten Gründe für das Bienensterben unter die Lupe genommen und das Zusammenwirken dieser Gründe untersucht.

Honigbienen sind nach Rindern und Schweinen die wichtigsten „Haustiere“, die der Mensch hat. Durch ihre tägliche Arbeit als Bestäuber erhalten wir Obst und andere Feldfrüchte für unsere Ernährung. Aber den Bienen und ihren wilden Verwandten geht es schlecht: Pflanzenschutzmittel, Parasiten wie die Varroamilbe und die Vernichtung ihres natürlichen Lebensraumes setzen ihnen zu. In der Folge gehen die Zahlen sowohl der wildlebenden als auch der domestizierten Bienen zurück – vor allem in Europa und Nordamerika. Eine Übersichtsstudie befasst sich nun mit den Gründen des Bienensterbens und möglichen Gegenmaßnahmen.

Landwirtschaft braucht Bienen

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Wichtige Helfer in der Landwirtschaft: Bienen sind hier gerade im Dienst, um Raps zu bestäuben.

Wichtige Helfer in der Landwirtschaft: Bienen sind hier gerade im Dienst, um Raps zu bestäuben.

Bildquelle: © iStock.com/fotokostic

Insekten, insbesondere Bienen und die gleichfalls zur Familie der „Echten Bienen“ gehörenden Hummeln, sind die fleißigsten kleinen Helfer, die die Landwirtschaft haben kann. Sie bestäuben die Blüten von Apfelbäumen, Erdbeeren, Raps, Tomaten, Kaffee und vielen anderen Pflanzen. Weltweit hängen 75 Prozent der angebauten Nutzpflanzen von den kleinen Hautflüglern und ihren Verwandten ab. Berechnungen zufolge erbringen Bienen und Hummeln zusammen mit anderen Insekten weltweit eine Bestäubungsleistung im Wert von 215 Milliarden Dollar pro Jahr. Ohne Bienen wäre die Menschheit daher schnell am Limit.

Global hat die Zahl der Bienenstöcke weltweit zwischen 1961 und 2008 um 49 Prozent zugenommen, besonders in Argentinien und China. Aber seit Anfang des Jahrtausends wird in weiten Teilen der Welt ein Bienensterben beobachtet. Betroffen ist hier besonders die Westliche Honigbiene (Apis mellifera), der wirtschaftlich wichtigste Bestäuber. Forscher suchen seitdem nach den Ursachen der als CCD (Colony Collapse Disorder) bezeichneten Krankheit. Doch auch vorher schon waren die Bienenzahlen in Europa und Nordamerika im Rückgang. Allein 59 Prozent der Bienenstöcke verschwanden in Nordamerika zwischen 1947 und 2005 und 25 Prozent in Europa zwischen 1985 und 2005. Gleichzeitig sanken die Zahlen wildlebender Bienen und Hummeln in den letzten 50 Jahren, einige Arten sind bereits ausgestorben. Parallel dazu hat sich in der globalen Landwirtschaft der Bedarf an Bestäubern verdreifacht.

Warum die Bienen verschwinden

Als Gründe für den starken Rückgang der Bienenarten nennen die Forscher eine permanente Stresssituation: Die drei größten Stressoren sind ein Cocktail aus verschiedenen Pflanzenschutzmitteln (Neonicotinoide, Fungizide, Pyrethroide), die Belastung durch Parasiten und ein Mangel an Nahrung und Nistplätzen durch fehlende Habitate mit geeigneten Blütenpflanzen.

Der Habitatverlust ist ein wichtiger und schon lange bekannter Grund für das Verschwinden der Wildbienen. Viele wildlebende Spezies benötigen Baumhöhlen oder Erdlöcher für ihre Nester, dazu eine reiche Auswahl an für sie passenden Blütenpflanzen in der Nähe. Die Forscher betonen, dass zum Beispiel in Großbritannien die blütenpflanzenreichen Flächen im 20. Jahrhundert um 97 Prozent geschrumpft sind. Statt dessen wachsen auf dem Ackerland großflächige Monokulturen, die zwar, wie Raps und Sonnenblumen, den Bienen ebenfalls Nahrung bieten, aber zu einförmig sind, um sie gesund zu erhalten. Genau wie Menschen brauchen auch Bienen Abwechslung, um ihren Nährstoffbedarf zu decken. Zudem sind Kulturpflanzen wie Raps oftmals mit Insektiziden behandelt.

Ein weiterer wichtiger Grund sind Parasiten, vor allem eingeschleppte Arten wie die ursprünglich aus Asien stammende Varroamilbe (Varroa destructor). Auch die kommerzielle Nutzung von Hummeln, zum Beispiel als Bestäuber für Treibhaus-Tomaten sorgt für eine weltweite Verschiffung von Pathogenen, die oftmals eine verheerende Wirkung auf einheimische wilde Hummeln haben.

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Nicht nur die allseits beliebten Honigbienen, auch Hummeln sind wichtige Bestäuber, denn sie fliegen schon bei niedrigen Temperaturen, wenn die Bienen noch im Stock bleiben.

Nicht nur die allseits beliebten Honigbienen, auch Hummeln sind wichtige Bestäuber, denn sie fliegen schon bei niedrigen Temperaturen, wenn die Bienen noch im Stock bleiben.

Bildquelle: © Franziska Abeßer / pixelio.de

Der dritte, am meisten diskutierte Grund sind Pflanzenschutzmittel. Bei Untersuchungen entdeckten Wissenschaftler 161 verschiedene Pflanzenschutzmittel in Bienenstöcken. Im Zusammenhang mit dem Rückgang der Bienen werden oftmals die sogenannten Neonicotinoide genannt. Sie wirken systemisch, das heißt, sie kommen in der gesamten Pflanze vor, also auch in Pollen und Nektar. Da sie wasserlöslich sind und eine lange Haltbarkeit besitzen, konnten sie auch in an Ackerflächen angrenzenden Wildkräutern nachgewiesen werden. Bereits geringe Dosen, denen die Bienen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sind, können sich negativ auswirken. Aber auch Herbizide leisten ihren Beitrag: Eingesetzt, um Wildkräuter auf den Äckern zu bändigen, vernichten sie damit gleichzeitig die für die Bienen nötigen Blütenpflanzen.

Alles zusammen ist zu viel

Die Forscher warnen davor, nur einen Stressor allein für das Verschwinden der Bienen verantwortlich zu machen und die Gesamtsituation zu unterschätzen: Denn oftmals haben einzelne Stressfaktoren zunächst keine gravierende Wirkung, aber im Zusammenspiel mit anderen können sich plötzlich tödliche Effekte ergeben. So können die verschiedenen Chemikalien, denen die Bienen ausgesetzt sind, sich durchaus gegenseitig beeinflussen. Das wurde bereits für Fungizide festgestellt, die allein kaum negative Auswirkungen haben, aber sowohl manche Neonicotinoide als auch Pyrethroide in ihrer Wirkung um den Faktor 1.000 verstärken können. Der Kontakt mit Neonicotinoiden erhöht offenbar auch die Anfälligkeit für Pathogene: So zeigen mehrere Studien, dass Bienen, die in ihrer Entwicklung mit Neonicotinoiden in Kontakt kamen, häufiger mit dem Pathogen Nosema ceranae befallen wurden. Vermutet wird hier eine Schwächung des Immunsystems durch die Insektizide, so dass der Pathogen leichtes Spiel hat.

Nahrungsmangel beeinflusst ebenfalls die Immunabwehr der Bienen. Ein Immunsystem, das einen Parasiten abwehrt, also auf Hochtouren läuft, benötigt Energie, die die Bienen in Form von extra Futter zu sich nehmen müssen. Gibt es nicht genügend Blüten, kann die Biene ihren Bedarf nicht decken und der Parasit setzt sich durch. Alternativ besteht die Gefahr, dass die Biene sich an Blüten von Kulturpflanzen bedient, die wiederum mit Pestiziden belastet sein könnten.

Und als wäre das noch nicht genug, steht auch noch der Klimawandel ins Haus. Veränderungen der Pflanzengesellschaften, Trockenheit, Starkregen und Überschwemmungen könnten den Bienen das Leben in Zukunft noch schwerer machen.

Jeder kann helfen

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Gefährliche Kombination: Wenn zu viele Stressorer zusammenkommen, kann das tötliche Folgen für die fliegenden Helfer haben. Die drei größten Stressoren sind ein Cocktail aus verschiedenen Pflanzenschutzmitteln, die Belastung durch Parasiten und ein Mangel an Nahrung und Nistplätzen durch fehlende Habitate mit geeigneten Blütenpflanzen.

Gefährliche Kombination: Wenn zu viele Stressorer zusammenkommen, kann das tötliche Folgen für die fliegenden Helfer haben. Die drei größten Stressoren sind ein Cocktail aus verschiedenen Pflanzenschutzmitteln, die Belastung durch Parasiten und ein Mangel an Nahrung und Nistplätzen durch fehlende Habitate mit geeigneten Blütenpflanzen.

Bildquelle: © Stockr - Fotolia.com

Die Forscher betonen, dass spezielle Programme wie die Anlage von Blühstreifen an Ackerrändern bereits eine große Hilfe sind, denn sie bieten den Bienen reichlich Nahrung. Gleichzeitig werden angrenzende Flächen mit insektenbestäubten Feldfrüchten gefördert. Allerdings werden solche Programme noch zu wenig genutzt, da offenbar der ökonomische und ökologische Nutzen vielen Landwirten nicht klar ist. Gleiches gilt für Nistmöglichkeiten: An „unaufgeräumten“ Feldrändern und in Hecken bieten sich gute Nistplätze, die nicht nur Bienen beherbergen, sondern auch andere Insekten, die in der Folge Schädlingen den Garaus machen. Alternativ können potentielle Nistmöglichkeiten durch ein Angebot von altem Holz, geschnittenem Schilfrohr oder unbearbeitetem Boden gefördert werden. Hier sind auch Gartenbesitzer aufgerufen, in ihren Gärten vermehrt heimische Stauden und Gehölze zu pflanzen oder eine „wilde Ecke“ mit Totholz und Wildblumen anzulegen.

Auch im Umgang mit Pestiziden muss ein Umdenken erfolgen. Die Forscher weisen darauf hin, dass trotz staatlicher oder sogar EU-weiter Programme zur Reduktion des Pestizid-Einsatzes immer noch große Mengen an Pflanzenschutzmitteln ausgebracht werden, oftmals prophylaktisch, wie etwa bei der Beizung von Saatgut. Dadurch reichern sich immer mehr Pestizide in der Umwelt an. Als Alternative schlagen die Forscher die verstärkte Anwendung von Techniken des sogenannten „Integrated Pest Management“ (IPM) wie zum Beispiel konsequente Fruchtfolge vor. Pflanzenschutzmittel werden hier erst als letzte Möglichkeit verwendet. Auch in der Forschung gibt es Verbesserungsbedarf: Die Wissenschaftler kritisieren, dass die Wirkung neuer Pflanzenschutzmittel oftmals nur über kurze Zeiträume und ohne Überschneidungen mit bereits in der Umwelt vorhandenen Pestiziden getestet werden. Die Ergebnisse seien nicht geeignet, um die wahren Umweltbedingungen abzubilden und eine Aussage über die Wirkungsweise auf Bienen zu treffen.

Zudem fordern die Forscher mehr Monitoringprogramme, um das Vorkommen und die Verbreitung der verschiedenen Bienenarten besser beobachten zu können. Neben Wissenschaftlern sollten hier vermehrt Freiwillige zur Mithilfe angeregt werden. Neben der Abdeckung größerer Flächen gelangen bestäubende Insekten so auch stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zurück. Gute Beispiele für solche „Citizen Science“ (Bürger schaffen Wissen) genannten Ansätze gibt es bereits. In Großbritannien zum Beispiel gibt es das „BeeWatch“ Projekt. Hier können Fotos von Hummeln hochgeladen werden und bieten so eine zusätzliche Datenbasis, um Aussagen über die Verbreitung der Insekten zu machen. Es gibt also eine Menge zu tun. Die Forscher weisen in ihrer Studie darauf hin, dass sich die Menschheit eine „Bestäuber-Krise“ im Zeitalter des steigenden Bedarfs an Lebensmitteln nicht leisten kann und dass daher schnell gehandelt werden muss und das jeder mithelfen kann und muss.


Quelle:
Goulson, D. et al. (2015): Bee declines driven by combined stress from parasites, pesticides and lack of flowers. In: Science, Vol 347, (27. März 2015), doi: 10.1126/science.1255957.

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Titelbild: Bienen sind wichtige Bestäuber. Seit Anfang des Jahrtausends wird jedoch in weiten Teilen der Welt ein Bienensterben beobachtet. (Bildquelle: © Rene Albarus / pixelio.de)