Kleine Moleküle für große Züchtungsziele

Das Projekt „Multisun“

05.08.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Sonnenblumen sind wichtige Ölpflanzen, die aber auf Deutschlands Äckern eher selten angebaut werden. (Bildquelle: © Tobias Sieberer/TUM)

Sonnenblumen sind wichtige Ölpflanzen, die aber auf Deutschlands Äckern eher selten angebaut werden. (Bildquelle: © Tobias Sieberer/TUM)

Die Züchtung profitiert davon, dass komplette Pflanzen aus einzelnen Zellen herangezogen werden können – das geschieht im Labor mit Hilfe von Gewebekulturen und nennt sich Regeneration. Doch nicht bei allen Pflanzenarten funktioniert das gleich gut. Die Sonnenblume zählt beispielsweise zu den „Problemkandidaten“. Damit neue Züchtungsmethoden wie die Genomeditierung – die auf Gewebekulturen angewiesen sind – auch bei ihr erfolgreich angewendet werden können, sucht das Projekt „Multisun“ nach kleinen Molekülen, die die Regeneration der Pflanzen aus undifferenziertem Gewebe auslösen.

Zur züchterischen Verbesserung von Nutzpflanzen werden vermehrt Methoden der Genomeditierung angewendet. „CRISPR/Cas ist ein Quantensprung in der Biotechnologie. Die Methode ermöglicht auch in der Pflanzenzüchtung neue Ansätze, die dringend gebraucht werden, um eine nachhaltigere Landwirtschaft zu ermöglichen und die Transformation der Wirtschaft zu einer Bioökonomie zu beschleunigen. Das Problem ist jedoch, dass diese Technologie noch nicht komplett ausgereift ist und ein wesentlicher Flaschenhals ist die Regeneration von Pflanzen aus einzelnen genomeditierten Zellen“, erklärt Projektleiter Dr. Tobias Sieberer von der Technische Universität München.

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Bei vielen Pflanzenarten gelingt die Regeneration von einzelnen Zellen zu funktionsfähigen Pflanzen problemlos. Aber die Sonnenblume zählt zu den „Problemkandidaten“.

Bei vielen Pflanzenarten gelingt die Regeneration von einzelnen Zellen zu funktionsfähigen Pflanzen problemlos. Aber die Sonnenblume zählt zu den „Problemkandidaten“.

Bildquelle: © Tobias Sieberer/TUM

Bei vielen Pflanzenarten gelingt die Regeneration problemlos. „Aber selbst innerhalb einer Art können einzelne Sorten ganz unterschiedlich gut zu funktionsfähigen Pflanzen heranwachsen – da gibt es große Variabilität“, erklärt Sieberer. Und es gibt Nutzpflanzen, wie Zuckerrüben oder Sonnenblumen, bei denen die Regeneration noch so gut wie nicht gelingt.

Sonnenblumen zählen zwar mit rund 22 500 Hektar Anbaufläche im Jahr 2019 (Vergleich Raps: ca. 857 500 Hektar) nicht zu den bedeutendsten Kulturarten in Deutschland. Aber ein generelles Ziel für die nachhaltigere Gestaltung der Landwirtschaft ist es, den Anbau von Nischenkulturen auszuweiten und damit die Agrobiodiversität auf den Feldern zu erhöhen. Dies fördert beispielsweise die Bodenfruchtbarkeit und dämmt die Verbreitung von Pflanzenkrankheiten ein. Damit aber der Anbau von Sonnenblumen und anderen Nischenkulturen wirtschaftlich konkurrenzfähig ist, müssen diese Kulturarten züchterisch weiter optimiert werden.

Das Projekt „Multisun“ will daher der Sonnenblume bei der Regeneration auf die Sprünge helfen. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „Nutzpflanzen der Zukunft“ gefördert und läuft von 2018 bis 2020.

Die Projektpartner und Ziele

Multisun ist ein Einzelprojekt, an dem die Arbeitsgruppe „Wachstumsregulation der Pflanzen“ am Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt (WZW) der Technischen Universität München (TUM) unter der Leitung von Dr. Tobias Sieberer forscht.

Im Projekt sollen niedermolekulare Verbindungen – sogenannte small molecules – identifiziert werden, die die Regeneration bei der Sonnenblume signifikant verbessern.

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Steckbrief: „Multisun“


	Versuchspflanze: Sonnenblume
	Förderprogramm: „Nutzpflanzen der Zukunft“, BMBF
	Laufzeit: 2018 – 2020
	Projektpartner: TUM/WZW
	Eintrag in unserer Projektdatenbank: Multisun

Steckbrief: „Multisun“

  • Versuchspflanze: Sonnenblume
  • Förderprogramm: „Nutzpflanzen der Zukunft“, BMBF
  • Laufzeit: 2018 – 2020
  • Projektpartner: TUM/WZW
  • Eintrag in unserer Projektdatenbank: Multisun

Derzeit werden überwiegend die Pflanzenhormone Auxin und Cytokinin im Nährmedium der Gewebekulturen eingesetzt, um die Bildung von Spross- oder Wurzelmeristeme auszulösen. Ein andere Klasse von bekannten Regenerationsfaktoren sind sogenannte HD-ZIP III-Proteine. Sie haben eine stark sprossfördernde Wirkung und sollen im Rahmen von „Multisun“ näher analysiert werden.

Das Vorgehen

Screening nach geeigneten Kandidaten

Bereits in Vorarbeiten hatte das Team der TUM eine enzymbasierte Methode zur Hochdurchsatzanalyse entwickelt, mit der circa 10 000 niedermolekulare Verbindungen auf ihre regenerative Wirkung bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana getestet wurden. Dabei wurden die Chemikalien jeweils zu den Zellen gegeben und geprüft, ob sie die Aktivität der HD-ZIP III-Proteine stimulieren können. Um auch bei der Sonnenblume die Erfolgsaussichten zu erhöhen, führt das Forschungsteam nach Projektbeginn weitere Screenings durch, um zusätzliche Kandidaten-Moleküle für Tests mit der Sonnenblume zu identifizieren. Es wurde konkret nach Substanzen gesucht, die HD-ZIP III-Proteine aktivieren und damit die Wirkung der bislang genutzten Phytohormone verstärken könnten.

Ermittlung der Regenerationsrate in Gewebekulturen

Erfolgsversprechende Kandidaten werden im nächsten Schritt in Zellkulturmedien mit undifferenzierten Sonnenblumengewebe getestet und die Regenerationsrate nach 21 Tagen gemessen. Dabei zählen die Forscher die Zahl von gebildeten Vegetationskegel im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Chemikalien.

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Im Labor: Die Kandidaten-Verbindungen werden zu den Sonnenblumenzellen gegeben und nach einer Wartezeit von einigen Tagen können die Vegetationskegel gezählt werden.

Im Labor: Die Kandidaten-Verbindungen werden zu den Sonnenblumenzellen gegeben und nach einer Wartezeit von einigen Tagen können die Vegetationskegel gezählt werden.

Bildquelle: © Oben: Marjolein de Haan/TUM // Unten: Tobias Sieberer/TUM

Kandidaten: Interaktionen auf molekularer Ebene identifizieren

Parallel will das Team herausfinden, welche Entwicklungsschritte und Gene durch die jeweiligen Kandidaten-Verbindungen beeinflusst werden. Mit Genexpressionsanalysen und Experimenten mit Mutanten der Modellpflanze Arabidopsis thaliana wollen die Forscher die jeweiligen Zielgene identifizieren. Das Team interessiert auch, wie die Kandidaten-Verbindungen mit den Hormonen Auxin und Cytokinin interagieren. Durch Tests soll zudem der ideale Zeitpunkt und die nötige Konzentration an regenerationsfördernden Substanzen in der Gewebekultur geklärt werden.

Aufklärung des molekularen Wirkmechanismus der HD-ZIP III-Proteine

Die HD-ZIP III-Proteine sind aktivierende Transkriptionsfaktoren. Sie werden im Projekt strukturell und in ihrer Wirkung auf molekularer Ebene genauer untersucht. Man weiß bereits, dass sie zwei Rezeptordomänen besitzen, wo möglicherweise Signalstoffe (Liganden) binden und die Aktivität dieser Proteine regulieren. Die isolierten niedermolekularen Substanzen sollen dazu beitragen, die pflanzeneigenen Liganden zu identifizieren, um die Steuerung der HD-ZIP III-Proteine besser zu verstehen.

Die Ergebnisse

Im Projekt wurden bisher acht niedermolekulare Verbindungen identifiziert, die möglicherweise eine förderliche Wirkung auf die Sprossregeneration von undifferenzierten Sonnenblumengewebe haben. Die neuartigen Wachstumsregulatoren erhöhen die Transkriptionsaktivität von HD-ZIP III-Proteinen. Zwei Verbindungen erwiesen sich als besonders wirksam und erhielten die Namen ZIC2 und ZIC10. Für ZIC2 konnte der spezifische Wirkmechanismus bereits aufgeklärt werden. Details werden in einer kommenden Publikation vorgestellt.


Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Sonnenblumen sind wichtige Ölpflanzen, die aber auf Deutschlands Äckern eher selten angebaut werden. (Bildquelle: © Tobias Sieberer/TUM)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationalen Förderinitiativen: "Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie I & II", "Nutzpflanzen der Zukunft" und "Innovative Pflanzenzüchtung im Anbausystem (IPAS)".
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030