„Mit vereinten Kräften entdeckten wir den heimlichen Helfer“

Interview mit Rabih Mehdi

22.08.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Doktorand Rabih Mehdi arbeitet daran, dass Kartoffelpflanzen auch bei steigenden Temperaturen noch viele große Knollen bilden. (Bildquelle: © Tamara Worzewski / PLANT 2030)

Der Doktorand Rabih Mehdi arbeitet daran, dass Kartoffelpflanzen auch bei steigenden Temperaturen noch viele große Knollen bilden. (Bildquelle: © Tamara Worzewski / PLANT 2030)

Die Kartoffel ist Deutschlands Grundnahrungsmittel Nummer Eins. Doch die steigenden Temperaturen lassen die Erträge schrumpfen. Rabih Medhi möchte Kartoffelpflanzen mithilfe der Epigenetik helfen und musste für dieses Ziel eine lange Durststrecke auf sich nehmen.

Der Doktorand der FAU Erlangen erläutert im Interview, wie er im Projekt EpiPotato Viren zur Rettung der Kartoffel einsetzt und warum für ihn Hartnäckigkeit und Teamwork in der Wissenschaft unerlässlich sind.

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Die Kartoffel wurde im 16. Jahrhundert aus den Anden nach Europa gebracht und war  wegen ihrer schönen Blüten als Zierpflanze begehrt.

Die Kartoffel wurde im 16. Jahrhundert aus den Anden nach Europa gebracht und war  wegen ihrer schönen Blüten als Zierpflanze begehrt.

Bildquelle: © Tamara Worzewski / PLANT 2030

Pflanzenforschung.de: Die Kartoffel steht für uns heutzutage so selbstverständlich auf dem Speiseplan, dass man gern ihre Herkunft vergisst. Herr Mehdi, woher stammt die Kartoffel und was bedeutet das für den Anbau in Europa?

Rabih Mehdi: Tatsächlich hat die Kartoffel ihren Ursprung in den Anden Südamerikas. Von dort gelangte sie im 16. Jahrhundert nach Europa. Hier gab es dann einige Probleme mit dem Anbau. Zum Beispiel störten die langen Tage des europäischen Sommers die Knollenbildung. Außerdem setzten den Pflanzen Krankheitserreger und Schädlinge zu, so dass es immer wieder zu hohen Ernteausfällen und Hungersnöten kam. Durch Züchtung hat man aber schon viel erreicht. Die heutigen Sorten sind an die entsprechenden Tageslängen angepasst und haben Resistenzen gegen viele bei uns vorkommenden Pathogene.  

Pflanzenforschung.de: Und woran forschen Sie?

Rabih Mehdi: Wir beobachten schon länger, dass es der Kartoffel zu warm wird. Eigentlich ist sie ja an die kühlen Anden angepasst. Daher hat sie lange gut ins mitteleuropäische Klima gepasst. Aufgrund der steigenden Temperaturen bildet sie jedoch immer weniger Knollen aus und der Ertrag sinkt. Dieses Problem möchten wir lösen, durch Epigenetik.

Pflanzenforschung.de: Was bedeutet Epigenetik?

Rabih Mehdi: Epigenetik ist ein natürlicher Prozess in den meisten Lebewesen. Er beeinflusst, welche Gene abgelesen werden, und welche nicht. Dabei wird das Erbgut selbst nicht verändert, sondern lediglich mit kleinen Anhängseln markiert, quasi eine Dekoration des Erbguts. Je nach Art der Markierung erhält die molekulare Maschinerie der Zelle mehr oder weniger Zugriff auf die jeweiligen Gene. So bestimmten diese epigenetischen Veränderungen beispielsweise, ob sich ein Gewebe zur Blüte oder zum grünen Blatt weiterentwickelt. Wir wollen nun Epigenetik nutzen, damit Kartoffeln in Zukunft auch bei hohen Temperaturen ausreichend Knollen bilden.

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Mithilfe von Blaulicht überprüfen die Forschenden, ob Viren in die Kartoffelpflanze gelangt sind und sich ausbreiten. In dem auf dem Bild gezeigten Versuch gab es keine Virusinfektion.

Mithilfe von Blaulicht überprüfen die Forschenden, ob Viren in die Kartoffelpflanze gelangt sind und sich ausbreiten. In dem auf dem Bild gezeigten Versuch gab es keine Virusinfektion.

Bildquelle: © Tamara Worzewski / PLANT 2030

Pflanzenforschung.de: Wie funktioniert das genau?

Rabih Mehdi: Wir nutzen dazu einen Trick, bei dem wir uns die pflanzliche Virusabwehr zur Hilfe holen. In der Fachsprache heißt das Virus-induziertes Gene-Silencing. Dafür muss man etwas um die Ecke denken. Wenn Viren Pflanzen befallen, bringen sie ja ihr Erbgut in die Pflanzenzelle ein, damit diese die Viren vermehrt. Aber Pflanzen haben auch eine Art Immunsystem. Ein Teil dieser Abwehr ist, dass die Pflanze die Viren-DNA oder -RNA erkennt und Gene darin durch epigenetische Markierung stilllegt. Der Trick ist nun, dass man in so ein Virus eine Gensequenz der Pflanze einbringt. Wenn solche Viren nun die Pflanze befallen, legt diese das Viren-Erbgut und gleichzeitig ihr eigenes Gen still. So kann man dafür sorgen, dass einzelne Gene ausgeschaltet werden, ohne dass das Erbgut der Pflanze verändert wird.

Pflanzenforschung.de: Welche Gene möchten sie abschalten?

Rabih Mehdi: Wir möchten Gene ausschalten, die bei Hitze die Knollenbildung hemmen. Um geeignete Kandidaten dafür zu identifizieren, haben wir klassische Kreuzung genutzt. Zwei unterschiedliche Kartoffellinien wurden gekreuzt, wobei die eine Linie sehr empfindlich auf Hitze reagiert und dann wenige Knollen ausbildet, die andere nicht. Die Elternlinien und die Nachkommen der Kreuzung haben wir eingehend untersucht, sowohl hinsichtlich der Hitzetoleranz als auch die Genome, Transkriptome und Methylome, also bestimmte epigenetische Veränderungen. Dadurch konnten wir einige aussichtsreiche Kandidatengene finden. Die Analysen sind aber noch nicht abgeschlossen.

Pflanzenforschung.de: Und werden die epigenetischen Veränderungen an den Genen auch weitervererbt? Auch die Nachkommen der hitzetoleranten Kartoffeln sollten ja noch viele Knollen bilden.

 Rabih Mehdi: Das ist noch nicht ganz klar. Da man Kartoffeln über die Knollen vegetativ vermehrt, sind die nachfolgenden Pflanzen ja genetische Klone. Das könnte von Vorteil sein. Es gibt bereits Hinweise, dass die epigenetischen Markierungen über mehrere Anbauten stabil weitervererbt werden.

Pflanzenforschung.de: Nochmal zu den Viren: Wie gelangen diese denn in die Pflanze und woran erkennen Sie, ob das gelungen ist?

Rabih Mehdi: Anfangs muss das Virus mechanisch in die Pflanzenzellen eingebracht werden, durch Einreiben in die Blätter. Hat das Virus erstmal Zellen  infiziert, kann es sich über das Leitgewebe systemisch in der gesamten Pflanze ausbreiten.

Wir haben eine Methode entwickelt, mit der man einfach überprüfen kann, ob die Infektion geklappt hat und wo sich die Viren in der Pflanze verbreiten. Dazu sind die Viren mit einem grün fluoreszierenden Protein, dem GFP, markiert. Wenn man die Pflanzen mit Blaulicht anleuchtet und unter einem Filter betrachtet, leuchten infizierte Stellen grün auf. Dann haben wir es geschafft, die genetische Information in die Zellen einzubringen. Wenn die Pflanze jedoch rot erscheint, dann hat das Virus es nicht geschafft und wir sehen nur die rote Autofluoreszenz des Chlorophylls, dem grünen Farbstoff in Pflanzenzellen. So zumindest die Theorie. Bei uns blieben die Pflanzen leider jahrelang rot.

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Endlich – nach vielen Jahren waren Rabih Mehdis Versuche erfolgreich, zu erkennen an den unter Blaulicht grün aufleuchtenden Bereichen am Blatt.

Endlich – nach vielen Jahren waren Rabih Mehdis Versuche erfolgreich, zu erkennen an den unter Blaulicht grün aufleuchtenden Bereichen am Blatt.

Bildquelle: © Tamara Worzewski / PLANT 2030

Pflanzenforschung.de: Das heißt, die Viren sind nicht in die Kartoffelpflanzen eingedrungen?

Rabih Mehdi: Die Methode der Virusinfektion haben wir von anderen Forschungsgruppen übernommen. Aber bei uns wollte es einfach nicht funktionieren. Wir konnten die Methode auch nach unzähligen Versuchen nicht reproduzieren. Mein Doktorvater wollte schon längst das Thema wechseln. Und auch ich war an dem Punkt, wo ich an mir zweifelte und dachte, ich bin einfach zu doof (lacht). Aber ich blieb dran.

Am gefühlten Tiefpunkt kam dann Julia Eydam als Doktorandin in unser Team. Zusammen haben wir die Virusinfektion immer wieder versucht, weil wir dachten, dass es eine Lösung geben muss, und herausfinden wollten, was da los ist. Wir haben verschiedene Viren ausprobiert, verschiedene Methoden, verschiedene Arten und Sorten von Kartoffeln. Es war viel Arbeit. Doch letztendlich mussten wir einsehen, dass bisher beschriebene Methoden bei der Kartoffel nicht funktionieren.

Nach viel Recherche in der Literatur, verschiedensten Überlegungen und Experimenten fanden wir dann heraus, dass das in den Publikationen verwendete Virus wahrscheinlich einen bis dahin unentdeckten Helfer braucht, nämlich ein anderes Virus. Wir vermuten, dass dieses sozusagen die Pforten für unser „RNA-Transport-Virus“ öffnet und es ihm damit ermöglicht, sich auszubreiten und die Erbinformation in ausreichend viele Zellen der Pflanze zu bringen. Als wir zusätzlich das Helfer-Virus bei unseren Experimenten einsetzten, hat es endlich geklappt und wir haben überall in der Pflanze grün leuchtende Flecken entdeckt. Das war eine riesige Erleichterung.

In Kürze möchten wir diese Entdeckung auch veröffentlichen.

Pflanzenforschung.de: Wie wichtig war dabei die gegenseitige Unterstützung im Team?

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Die Promovierenden Julia Eydam (links) und Rabih Mehdi (rechts) arbeiten als Team zusammen an hitzetoleranten Kartoffelpflanzen.

Die Promovierenden Julia Eydam (links) und Rabih Mehdi (rechts) arbeiten als Team zusammen an hitzetoleranten Kartoffelpflanzen.

Bildquelle: © Tamara Worzewski/PLANT 2030

Rabih Mehdi: Wahnsinnig wichtig. Dabei geht es nicht nur um den fachlichen Austausch, sondern auch um die gegenseitige moralische Unterstützung, die einen als Doktorand auch in Frustphasen durchhalten lässt.

Mein Doktorvater hatte immer ein offenes Ohr und gute Ideen, was man noch ausprobieren könnte. Und obwohl er selbst schon das Projekt beendet hätte, lies er mir den Freiraum, es weiter zu versuchen.

Auch die Zusammenarbeit mit Julia war großartig. Sie hat mich nicht alleine in meinem Loch gelassen, sondern hat mit mir gekämpft, da herauszukommen. Zusammen konnten wir dranbleiben bis es endlich funktionierte. Dafür bin ich sehr dankbar. Im Gegenzug kann Julia, die ja noch mitten in ihrer Doktorarbeit steckt, von unserem Erfolg profitieren. Sie nutzt jetzt unser Virus-System, damit Kartoffelpflanzen widerstandsfähiger gegen Hitze werden. Und das wie gesagt epigenetisch, also ohne Veränderungen der DNA-Sequenz der Kartoffel.

Pflanzenforschung.de: Im Moment schreiben Sie Ihre Doktorarbeit und an anderen Publikationen. Wie geht es danach weiter?

Rabih Mehdi: Ich werde mich in der gleichen Arbeitsgruppe der Optimierung von Kartoffelpflanzen widmen – nun im Rahmen eines PostDocs. Da ich mich während meiner Doktorarbeit auch mit Genomeditierung des Kartoffelgenoms beschäftigt habe, werde ich meine Erfahrung mit diesen molekularen Werkzeugen weiter ausbauen. Außerdem bleibt es spannend, mit Julia unser Virus-System in der Kartoffel einzusetzen und epigenetische Veränderungen zu erzielen.

Pflanzenforschung.de: Sie scheinen viel Zeit und Energie in Ihre Forschung einzubringen. Was motiviert Sie dabei?

Rabih Mehdi: Pflanzen faszinieren mich einfach. Ohne sie hätten wir keinen Sauerstoff zum Atmen, keine Nahrung – ohne Pflanzen würde es uns nicht geben. Pflanzen haben viele Tricks, um sich an schwierige Bedingungen anzupassen, und ich möchte gern die molekularen Mechanismen dahinter verstehen. Außerdem finde ich es spannend, welche Techniken wir mittlerweile haben. Damit können wir viele Geheimnisse aufklären und hoffentlich einige Probleme von morgen lösen. Selbst wenn wir nicht allen Herausforderungen gewachsen sind, hoffe ich, den nächsten Generationen durch neue Erkenntnisse das Leben einfacher machen zu können.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!