„Schon gewusst? – „Öko“ nicht immer das Beste

Blühstreifen bieten mehr für den Bienenschutz

13.06.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Blühstreifen neben einem konventionellen Weizenfeld bei Sebexen im Landkreis Northeim. (Bildquelle: © Costanza Geppert)

Blühstreifen neben einem konventionellen Weizenfeld bei Sebexen im Landkreis Northeim. (Bildquelle: © Costanza Geppert)

Mehr Lebensräume für Bienen und konventionelle Landwirtschaft – das muss kein Gegensatz sein. Eine neue Studie zum Bienenschutz zeigt, dass „ökologisch“ nicht automatisch „konventionell“ schlägt. Denn die konventionelle Landwirtschaft liefert höhere Erträge – und lässt so mehr Raum für Umweltmaßnahmen wie ausgedehnte Blühstreifen.

Bienen haben durch ihre Bestäuberleistung einen Anteil an den Erträgen von 85 Prozent aller Kulturpflanzen. Das Wildbienensterben ist daher auch eine Gefahr für die Ernährungssicherheit. Zahlen der Global Biodiversity Information Facility (GBIF) zeigen, dass sich die Zahl der Wildbienenarten seit den 1990er Jahren stark verringert hat – von 2006 bis 2015 ging die Artenvielfalt um ein Viertel zurück. Aber wie können (Wild-)Bienen bestmöglich geschützt werden?

„On-field“ vs. „Off-field“: Vielfältige Maßnahmen für den Bienenschutz

Zu den oft angeführten Gründen für das Bienensterben zählen die Ausweitung, Monokultisierung und Intensivierung der Landwirtschaft durch den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Oft wird die Debatte entlang klarer Linien geführt: Einige Landwirte wollen am konventionellen Landbau festhalten, um möglichst hohe Erträge zu erzielen. Viele Naturschützer fordern mehr Ökolandbau, um die Lebensräume von Bestäubern und anderen Nützlingen zu bewahren. Geht diese Rechnung auf?

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Studentinnen auf einem Bioweizenfeld bei Bodensee, einer Gemeinde im Landkreis Göttingen.

Studentinnen auf einem Bioweizenfeld bei Bodensee, einer Gemeinde im Landkreis Göttingen.

Bildquelle: © Sinja Zieger

Für den Bienenschutz gibt es verschiedene Optionen – sowohl für produktive („on-field“) als auch unproduktive („off-field“) Flächen. Auf produktiven Flächen kann auf chemische Pestizide und Düngemittel verzichtet werden, die für Insekten schädlich sind. Das wird im Ökolandbau praktiziert. Unproduktive Flächen sind Brachen sowie Blühstreifen oder Hecken entlang von Feldrändern. Hier finden Insekten blühende Pflanzen als Nahrungsquelle sowie Schutz- und Rückzugsräume.

Flächengröße beim Vergleich von Blühstreifen und Ökolandbau beachten

Professor Teja Tscharntke von der Universität Göttingen und Professor Péter Batáry vom Zentrum für ökologische Forschung in Vácrátót (Ungarn) haben untersucht, wie sich diese Maßnahmen auf Bienen auswirken. Dafür verglichen Sie die Bienenvorkommen auf einem ökologischen Feld und einem konventionellen Feld mit Blühstreifen. Kontrollfläche war ein konventionelles Feld ohne Blühstreifen.

Das Ergebnis: Auf der Transektebene wurden auf dem Blühstreifen mehr Bienen gezählt als auf dem ökologischen Feld. Doch der Vergleich hinkt. Bei dieser Betrachtung fällt unter den Tisch, dass der Blühstreifen nur etwa fünf Prozent des konventionellen Feldes bedeckt. Wenn man das ganze Feld betrachtet, zeigt sich: „Der Ökolandbau, der typischerweise mehr Wildkräuter aufweist als der konventionelle Acker, ist in diesem Szenario bei der Bienenförderung deutlich erfolgreicher als der Blühsteifen“, so die Wissenschaftler.

Höhere Produktivität schafft Raum für Umweltmaßnahmen

Die Forscher gingen aber noch einen Schritt weiter und berechneten die Produktivität der Anbauform mit ein. Um die gleiche Menge an Getreide zu produzieren, benötigt der Ökolandbau etwa doppelt so viel Fläche wie der konventionelle Anbau. Hat man einen zehn Hektar großen Acker, kann man darauf Ökolandbau betreiben – oder auf der halben Fläche konventionell wirtschaften. Dann bleiben fünf Hektar für Umweltmaßnahmen wie Blühstreifen. Die Rechnung zeigt: So wären 3,5-mal mehr Bienen möglich als beim reinen Ökolandbau. Das Fazit der Autoren: „Nur wenn der Flächenanteil der Maßnahmen sowie die Ertragssituation berücksichtigt werden, können wir ein ausgewogenes Verständnis der ökologischen und ökonomischen Wirksamkeit von Umweltmaßnahmen erreichen.“

Ein anderer Aspekt ist ebenfalls relevant, wenn auch nicht Teil dieser Studie: Die konventionelle Landwirtschaft wandelt sich. So plant die EU den Einsatz und damit das Risiko von chemischen Pflanzenschutzmitteln für Nichtzielorganismen bis 2030 zu halbieren. Und in Deutschland wurde 2021 das Insektenschutzgesetz verabschiedet, das ebenfalls eine Pestizidreduktion vorsieht. Darüber hinaus ermöglicht die Präzisionslandwirtschaft eine teilflächenspezifische, bedarfsoptimierte Bewirtschaftung von Feldern. So können Dünge- und Pflanzenschutzmittel gespart werden – das sichert Erträge und schont gleichzeitig Umwelt und Insekten.


Quellen:

  • Batáry, P. & Tscharntke, T. (2022): Scale-dependent effectiveness of on-field vs. off-field agri-environmental measures for wild bees. In: Basic and Applied Ecology, (August 2022), doi: 10.1016/j.baae.2022.05.001.
  • Zattara, E. & Marcelo, A. (2021): Worldwide occurrence records suggest a global decline in bee species richness. In: One Earth, 4(1), p. 114-123, (22. Januar 2021), doi: 10.1016/j.oneear.2020.12.005.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Blühstreifen neben einem konventionellen Weizenfeld bei Sebexen im Landkreis Northeim. (Bildquelle: © Costanza Geppert)